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ganz einfach, wie ich feststellte, denn ihr Terminkalender war randvoll: Arzttermine, langfristig gebuchte Tagesausflüge und diverse andere Verpflichtungen bedeuteten, dass wir uns erst am Mittwoch treffen konnten.

      »Dann also Mittwochvormittag«, sagte ich. »Ich stehe um Punkt elf vor der Residenz auf der Straße und warte auf euch.«

      »Und dann besprechen wir den Fall mit einem echten Polizisten?«, fragte Käthe aufgeregt. »Und dann gibt es echte Ermittlungen?«

      »Erwin war früher Polizist«, sagte ich.

      »Na und? Er wird wohl kaum so senil sein, dass er alles vergessen hat, was zu einer professionellen Ermittlung gehört, oder?«

      »Natürlich nicht. Aber es ist nicht so, als könnte er den Polizeiapparat benutzen, verstehst du?«

      »Aha. Und diese nette Kommissarin vom letzten Mal? Kann die nicht ermitteln?«

      Ich seufzte innerlich. »Wir müssen zunächst einmal herausfinden, ob es überhaupt einen Fall gibt, Käthe. Außerdem ist Kommissarin Küpper nicht für Diebstahl zuständig, das ist ein anderes Dezernat.«

      »Wie bitte?« Käthe klang empört. »Und was ist mit dem Mord an Heribert?«

      »Käthe, ich enttäusche euch wirklich nicht gerne, aber wir haben keine Ahnung, ob es bei seinem Tod mit rechten Dingen zugegangen ist oder nicht. Falls nicht, wird es sich vielleicht niemals beweisen lassen. Offenkundig ist dem Arzt, der den Totenschein ausgestellt hat, nichts Ungewöhnliches aufgefallen.«

      Was nichts heißen musste, wie mir nur allzu klar war. Tatsächlich gab es eine hohe Dunkelziffer an unentdeckten Morden, bei denen bloß ›Herzversagen‹ im Totenschein stand. Aber das würde ich den Schwestern nicht auf die Nase binden.

      Musste ich auch nicht, wie sich bei Käthes nächsten Worten herausstellte.

      »Du machst wohl Witze«, sagte sie spitz. »Jeder weiß, dass längst nicht jeder Mord entdeckt wird, wenn nicht gerade ein riesiges Küchenmesser deutlich sichtbar in der Brust des Opfers steckt. Ärzte sind auch nur Menschen, oder? Da liegt ein alter Mensch tot im Bett, und schon scheint alles klar zu sein. Bloß kein Aufheben darum machen, was übrigens auch ganz im Sinne der hochwohlgeborenen Frau von Dillingen sein dürfte. Für das Ansehen der Residenz ›Herbstglück‹ ist es nicht gerade die beste Werbung, wenn sich herumspricht, dass man dort ermordet und bestohlen wird.«

      Das wartende Schweigen am anderen Ende der Leitung erforderte eine diplomatische Antwort.

      »Da bin ich ganz deiner Meinung«, erwiderte ich also. »Aber wie ich schon sagte: Vielleicht wird ein eventueller Mord sich nicht beweisen lassen, so schlimm das auch sein mag. Wir können nicht zur Kommissarin gehen und erwarten, dass sie sofort tätig wird. So einfach ist das nicht. Dazu braucht sie echte Beweise oder wenigstens überzeugende Verdachtsmomente.«

      »Dass der Teppich und die Uhr verschwunden sind, findest du also nicht verdächtig?«, fragte Käthe.

      »Doch, das tue ich sehr wohl. Aber darum geht es nicht, die Kommissarin muss es verdächtig finden. Nicht nur das: Sie müsste es auch als mögliches Motiv für einen Mord anerkennen. Und jetzt kommt das größte Problem: Ihr beide seid vielleicht die Einzigen, denen das Verschwinden aufgefallen ist. Vorschlag: Ich bitte Erwin, beim zuständigen Dezernat nachzufragen, ob ein Diebstahl der Gegenstände angezeigt wurde.«

      Sofort besserte sich ihre Laune wieder. »Das könnte er tun?«, zwitscherte sie. »Das ist ja wunderbar!«

      »Er kann es versuchen«, sagte ich. »Ich will euch nichts versprechen, was dann ein anderer halten muss. Bitte, ihr müsst noch ein wenig Geduld haben. Lasst uns in Ruhe überlegen, was wir tun können, um eventuelle Beweise zu sammeln. Genau aus diesem Grund treffen wir uns am Mittwochvormittag mit Erwin.«

      Als wir aufgelegt hatten, lehnte ich mich im Sofa zurück und atmete tief durch.

