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hatte eine Geschichte der Römer mit dem Titel Flaminius geschrieben und eine afrikanische Erzählung Dinarbas, und beides war vor ein paar Jahren in deutscher Übersetzung erschienen.

      Der Buchhändler zu Klagenfurt klagte sehr über die schlechte Zeit, da niemand mehr Bücher kaufe. Die vielen Zeitungen und Zeitschriften machten das. Und die Zensur. Selbst seine Leihbibliothek habe man verboten. Und selbst das so gängige, von allen Frauenzimmern geliebte Gebetbuch des Schweizer Hofrats von Eckartshausen. Sie sei Ausländerin. Ihr wolle er ein gerettetes Exemplar verkaufen, wenn sie wolle. Oder eine schöne Geistergeschichte? Das Gespenst in der blutigen Truhe oder das Leichentuch des gehenkten, versenkten und wiedergekehrten Fürsten zu Neapel, Caracciolo?

      Sie wurde blass und nahm das Gebetbuch für teures Geld und dachte daran, dass sie von einem Schweizer Pastoren erzogen sei und ein sanfteres Leben verdient habe als das, was sie hinter sich hatte.

      Die dreigestaltige Fama.

      Auf dem Marktplatz stand die Kaiserin Maria Theresia, ungeheuer gross, und reich und steif gekleidet. Über ihr die Göttin Fama, die, um zu schweben, nicht nackt und schamlos sein konnte wie die wirkliche Fama, sondern ein fliessendes Gewand trug, mit dem sie sich auf den Nacken der Herrscherin stützte oder vielmehr darauf lastete, denn das ganze war aus Blei. Bei einem andern Monumente schwang ein schnurrbärtiger Ritter seine Keule gegen einen sieben Meter langen Lindwurm, der sicher nur eine andre Gestalt der Fama war. Der Ausgang des Kampfes musste ewig ungewiss bleiben. Bei einem dritten Brunnen — man war hier betreffs Denkmäler aufgeklärt genug, indem man sie nützlich zu machen verstand und die Wasserleitung hindurchschickte — da rann ein träges Seberlein zwei hundartigen Löwen aus den gelangweilten Mäulern. Das schien die verkörperte Fama der Unberühmten zu sein, und Fräulein Knight drückte das hofrätliche Gebetbuch ans Herz und bat den Himmel, sie dann noch lieber unberührt sterben zu lassen.

      Friesach.

      Man erreichte Friesach. Blank überm Geissberg stach die Sonne durch eine gewittrige Wolke. Vorm „Deutschen Haus“ waren die Stiftsarmen versammelt und lagen nach den behördlichen Vorschriften für Demutserzeigung bei Erscheinen von Obrigkeiten auf den Knien. Vor der grossen Treppe stand eine Ehren-Eskadron Husaren angetreten und davor salutierend der hübsche, junge Kommandeur Major Graf Starhemberg im weissen Mantel. Militärmusik. Der Bürgermeister sprach, Ehrenjungfrauen überreichten dem Sieger von Abukir einen Aufbau aus Bergblumen in Form eines antiken Schlachtschiffes.

      Man frühstückte. Es gab vortreffliche Forellen und einen saftigen Rehrücken, der das alte Waidmannsherz Sir Williams höher schlagen liess, obwohl ihm nicht allzuviel davon bekömmlich war. Und es gab Zigarren zu Herrn Tysons Freude. Ein Domherr Fuchs, an dieser unerwarteten Festtafel, verriet den englischen Gästen, warum man so fröhlich aufgelegt sei allhier. Es sei nämlich gerade Revision gewesen zu Friesach, und der Landmarschall Graf Zinsendorf sei ohne besonderen Zwischenfall wieder abgezogen. Auch war ein Herr Hofer dabei, Kaufmann aus Triest, der das Ausfuhrmonopol für Eisenerze der ganzen Gegend hatte. Der sagte, die Königin von Neapel sei durchgefahren, ohne anzuhalten. Und jedermann sei froh, da sie immer etwas zu klatschen habe bei ihrer hohen Tochter.

      Ade, ade! Die Kutschen rasselten am Marktbrunnen vorbei, und die Hamilton sah, wie sich zu dritt weisse Genien aufreckten und eine volle Schale hoben, und auf der vollen Schale tanzten selige Amoretten, die wiederum eine volle Schale dem Himmel zuboten. Und darüber, war da noch eins? So schien es ihr: Ein bloss und blond auftänzelndes Knäblein, das dort in der Himmelswanne badete, die sie zu dritt ihm hielten. Dreigestirn. Darüber die Sonne. Es fieberte sie. Wie gross schien die Zukunft!

      Eisen, Cretins, englisches Kapital.

      Die Strasse stieg. Immer noch war es südlich heiss, der Pflanzenwuchs üppig. Man überschritt die Grenze zwischen Kärnten und Steiermark, stieg weiter aufwärts, kam nach Neumark; der Weg wurde steiler, man erreichte die höchste Stelle des Passes in Obersteiermark.

