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wollen mir zusammen einen Hosenlupf machen?«

      »Ich Hab's nicht durchgezwungen – das weißt – bist ja selber gegangen,« schnauzte der Presi.

      Und als ob er mit einem anderen im Zwiegespräch wäre, sagte er nach einer Weile: »Ja, das gebe ich zu – ich habe dich geplagt – es ist dumm gegangen an jenem Abend.«

      Bei der Kapelle stieg er nicht ab, um ein Gebet zu verrichten, wie es die fromme Sitte heischt; er sah die frische Tafel Seppis, die während seines Aufenthaltes zu Hospel in das kleine Gotteshaus gestellt worden war, ihre Goldfarbe glänzte frisch – frech, dachte der Presi und im Vorbeireiten rief er: »Daß du mich nicht gar zu stark klemmst, Seppi Blatter, sonst –! Weißt, ein wenig leid' ich's schon, hab's auch verdient – aber wenn du mich zu stark schuhriegelst – du weißt, Fränzi, Vroni und Jost sind noch nicht in der Ewigkeit.«

      »Halt 's Maul, räudiger Pfaff!« schrie er, als er am Schmelzwerk vorüberjagte und den Kaplan Johannes singen hörte. Unaufhaltsam vorwärts, den Stutz hinauf drängte er das arme Tier mit seinen Flüchen und kam früher, als ihn jemand erwartet hatte, nach Haus.

      Im Bären saß tiefbekümmert der Garde. Er wartete nicht lang mit seinem Bericht. Das Amt war auf ihn zurückgefallen – für einstweilen, hatte man im Gemeinderat gesagt – das bedeutete aber in St. Peter für Lebzeiten.

      »Presi, ich hab's zum Guten leiten wollen, aber die Sache steht bös. Die Geschichte der Unterschrift Seppis geht vertrüdelt und verdreht durchs Dorf. Es sind darum auch keine Leute im Bären.«

      »Die Gemeinde wird nicht die ganze Zeit saufen müssen, ich verlange es gar nicht,« höhnte der Presi, »wenn sie wildeln und wüst thun wollen über mich, so ist es mir schon lieber, sie erledigen es draußen, als mir unter der Nase. Das könnte unlustig werden.«

      »Möchtet Ihr in diesen Tagen nicht einmal die Franzi aufsuchen und mit ihr im guten reden?«

      »Damit die Leute mit den Fingern auf mich weisen und sagen: »Den hat das Gewissen gedrückt!««

      »Wir haben jetzt gewiß allen Anlaß, gegen den Haushalt rücksichtsvoll zu sein.«

      »Aber ich nicht – ich nicht! Lieber werde ich ein brünniger Mann.« Der Presi wischte sich den Schweiß, der immer noch auf seiner Stirn perlte, er war so müde wie lange nicht mehr: »Ueber diese Geschichte wird schon Gras wachsen!«

      »Lange keines,« knurrte der Garde, stand auf und ging. –

      »Endlich Ruhe.« – Auf der Straße verlor sich der schwere Schritt des Garden und der Presi stützte den Kopf in beide Hände und ließ nachdenklich die Lider auf die Augen fallen.

      Aber er brachte das Bild nicht weg. »O, es ist entsetzlich, einen Mann einen ganzen Tag kämpfen zu sehen – das geht nicht fort. – Du bist ein schlechter Hund, Seppi Blatter, daß du mir das angethan hast und, wie du schon fertig warst, noch herunterflogst.«

      Der Presi ging in seine Kammer. – –

      Ueber den Unglücksfall an den heligen Wassern und die ihn begleitenden Umstände wuchs lange kein Gras. Durch alle Gespräche zitterte der Nachhall, weniger die Klage um Seppi Blatter selbst, als die Neugier, wie er veranlaßt worden sei, an die Weißen Bretter zu steigen. Allein nachdem es einige Wochen bös über den Presi gegangen war, so daß er es für gut fand, mit den Leuten so herzbeweglich artig zu reden, wie nur er es verstand, schlug die Stimmung um. Die Geschichte sei vielleicht doch nicht so schlimm. Bälzi habe sie im Anfang nur aus Wut so ehrenrührig für den Presi erzählt, und er sei ja ein ganz unzuverlässiger Mensch, der Presi aber sei, wenn er die Laune habe, ganz gutherzig und habe schon manchem, der sich nicht mehr zu raten und sich zu retten wußte, aus der Klemme geholfen. »Und,« gaben die Leute zu, »er ist halt doch der Gescheiteste unter uns allen.«

      Am meisten Beruhigung fanden die von Sankt Peter in der Sommerarbeit, die sie schwer ins Joch schlug und sie auf Aecker, Alpen und in die Weinberge zerstreute.

      Der Stimmungsumschlag erstreckte sich bis nach Hospel. Von Frau Cresenz kam eines Tages ein Briefchen und am folgenden Tag ritt sie, vom Kreuzwirt begleitet, den Silberschild der Hospelertracht vor der Brust, das kokette Filzhütchen auf dem Haupt, vor den Bären.