      Dass Käthe und Cäcilie ungeduldig waren, konnte ich sehr gut verstehen. Aus ihrer Sicht hatten sie einen sehr konkreten Verdacht, und sie wollten so schnell wie möglich handeln. Ein wenig erinnerten sie mich an mein früheres Ich. Auch ich hatte eine ganze Zeit gebraucht, um zu kapieren, wie die Ermittlungen der Polizei funktionieren.

      Noch heute erinnere ich mich mit Grausen an meinen allerersten Besuch im Präsidium bei Kommissarin Küpper, um ihr von meinem Verdacht gegenüber einigen Hausfrauen zu berichten, die ich für Mörderinnen hielt. Auch ich war damals fest davon ausgegangen, damit einen Einsatz auszulösen. Okay, vielleicht nicht gerade eine Hundertschaft vermummter Spezialkräfte und zwei Helikopter, aber doch immerhin intensive Befragungen derjenigen, auf die ich mit meinem kleinen, schmutzigen Finger gezeigt hatte.

      Minuten später war ich wie ein geprügelter Hund mit eingezogenem Schwanz aus ihrem Büro geschlichen.

      Sie hatte mir umstandslos und nicht sonderlich höflich verklickert, dass haltlose Anschuldigungen gegen missliebige Personen zu ihrem Alltag gehörten – zu ihrem größten Leidwesen. Zu viele Krimis – ob in bewegten Bildern oder als gedruckter Text – führten bei ›besorgten Bürgern‹ wie mir ihrer Erfahrung nach gerne mal zu überbordenden Fantasien, was vermeintliche Kriminalfälle anginge. Sehen Sie sich gerne Krimiserien an, Frau Luchs?, hatte sie mich süffisant gefragt.

      Immer wieder war ich mit ihr zusammengestoßen, und immer wieder hatte ich mir Zurechtweisungen und Vorträge über korrekte Polizeiarbeit anhören müssen. Sie hasste es, wenn ich amateurhaft ermittelte, und noch mehr hasste sie es, dass ihr Patenonkel Erwin sich daran zu beteiligen pflegte.

      Eines war für mich klar: Kommissarin Küpper würde keinen Mucks von den Vorgängen in der Residenz erfahren. Jedenfalls nicht, solange wir keine hieb- und stichfesten Beweise im Gepäck hatten.

      Den Rest des Abends verbrachte ich damit, die Unterlagen zu studieren, was allerdings nicht besonders viel brachte. Außer Cäcilie und Käthe hatte die Residenz dreizehn Bewohner, und zwar sieben Frauen und sechs Männer. Noch waren die Informationen über die Personen recht spärlich, aber es ergab sich ein erstes Bild: Beinahe alle schienen in gut bezahlten Berufen gearbeitet zu haben. Es gab ein Fabrikantenehepaar, zwei wohlhabende Witwen, zwei ehemalige Berufssoldaten hohen Ranges, eine ehemalige Primaballerina, diesen Ex-Schlagersänger, der mir beim Essen durch sein Verhalten dem Hausmeister gegenüber unangenehm aufgefallen war, eine exzentrische Künstlerin … Es war ein ziemlich buntes Durcheinander verschiedenster Persönlichkeiten.

      Ich fragte mich, ob sich alle untereinander gut verstanden. Aber würde es für den Fall überhaupt eine Rolle spielen, ob in der Residenz Harmonie oder doch eher Zwietracht herrschte? Beinahe ärgerte ich mich jetzt, dass ich beim Essen am Sonntag nicht darauf geachtet hatte, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich ja noch nicht ahnen können, was die Schwestern mir später erzählen würden.

      Vielleicht ergab sich ja noch eine Gelegenheit, alle zusammen zu erleben?

      Nur zu bald würde ich erfahren, dass Wünsche manchmal schneller in Erfüllung gehen, als man denkt.

       Kapitel 6

       Ausgestopfte Fische, echter oder falscher Schmuck, Goldene Schallplatten – potenzielles Diebesgut oder nicht?, fragt sich Loretta

      Erwin, Dennis und ich hatten beschlossen, nicht weiter zu spekulieren, sondern das Treffen mit den Schwestern abzuwarten. Entsprechend gespannt war ich am Mittwoch, als die beiden an der Straße vor der Residenz in mein Auto stiegen. Und nicht nur ich, wie ich umgehend erfuhr.

      »Loretta, wir sind ja so aufgeregt!«, zwitscherte Käthe, die hinten saß, und Cäcilie neben mir nickte.

      »Müsst ihr nicht sein«, sagte ich. »Erwin ist ein extrem netter Mann, und Dennis kennt ihr ja bereits. Wir sind also ganz unter uns.«

      »Und wir haben eine tolle Überraschung für dich«, jubilierte Cäcilie. »Aber die heben wir uns für später auf!«

      Sie drehte sich nach hinten um und zwinkerte ihrer Schwester verschwörerisch

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