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resigniert, geht sang- und klanglos unter.“

      Nie hatte ich den tieferen Sinn, der in seinen Worten verborgen lag, so deutlich verstanden.

      Die Luft wurde mir knapp. Mit Armen und Beinen rudernd, kämpfte ich gegen den Sog an, der mich in die Tiefe zerrte. Und ich überwand den Zwang, einfach einzuatmen.

      „Du schaffst es, Clinton Wingfield – laß dich nicht unterkriegen.“

      Wo war oben, wo unten? Ich hatte jede Orientierung verloren und wußte nur, daß mich eine gigantische Flutwelle gefangen hielt, die der fernen Küste entgegenstrebte.

      Mein Strampeln half wenig, ich schaffte es nicht bis an die Oberfläche.

      Die Atemnot drohte meinen Brustkorb zu zersprengen, Schmiedehämmer dröhnten in meinem Schädel.

      Danach endeten alle Wahrnehmungen in einer wohltuenden, gnädigen Ohnmacht.

       2.

      Auf den Decks der Schebecke herrschte Wuhling. Obwohl die Riesenwelle das Schiff nur gestreift hatte, stand das Wasser knapp zwei Fuß hoch. Es floß denkbar schlecht ab, da die Speigatten mit weggeschwemmten Tauen, zerfetzten Persennings und Unmengen von Seegras verstopft wurden.

      Gefährlich weit hatte sich der Dreimaster vor der tobenden See übergelegt, und es grenzte an ein Wunder, daß sich die Ladung nicht verschoben hatte. Eine schwere Schlagseite oder gar ein Kentern wäre die Folge gewesen.

      Die über das Schiff hinwegflutende Woge hatte sogar den Seewolf von den Beinen gerissen und bis an die Backbordverschanzung gespült. Vor Nässe triefend, hastete er nach vorn zur Querbalustrade.

      „Schadensmeldung! Sorgt dafür, daß das Wasser schneller abläuft!“

      Er mußte brüllen, um das Knattern der Segel zu übertönen. Die Schebecke drohte querzuschlagen, weil der Wind weiter aufbriste und ein landwärts gerichteter Wellengang das Schiff von der Seite traf.

      Die Arwenacks hatten alle Hände voll zu tun. Sie mußten Fock und Großsegel herumholen und neu trimmen, das Besansegel ins Gei hängen sowie die Speigatten säubern.

      Über die Niedergänge und die ungeschützte Kuhlgräting war viel Wasser in die unteren Räume gedrungen. Es galt, kräftig zu lenzen.

      „Ausfälle?“

      „Nicht der Rede wert, Sir!“ meldete Ben Brighton, der Erste Offizier. „Einige Männer haben Prellungen und Abschürfungen erlitten, aber keine ernsthaften Verletzungen.“

      „Wir hatten unverschämtes Glück“, sagte der Profos. „Wenn uns das Seebeben voll erwischt hätte …“

      Hasard blickte sich um. Bis zur Kimm lag das Meer fast wieder so ruhig wie zuvor. Keine zweite Riesenwelle baute sich auf.

      Lediglich im Südosten verdunkelte sich der Himmel weiter. Dort zog tatsächlich ein heftiges Gewitter heran.

      „Ist Clinton an Bord?“

      Niemand hatte in der Hektik auf den Schiffsjungen geachtet. Big Old Shanes Frage wurde von Deck zu Deck weitergegeben. Wenig später stand fest, daß Wingfield verschwunden war. Auch der Bootsmannsstuhl war fort, lediglich die Stroppen hingen noch außenbords.

      Der Seewolf ließ beidrehen.

      Es stellte sich heraus, daß niemand wußte, wo der Junge abgeblieben war.

      „Wahrscheinlich wurde er von dem Kaventsmann überrascht“, sagte Shane bedrückt. „In dem Fall hat ihn die See mitgerissen.“

      „Er ist kein schlechter Schwimmer. Bestimmt hält er sich über Wasser.“

      Das Meer war nicht kalt, und wenn Clinton Wingfield von der Riesenwelle wieder freigegeben worden war, bestand durchaus die Möglichkeit, daß ihn die Arwenacks sogar nach einem Tag noch leidlich wohlbehalten wieder aufnehmen konnten.

