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G.F. Barner Staffel 6 – Western. G.F. Barner
Читать онлайн.Название G.F. Barner Staffel 6 – Western
Год выпуска 0
isbn 9783740975661
Автор произведения G.F. Barner
Жанр Языкознание
Серия G.F. Barner Staffel
Издательство Bookwire
»So weit bringst du mich und dich«, knirscht der Alte. »Dieser Greaserhaufen hat genauso lange gewartet, bis nichts mehr an der Geschichte zu ändern war. Du weißt, wie gerissen die Flores sind, du kennst die Brüder von Carlotta. Sie sind berechnend und bilden sich schon ein, daß aus ihrer Sippe einmal der Nachfolger von Howard Vance kommen wird. Ich muß also einen Vorerben einsetzen. Und das werde ich tun, ganz gleich, was du dazu sagst. Das ist dein Preis für deinen Leichtsinn.«
»Und – nun?«
»Sie wird einen Mexikaner heiraten, deshalb die Geldforderung. Flores wußte genau, was er wollte. Kommt es noch mal vor, vererbe ich meinen Besitz sonstwem, aber dir keinen blanken Cent. Begriffen? Du läßt die Finger von den Girls! Und jetzt raus damit! Wie bist du zu der aufgeplatzten Lippe gekommen?«
Ich erzähl’s ihm, denkt Howard, er erfährt es ja doch.
Er redet. Der Alte stiert ihn an, tritt schließlich ans Fenster und blickt zum Hof hinaus.
»Er hätte dich noch schlimmer verdreschen müssen«, brummt Big Jim Vance von dort aus. »Wenn es nur nicht ausgerechnet wieder ein Thayer wäre, der es dir besorgt hat. Solange die da sind, werde ich nachts nicht ruhig schlafen können. Es ist ein Fehler, wenn man nie etwas vergessen kann. Ich dachte, ich käme mit den Jahren darüber hinweg, aber ich schaffe es nicht. Immer die Thayers.«
*
Der alte Nat sitzt ganz still, und er kommt sich wie ein Dieb vor, der irgendwo eingebrochen ist. Es ist Nacht, der Wind fegt heulend um die Ranch. Regen klatscht gegen die Scheiben.
Briefe liegen vor ihm, die Cliff in seinem Kasten unter dem Schrank hatte. Old Nat hat sie herausgenommen und gelesen.
Man kann etwas ein Leben lang ertragen, etwas vergessen. Vielleicht eine Niederlage, aber nie einen Sohn. So ist das, irgendwann, wenn man allein mit sich selbst ist, kommen die Gedanken.
Der Alte sieht hoch, hält das Bild in der Hand. Das ist er, sein Sohn Ray. Er steht vor einer Lokomotive, von Rindern umgeben. Auf der Rückseite des Fotos hat Ray hingekritzelt: Beim Auftrieb von zweitausend Rindern für viertausend hungrige Bahnarbeiter, Chinks und alle anderen Sorten von Menschen. Manitoba, 18. Juli 18…
Drei Jahre ist das schon her. Als der Junge wegging, da wurde er dreiundzwanzig. Jetzt würde er im kommenden Herbst neunundzwanzig. Im hohen Norden ist er gewesen, für die Armee ist er als Scout und Proviantboß geritten. Arm ist er nicht, das schreibt er in dem Brief, der vor einem halben Jahr ankam. Jetzt soll er irgendwo in Oregon sein. Da bauen sie eine neue Bahnlinie. Und wer verschafft den Chinesenarbeitern das Fleisch?
Ray Thayer.
Der Alte nimmt das letzte Bild hoch. Ray trägt darauf einen Schnurrbart, so ein dünnes Ding auf der Oberlippe. Sieht nicht einmal schlecht aus damit, der Lümmel.
Ich nehm’s weg, denkt der Alte, ich behalte es. Wird Cliff schon nicht auffallen. Ich packe alles wieder so in den Kasten, wie es gelegen hat. Hatte recht damals, der Ray, wirklich. Aber mir zu drohen – das hätte er nicht machen dürfen, das war zuviel.
Der Alte sieht sich verstohlen um, als er das Bild einsteckt und die Briefe und die anderen Bilder wieder an seinen Platz legt. Alles bringt er wieder in Ordnung. Dann geht er leise nach unten, setzt sich hin.
Ich schreibe ihm, denkt er, kramt im Schreibtisch, holt Tinte und Feder heraus. Dann schreibt er, wie schon zehnmal bisher. Nat Thayer schreibt seinem Sohn Ray einen richtigen Brief. Und als er damit fertig ist, packt er ihn säuberlich zu den anderen in den Holzkasten. Dort liegen sie nun alle. Er kann, wenn er nach Hause kommt und sein Vater schon längst tot ist, nachlesen, was der alte Mann gedacht und niedergeschrieben hat. Daß er seinen Jungen noch mal wiedersehen will, ehe er sterben muß. Und daß es ihm Kummer macht, wenn er den kleinen Cliff jeden Tag vor Augen hat – die Schulter schief, den Arm verkrüppelt, das linke Bein nachschleppend. Und so was muß ein Vater nun jeden Tag mitansehen.