      Der Presi empfing den Kreuzwirt und seine Schwester nicht zu freundlich, denn die Beleidigung vom letzten Besuch saß ihm noch wie ein Dorn im Fleisch, aber mit einem Scherzwort zog Frau Cresenz den Stachel heraus, und gegen liebenswürdige Frauen war der sonst unbeugsame Mann nachgiebig.

      Und Frau Cresenz war hübsch. Aus ihrem vom Ritt leichtgeröteten Gesicht schauten muntere graue Augen, sie hatte kluge und angenehme Züge, eine kühle Sprechweise und war in ihren Bewegungen, obgleich ihr Körper fast zu stattlich war, von unleugbarer Anmut.

      »Die steht dem Bären wohl an,« schmunzelte der Presi in sich hinein und zeigte den beiden das Haus.

      »Ja, da muß vieles anders und ordentlicher werden, da gehört wirklich wieder eine Hausmutter hin.« Und die hübsche Frau Cresenz lächelt dem Presi gutmütig verständnisvoll zu.

      Etwas beschämt sagt er: »Wir haben bis jetzt halt nur ein Bauernwirtshaus geführt. Das muß natürlich für die Fremden alles anders eingerichtet sein!«

      Als die drei die Treppe aufwärts in den zweiten Stock stiegen, trat die alte Susi, die Röstpfanne, aus der der Kaffeeduft aufstieg, in den runzeligen Händen, neugierig unter die Küchenthüre und sah ihnen nach. Da machte Frau Cresenz am Geländer der Treppe einen Fingerstrich und zeigte den Staub hinter dem Rücken des Presi dem Kreuzwirt.

      Nun war die Alte teufelswild und faustete hinter der kleinen Gesellschaft her: »Nein, bei der bleibe ich nicht.«

      Der Presi hatte mit seinen Gästen den Estrich erreicht. Plötzlich ertönte schallendes Gelächter der Frau Cresenz. Aus einem von allerlei Gerümpel gebildeten Winkel starren sie zwei große Kinderaugen an, ein ängstliches Gesicht schaut aus einem alten zerrissenen Tuch, das malerisch über den Kopf geworfen ist.

      »Ist das Binia? Ach, das Kind habe ich ganz vergessen. – Komm, du artiger Fratz.« – Die Kleine sieht die Augen des Vaters aufmunternd auf sich gerichtet und kriecht hervor. Da reißt ihr Frau Cresenz lachend das Tuch ab: »So, jetzt siehst du menschenähnlich aus, nun gieb mir die Hand.«

      Sie sagt es mit kühler Freundlichkeit, aber der erschrockene scheue Wildling rennt an ihr vorbei und wirbelt die Treppe hinunter. Die alte Susi ruft ihr zu: »Hast die neue Mutter gesehen, die hochmütige?«

      »Die neue Mutter!« Nun muß sie auch darüber denken. Und das kleine Köpfchen brennt doch schon von allem anderen, worüber ihm niemand Auskunft giebt. Der Vater hat mit der Frau so lieb geredet. Nie, nie hat er so mit der seligen Mutter gesprochen und auch nicht mit ihr. Doch, aber es ist schon so lange her. Sie schleicht sich auf den Zehenspitzen in ihr Kämmerchen empor. Denken – denken will sie.

      Gegen Abend hört sie die Fremden fortreiten, das fröhliche Lebewohl, das der Vater Frau Cresenz zugerufen hat, tönt ihr in die Ohren. Ihr aber thut der Kopf so weh, ihre Zähne klappern, sie kriecht ins Bett.

      Da hört sie die Tritte des Vaters. Gewiß kommt er sie zu züchtigen.

      Sie mochte seine Absicht erraten haben, aber in den Zorn mengte sich die Vatersorge. Binia war zwar immer ein eigenartiges Kind gewesen, oft nachdenklich, oft ausgelassen lustig, aber seit einiger Zeit war sie so blaß und scheu und allen ein Rätsel.

      Wäre er abergläubisch gewesen, er hätte geglaubt, die Drohung der Fränzi sei schon in Erfüllung gegangen, Unsegen sei auf dem Kinde.

      Wie er sie nun am hellen Tag mit gläsernen Augen im Bette liegen sah, entwaffnete die Sorge den letzten Zorn.

      Er setzte sich ans Lager, nahm die fiebernde Hand der Kleinen ganz vorsichtig in seine Pratze und als sie, sich von ihm abwendend, leis wimmerte, legte er ihr die andere Hand auf das seidenweiche dunkle Haar. Das Kind zuckte zusammen.

      »Was machst du für Streiche, liebe Maus? Du hast eine heiße Stirn, bist ja ganz krank. – Binia – Gemslein – liebes Gemslein, schau mich einmal an.«

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