      Von da an wurde die Natur mit einem Male nördlich. In den engen Tälern auf mageren Flecken stand das Korn noch ungeschnitten. Es begann das Land des Eisens, der Eisenhammer, der Hochöfen und Fabriken.

      An der Strasse jodelten Cretins mit Schellfischaugen und Kröpfen. Sie waren in Scharen herbeigeeilt, um zu betteln, von ihren Verwandten weit hergeschickt, wegen der Königin von Neapel vorgestern, des englischen Admirals wegen heute. Man schien in der Gegend bis in die höchsten Täler ein geheimes, aber gut entwickeltes Signalnetz zu haben, das jeden bedeutenden Fremdling, der die Landstrasse passierte, rechtzeitig anzeigte. An einer Stelle führte ein Trupp verwachsener, schaurig grinsender Geschöpfe ein ernstgemeintes Heiligenspiel auf, das wie eine Gotteslästerung wirkte oder vielmehr wie eine Anklage gegen Gott.

      Kleine ärmliche Häuser; in den Gärten grosse Bohnen und türkische Erbsen. An den Zäunen blühte noch der Holunder. Das duftete nach Brot und Schnaps, nach der Dorfschenke an Samstagabenden. Wenn man die Augen schloss, konnte man sich nach Hause träumen, nach Burnham Thorpe. Da hatte der Admiral einmal die ganzen Bauern bewirtet.

      Es geht abwärts, abwärts. Es riecht streng nun nach Stahlgiesserei. Nach englischem Kapital. Ein Verwalter aus Edinburgh kommt an den Wagenschlag, bittet zum Diner im Landhause eines Fabrikbesitzers. Die Hamilton lehnt ab. Sie will noch heute am liebsten nach Wien. Sie liebt nicht die Industrie. Die Luft ist ihr zu schlecht. Man fährt abwärts, abwärts. Ein Flüsschen plätschert nebenher. Die Mur. Wird breiter, stiller. Man lässt Unzmarkt hinter sich. Speist zu Abend in Judenburg im „Blauen Adler“. Man ist acht Stunden von Friesach unterwegs. Der Pöbel gafft, das Essen ist schlecht.

      Die Dreieinigkeit.

      Die Hamilton aber gedachte des Brunnens zu Friesach. „Meine Lieben!“ sagte sie. „Lasst uns hochhalten den Kelch Tria junkto in uno!“ und sie hob ihr volles, grobes Schoppenglas den mageren Fingern der beiden Männer zu: „Seht ihr, wie es aufsteigt im Duft, rosig, lachend? Hört ihr? Es lacht, dass die Bude wackelt und die ganze Planke Alt-England. Hoch, Horatio, kleiner Horatio! Kleiner Goldmorgen, Goldmund! Über alle Berge wirst du wachsen und die Schale schwingen über aller Köpfe und sie mit Seewasser taufen oder mit Wein! Aber nicht mit Weinen! Lach, mein Horatio! Lach, Sir William! Ist es nicht unser Horatio? Unser aller dreier kleiner, tüchtiger Held und Liebling? Hoch, Horatio!“

      Und was sollte der dürre, witzwitternde, leidschnuppernde und so zutiefst beklommene Sir William tun? Er stiess voll an und stimmte in das doppelzüngige Hoch ein, legte den Arm um den betretenen Helden neben sich und grinste edel: „Horatio, mein Kleiner, grosser Admiral und Admirabler. Es gibt nur einen Horatio, und nie wird es einen zweiten geben, sondern der würde es höchstens bis zum Korporal bringen.“

      Draussen klangen Hörner. Truppen marschierten. Es ist Krieg. Oder es wird bald wieder Krieg sein, murmelte die schöne Lady. Die noch immer schöne Emma, Emely, Amily, Amy Harte-Lion-Hamilton. Und strich sich behutsam und lauernd unters Herz. Es wurde spät. Man musste bleiben. Man warf die zerschlagenen Knochen in die Betten, deren Unterdaunen noch warm waren von den österreichischen Offizieren, die den englischen Gästen Platz machten und auf der Schütte im Stall weiterschliefen.

      Leoben.

      Man lässt sich in der Frühe aus bleiernem Schlummer reissen. Drei Eimer Bergwasser über Nelsons wirren Kopf. Notdürftige Frisur. Notdürftiges Frühstück. Weiter!

      Die Strasse ist gestopft voll von Güterwagen mit Baumwollballen, daraus Militärzeug entstehen wird. Später wimmelt das Tal von Invaliden, die abwechselnd eine Stunde Marsch, eine auf Bauernkarren nach Süden ziehen, um auf den italienischen Festungen, die den Franzosen noch nicht in die Hände gefallen sind, die guten Truppen für den Felddienst freizumachen. Österreich ist dabei, ein geschlossenes Heer neu zu gestalten. Wer macht es? Ist es der Erzherzog Karl, der Abgesägte? Er ist ihnen sympathisch. Sein Schicksal ist wie das ihre. Sie werden ihn besuchen, wo er auch sei in diesem sonderbaren Deutschland.

      Auf den Felsen glüht Schloss Kaisersberg, das alte und das neue. Knittelfeld, Kraubath blieben

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