Kann verdammt hart für einen alten Mann werden, der nach und nach feststellen mußte, daß er eine Menge Fehler gemacht hat. Aber ändern kann er nichts, das ist noch bitterer.
Da draußen… Er steht hastig auf, schließt das Fach ab und hängt sich den Schlüssel wieder um den Hals. An das Fach kann keiner heran, da liegt das Gewissen des Alten begraben – in einer Holzkiste.
Hufschlag kommt draußen auf. Der Alte nimmt die Laterne, tritt vor die Haustür. Zwei Reiter parieren am Corral ihre Pferde, steigen ab.
»Cliff?«
»Ja, Dad.«
Sie kommen herein, als der Alte schon in der Küche ist und den Kaffee auf dem Feuer hat. Naß sind sie wie die Katzen, und Old Bill niest gewaltig, zupft an seinem verfilzten Vollbart. Dann gähnt er, daß man die drei letzten Zähne deutlich sehen kann.
»Öh, sieht nicht gut aus, Nat.«
»So, wie hoch steht das Wasser denn?«
»Zehn Zoll noch, dann fließt es über das Staubrett durch das Tal in Richtung zu den Dawes.«
Der Alte schlürft seinen Kaffee, bemerkt, wie Nat unruhig wird.
»Und wenn die Dawes nun das Vieh im Tal haben und vom Wasser aus unserem Staubecken ersäuft werden, Bill?«
»Kaum anzunehmen, daß sie bei dem Regen ihre Rinder mitten im Tal stehen lassen, wie?«
»Bill, sie bekommen den ganzen Sommer über Wasser von uns. Die Dawes-Leute sind in Ordnung. Warum habt ihr denn nicht nachgesehen, ob sie ihre Rinder unterhalb unserer Staumauer haben?«
»Bei dem aufgeweichten Boden?« wendet Cliff leise ein. »Unsere Pferde hatten Mühe durchzukommen, Dad.«
»Also wißt ihr nicht, ob nun Rinder da sind oder nicht? Cliff, du hättest hinreiten sollen.«
»Ja, sicher, aber wir dachten nicht daran, wirklich nicht, Dad.«
Der Alte brummt vor sich hin, tritt ans Fenster und starrt in die schwarze Nacht.
»Regen und kein Mond«, murmelt er. »Das richtige Wetter für Viehdiebe. Seltsam, daß sie uns nur einmal, Dawes zweimal und Jim Vance gleich dreimal Rinder gestohlen haben. Heute könnten sie hundert mitnehmen. Da sehen auch die rauhen Burschen von Jim Vance nichts.«
»Na und?« fragt Old Bill. »Sollen sie Vance doch Rinder stehlen, der hat ja genug davon, fast zu viele. Nat, manchmal denke ich, daß sich Howard Vance die rauhen Burschen zu ganz anderen Dingen geholt hat, als nur wegen der Viehdiebe.«
»So? Du meinst, weil der alte Jim einen Schlaganfall gehabt hat und nur noch am Stock gehen kann, macht Howard nun, was er will? Der macht gar nichts, ich sage es dir. Solange sein Vater noch lebt… Nun ja, wir werden alt und schwach. Meine Zeit wird auch bald kommen.«
»Deine?« fragt Bill kopfschüttelnd. »Dich wirft nichts… He, was willst du denn?«
»Es läßt mir keine Ruhe«, antwortet Old Nat grübelnd. »Die Dawes sind unsere besten Nachbarn, gute Leute. Ich muß nachsehen, was es am Staubecken gibt.«
»Dad, du kannst doch jetzt nicht los. Es regnet in Strömen, viel schlimmer als vorhin.«
»Na und, Junge? Bin schon hundert Meilen bei so einem Wetter geritten.«
Er geht los, holt seinen Ölumhang, nimmt sein Gewehr mit. Draußen zerrt der böige Wind an seiner Kleidung, aber er holt sein Pferd, sieht Cliff an der Haustür stehen.
»Dad, komm zurück, oder bleibst du bei den Dawes, wenn sie die Rinder im Tal haben?«
»Kann ich in einem fremden Bett schlafen, Sohn? Ich komme zurück, in drei Stunden bin ich spätestens wieder da.«
»Paß aber auf, überall ist Morast!«
»Bin ich blind?«
Damit reitet er an. Die Dunkelheit schluckt ihn.
*
Kaum erreicht der alte Nat den Damm und das breite Staubrett,