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und Masten in die Höhe und setzten trotz der Nässe die Segel in Brand.

      Unter Deck wurden jetzt die Cannon-Petros abgefeuert, die eine reine Nahkampfwaffe mit verhältnismäßig großem Kaliber waren. Sie dokumentierten die letzte verzweifelte Anstrengung des Kapitäns, das Kriegsglück vielleicht noch zu wenden.

      Die Cannon-Petros verschossen 24,5 Pfund schwere Steinkugeln, waren also keineswegs geeignet, den Spanier in Brand zu stecken, wohl aber, ihm klaffende Lecks zuzufügen.

      All das war mir längst geläufig. Ich hatte in meinem Vater einen guten Lehrmeister gehabt, und der Hafen von London bot wahrlich Anschauungsmaterial in Hülle und Fülle. Gleichwohl hatte ich praktische Kenntnisse nie erworben.

      „Wenn du eine Muskete verkaufen willst, mußt du wissen, wie sie funktioniert und ihre Eigenheiten kennen“, pflegte Vater stets zu sagen. „Aber das setzt noch lange nicht voraus, daß du deshalb auch eine ruhige Hand brauchst. Bei der Ausrüstung von Schiffen, Clint, ist es ähnlich. Du wirst eines Tages mein Geschäft übernehmen, also lerne von der Pike auf.“

      Mit dem Handrücken wischte ich mir die Tränen aus den Augen. Der Pulverqualm ließ nur noch ein Blinzeln unter halb geschlossenen Lidern hindurch zu.

      Die Flammen waren beinahe überall. Nur Verrückte legten es jetzt noch darauf an, das Gefecht fortzuführen. Wie viele von unseren Geschützen noch einsatzbereit waren, konnte ich nicht erkennen. Ich schätzte aber, daß inzwischen die halbe Backbordbatterie ausgefallen war.

      Die spanische Galeone lag auf Enterkurs.

      Unglaublich schnell hatten sie ihre Geschütze nachgeladen. Während ihnen von der „Seawind“ nur mehr ein klägliches Abwehrfeuer entgegenschlug, fielen sie mit einer weiteren Breitseite über uns her, die den Dreimaster endgültig abwrackte.

      Die Luft war erfüllt von nicht enden wollendem Splittern, Bersten und Krachen, das wie der Todesschrei der „Seawind“ klang, und tatsächlich neigte sie sich weit über. Gurgelnd und schäumend ergoß sich die See durch die Lecks ins Schiff. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis wir auf Tiefe gingen.

      Groß und drohend, mit schäumender Bugwelle, segelte die spanische Galeone heran. Sie würde uns rammen.

      Einige besonders beherzte Männer versuchten, den Widerstand neu zu formieren. Ich hörte, daß sie die Spanier bis auf wenige Yards heranlassen und dann sämtliche Geschütze gleichzeitig abfeuern wollten. Sie sahen sogar davon ab, die Stücke auszurennen, weil dies den Gegner nur gewarnt hätte.

      „Wenn wir schon absaufen, dann nehmen wir diese hinterhältigen Dons mit in den Tod.“

      Mir war abwechselnd heiß und kalt, ich würgte, rang nach Atem, dachte sehnsüchtig an meine Eltern und schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel hinauf. Den Blick konnte ich nicht mehr von der Galeone abwenden, die wie ein beutegieriger Raubvogel auf uns zustieß.

      „Clinton, verdammt, bist du taub?“ brüllte mich irgend jemand an, ich weiß bis heute nicht, wer. „Nimm den Toten die Pistolen ab und dann ziele genau, wenn die Spanier entern.“

      Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, gehorchte ich. Immer wieder hatte ich mir sehnsüchtig gewünscht, endlich aus diesem Alptraum aufzuwachen, aber als ich jetzt den ersten Toten berührte, mußte ich endgültig einsehen, daß die Wirklichkeit schrecklicher war als ein Traum.

      Der Mann lag zusammengekrümmt auf der Seite. Vorsichtig berührte ich seine Schulter mit den Fingerspitzen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, der Gaumen ausgetrocknet, und zu atmen wagte ich kaum noch.

      „Auf was wartest du? Der beißt bestimmt nicht mehr.“ Masterson ließ ein schauerliches Gelächter folgen, das mir durch und durch ging.

      Ich nahm all meinen Mut zusammen. Der Tote ließ sich plötzlich leicht herumdrehen. Es war Williams, einer der wenigen Männer, die mich stets anständig behandelt hatten. Mein Gott, warum mußte es immer zuerst die Guten erwischen?

      Ich konnte nicht erkennen, woran er gestorben war, aber der Blick seiner Augen jagte mir eisige Schauer über den Rücken. Sie waren weit aufgerissen und starrten ungläubig in die Höhe, als hätte er nicht begriffen, was mit ihm geschah.