      „Dan“, befahl der Seewolf, „du bleibst im Ausguck! Die Freiwache ist auch für alle anderen aufgehoben.“

      Noch herrschte Zuversicht. Die meisten vertrauten darauf, daß sie Clinton Wingfield schnell aufspüren würden. Den Pessimisten in der Mannschaft wurde entgegengehalten, daß schließlich auch die Zwillinge und Old Donegal wieder aufgetaucht seien, obwohl nach Wochen vergeblicher Suche jeder überzeugt gewesen war, daß sie im Sturm den Tod gefunden hätten. Der vielleicht entscheidende Unterschied bestand nur darin, daß Clinton Wingfield kein Boot zur Verfügung stand, das ihn vor einer allmählichen Unterkühlung schützte.

      In engen Schlägen kreuzte die Schebecke innerhalb eines Gebietes von knapp zwei Seemeilen nordwestlich ihrer anfänglichen Position. Dan O’Flynn stierte sich die Augen aus, bis er schließlich sogar unter geschlossenen Lidern nur mehr grelle Reflexe wahrzunehmen glaubte.

      Die anfängliche Hoffnung, den Jungen schnell zu finden, wich zunehmender Enttäuschung. Mehr und mehr hielten die Männer auch nach Anzeichen Ausschau, ob in dem Gebiet Haie ihr Unwesen trieben.

      Gegen elf Uhr bewölkte sich der Himmel. Die Schlagschatten überzogen das Meer mit einer matten, bleiernen Schwärze, in der ein blonder Haarschopf wohl ebenso schwer zu entdecken war wie zuvor im gleißenden Sonnenschein.

      Eine halbe Stunde später spaltete der erste vielfach verzweigte Blitz das Firmament. Ein schmetternder Donnerschlag ließ die Arwenacks zusammenzucken.

      Sturm zog auf und peitschte die Wellen höher, dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Es schüttete wie aus Kübeln. Die Sicht verringerte sich auf ein Minimum. Unter diesen Umständen wurde es schwer, wenn nicht gar unmöglich, den Jungen zu entdecken.

      Irgendwann spürte ich die Bewegung – ein stetes, unregelmäßiges Auf und Ab, verbunden mit schmatzenden, glucksenden Geräuschen, die ich mir noch nicht zu erklären wußte. Mein Rücken und die Schultern brannten, während der Rest meines Körpers offenbar von Wasser umspült wurde.

      Ich nahm die Gegebenheiten hin, ohne mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Mein Zustand glich wohl einem sanften Dahindämmern zwischen Traum und Wachen, und zu dem Zeitpunkt wäre ich bestimmt nicht in der Lage gewesen, etwas zu meiner Rettung zu tun. Ich glaube, daß ich nicht mal die Muskeln unter Kontrolle hatte, denn als Wasser mein Gesicht überspülte, konnte ich kaum den Kopf heben.

      Erst allmählich wurde ich mir meiner Existenz bewußt. Die unheimliche, gischtende Wasserwand, das Entsetzen, das ich verspürte. Noch einmal durchlebte ich jene schrecklichen Augenblicke, und abermals konnte ich nicht anders, als meiner Furcht freien Lauf zu lassen.

      Mein gequältes Stöhnen brachte mich vollends in die Wirklichkeit zurück.

      Ich lag auf dem Bauch, auf der Planke, die mir noch vor kurzem als Bootsmannsstuhl gedient hatte. Ein Stück meiner Erinnerung fehlte. Ich entsann mich nicht, daß ich inmitten der Riesenwelle Halt gefunden und mich festgekrallt, geschweige denn, daß ich es geschafft hatte – unter welchen Umständen auch immer –, mich auf das Brett zu ziehen.

      Die Sonne hatte ihren höchsten Stand im Zenit noch nicht erreicht. Ich schätzte, daß es kurz vor oder nach vier Glasen war, also gegen zehn Uhr. Aber hatte ich wirklich eine Stunde lang ohne Besinnung im Wasser gelegen?

      Weitaus wichtiger erschien mir die Frage, was aus der Schebecke der Seewölfe geworden war. Die Planke allein war gewiß noch kein Indiz für den Untergang des Schiffes.

      Mühsam stemmte ich mich hoch, darauf bedacht, den Halt zu bewahren.

      Das Meer war überraschend ruhig. Dennoch reichte meine Sicht kaum weiter als einige hundert Yards.

      Der Wind wehte anhaltend aus Südosten und trieb mich langsam dem fernen Festland entgegen. Allerdings trug er auch die Schwärze des Unwetters heran. Ich begann zu ahnen, daß sich da einiges zusammenbraute.

      Ich war allein. Kein Vogel begleitete mich, nur die Düsternis, die sich weiter zusammenzog.

      Als die ersten Wolken die Sonne verdeckten, begann ich zu frösteln.

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