      Eine Steinschloßpistole steckte hinter seinem Gürtel. Mit zwei Fingern faßte ich zu und zog sie vorsichtig heraus. Die Waffe war geladen, sie wog schwer in meiner Hand. Mit der Linken spannte ich den Schlagbolzen. Obwohl ich mir alle Mühe gab, ruhig zu bleiben, zitterte ich.

      Triumphgeheul erklang auf der spanischen Galeone. Die Begeisterung der Angreifer über ihren leichten Sieg war unverkennbar. In den Wanten und der Takelage der „Seawind“ verfingen sich die ersten Enterhaken.

      Vier, fünf Yards lagen noch zwischen beiden Schiffen, als die Backbordgeschütze der „Seawind“ abgefeuert wurden. So hart krängte unser Schiff nach Feuerlee, daß ich strauchelte und stürzte. Seltsamerweise erfüllte mich das nachfolgende Krachen und Bersten der Einschläge, die auf der spanischen Galeone offensichtlich großen Schaden anrichteten, mit einer gewissen Genugtuung. Ich erschrak keineswegs über meine rachelüsternen Gedanken, denn seit ich in Williams’ tote Augen gesehen hatte, war etwas in mir zerbrochen.

      Musketenschüsse schreckten mich auf. Die Spanier enterten, und unsere Männer setzten sich erbittert zur Wehr.

      Ein zweiter heftiger Schlag erschütterte die „Seawind“. Die angreifende Galeone hatte uns gerammt. Püttings und Wanten brachen, die Reste des Schanzkleids im Bereich des Vorschiffs wurden von Galion und Bugspriet der Spanier eingedrückt.

      Wie eine alles vernichtende Woge schwappten die Dons zu uns herüber. Sie sprangen von Bord zu Bord und schwangen sich an Tauen aus ihrer Takelage hinunter. Nur noch vereinzelt fielen Schüsse, dafür klirrten die Blankwaffen um so hektischer.

      Die Übermacht war erdrückend.

      Todesschreie hallten über Deck. Das Knirschen der aneinanderreibenden Schiffsrümpfe und das Prasseln der weiter um sich greifenden Flammen bildeten einen unheimlichen Hintergrund.

      Mit Degen, Entermessern und Äxten wurde gekämpft. Ein Erbarmen gab es nicht.

      Verzweifelt zog ich mich bis ans Steuerbordschanzkleid zurück, denn noch hatten mich die Spanier nicht entdeckt. Mein Verstand riet mir, daß es höchste Zeit war, über Bord zu springen, wollte ich nicht ebenfalls getötet werden oder mit der „Seawind“ zusammen untergehen, aber das Meer erschien mir mehr denn je wie ein düsterer, alles verschlingender Moloch.

      Ich hatte erbärmliche Angst, und ich zögerte zu lange.

      Urplötzlich tauchte ein Spanier aus dem Qualm auf, ein bärtiger Hüne mit einem überlangen Schiffshauer in der Rechten und einem zweischneidigen Dolch in der linken Hand. Beide Klingen waren blutig.

      „Siehe da!“ schnaubte er. „Eine kleine englische Ratte!“ Er bediente sich meiner Muttersprache, wenn auch mit einer miserablen Betonung.

      Kompromißlos schlug er zu. Nur weil ich ebenso schnell zurückwich, verfehlte mich der Schiffshauer um gut eine Handbreite.

      Ich wollte schreien, aber ich konnte es nicht. Statt dessen taumelte ich weiter zurück, bis eine zersplitterte Spiere meiner Flucht Einhalt gebot. Damit saß ich endgültig in der Falle. Der Spanier würde mich aufspießen wie ein lästiges Insekt.

      Ohne mir bewußt zu werden, was ich tat, riß ich endlich die Pistole hoch und drückte ab. Der harte Rückschlag prellte mir die Waffe aus der Hand.

      In meiner Panik hatte ich nicht gezielt. Um so größer war das Erstaunen des Spaniers, auf dessen Brust plötzlich ein kreisrunder roter Fleck erschien.

      Er wollte etwas sagen, konnte es aber nicht. Nur ein Stöhnen drang über seine Lippen. Trotzdem versuchte er noch, mich zu töten. Seine Finger verkrampften sich um das Heft des Schiffshauers, daß die Knöchel erschreckend weiß unter der schwieligen Haut hervortraten.

      Überdeutlich nahm ich jede Einzelheit wahr, als sei für mich die Zeit stehengeblieben. Eine kleine Ewigkeit verging, bis die Blankwaffe endlich auf die Planken klirrte und der Spanier

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