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solchen Hunger haben kann, niemals!

      Er hat nur Sauerampfer und etwas Gras gegessen. Und der Hunger läßt seinen Magen knurren, daß er es hören kann. Seine Kleidung ist schäbig, an einigen Stellen von den Dornenbüschen zerfetzt, und stinkt schon faulig, sie ist klamm, der Nachttau hängt zwischen den Farnen des Waldes.

      Wie oft, denkt Towers und fühlt, wie ihm die Tränen kommen, habe ich gehungert, wie oft sind wir durchgekommen, und wie oft bin ich bis auf die Haut naß gewesen? Durch Bäche waten, durch Felder kriechen, das Korn von den Halmen abstreifen, kauen und denken, daß man Brot ißt, ein Stück Brot!

      Brot muß schön sein, nur eine einzige Scheibe, eine kleine Scheibe nur.

      Er stöhnt leise.

      »Was ist, Towers?«

      »Ich habe Hunger, Lowman!«

      Er kann ihn kaum sehen, Lowman liegt am Baumstamm und hebt den Kopf ein wenig.

      »Denkst du, ich habe keinen, Mann?«

      »Laß uns doch aus dem Wald schleichen, in der Nähe soll eine Farm sein!«

      »Nicht heute, morgen bei Tag erst die Gegend ansehen und aufpassen. Sie suchen uns überall, Towers. Schlaf jetzt, ich will meine Ruhe haben, verstehst du?«

      »Ja, ja, ich sage ja nichts, Lowman!«

      Da hinten, denkt Towers, schlafen Leute in einem Haus, in einem Bett. Sie haben zu Abend gegessen, vielleicht Bratkartoffeln und feingeschnittenen Schinken mit Ei.

      Irgendwo im Wald knackt etwas. Ein Tier? Er lauscht und hält den Atem an.

      »Das war nur ein Tannenzapfen, der heruntergefallen ist«, sagt da

      Lowman. »Du sollst schlafen, Towers, du lernst es nie, nie Geräusche des Waldes zu unterscheiden. Schlaf jetzt, Mensch, morgen gehen wir auf eine Farm.«

      »Ja, Lowman!«

      Er liegt auf dem Arm und wischt sich mit der Hand über das Gesicht.

      Übermorgen, denkt er, ist es einen Monat her, daß wir ausgebrochen sind. Wir haben zwei Deputies, die uns suchten und auf einem leichten Wagen die Wege patrouillierten, einfach angehalten und ihnen die Waffen und den Wagen weggenommen. Dann wünschten wir ihnen einen guten Tag und fuhren davon. Mit fünfzig Mann haben sie uns gejagt, aber nicht gefunden. Bei einem Farmer haben wir einige Tage darauf gegessen und Pferde gestohlen. Dann haben wir einen Flußfischer gezwungen, uns über den Columbia zu rudern. Ich weiß nicht mehr, was sie alles getan haben, um uns zu erwischen. Ich weiß auch nicht mehr, wo wir überall gewesen sind. Nur eins werde ich nicht vergessen: Die Bluthunde, mit denen sie uns gejagt haben. Und wir im Sumpf bis an den Hals, die Mücken – greuliche Plage. Aber gegessen haben wir wenigstens ab und zu etwas.

      Schon seit Tagen haben wir jetzt nichts gehabt.

      Er schluckt wieder. Dort droben soll eine Farm sein, in der Nähe gibt es Fischräuchereien. Er schluckt dauernd; je mehr er an Essen denkt, desto schlimmer wird es. Sie werden nun im Bett liegen, es würde ganz leicht sein, in ein Farmhaus einzudringen und die Leute um Essen zu bitten, wie schon so oft. Doch nur etwas essen, mehr nicht, einen Bissen zwischen den Zähnen, eine warme Suppe und nicht leben wie ein Tier. Der da, der ist ein Tier, der ißt Wurzeln und rohe Fische, dem macht es nicht viel aus. Schläft er?

      Ach, ich sollte mich stellen, im Jail gibt es eine Pritsche. Und warmes Essen, eine Decke und trockenes Lager. Ich sollte mich stellen!

      Er denkt schon eine Woche daran, aber nur, wenn Lowman fest schläft. Sonst errät Lowman seine Gedanken, der kann Gedanken lesen!

      Er, Towers, hat ja keinen umgebracht. Er hat nur Hunger, er will nicht leben wie ein Tier.

      Lowman schläft. Towers denkt nach, dann streckt er sich, es raschelt leise unter ihm. Wacht er auf, wird Lowman munter?

      Doch Lowman schnarcht weiter. Towers stemmt sich hoch, er kniet nun.

      Er hat doch nur Hunger. Es wird im Jail besser sein, einmal müssen sie ihn herauslassen, aber bis dahin gibt es regelmäßig etwas zu essen!

      Towers kriecht zwei Schritte, lauscht, kommt auf einen Baum zu. Schnarcht Lowman noch?

      Er schnarcht, der schläft. Und er kriecht, duckt sich unter Farnen durch, ist am Baum, sieben, acht Schritte entfernt. Mondschein fällt durch die Bäume, eine Lichtung, neben der sie ihr Lager für die Nacht gemacht haben. Er erreicht die Lichtung.

      »Towers!«

      Die Stimme ist elf, zwölf Schritte hinter ihm.

      »Towers, he?«

      Nichts sagen, nur wegkriechen, über die Lichtung, fort von ihm. Der hält es monatelang aus, dieses Wald-ungeheuer, das von allem lebt, was Tiere auch essen können.

      »Towers, wo steckst du? He, Towers, melde dich! Verdammter Kerl, wo bist du?«

      Es knackt, es raschelt. Towers kriecht schneller, ist über die Lichtung und richtet sich drüben auf. Er huscht weiter und hört nichts mehr.

      Ich will hier heraus, denkt er verzweifelt. Er schleppt mich immer weiter mit. Das halte ich nicht durch, ich sterbe, ich will aber nicht sterben, ich nicht!

      Es knackt links von ihm. Er zieht sich zurück, geht rückwärts, greift an die Hüfte und zieht den Revolver heraus. Ich schieße ihn tot, denkt er, wenn er mich wieder mitschleppen will. Was hat in der Zeitung gestanden, die wir bei der Farm, auf der wir zuletzt waren, gelesen haben? Fünftausen Dollar für ihn, ganz gleich, wer ihn bringt? Straffreiheit für mich, wenn ich ihn erwische, ja, wenn... Aber sie wissen ganz genau, daß ich nichts gegen ihn machen kann. Aber Straffreiheit? Ich will hier weg, ich halte das nicht durch!

      Er kauert hinter einem Baum, blickt starr nach links. Da bewegt sich etwas. Es knackt, dann ist der Schatten fort. Oder hat er sich geirrt? Das Knacken ist doch rechts!

      Towers nimmt den Revolver hoch, wendet sich nach rechts und sieht den Mann zwischen den Bäumen. Er steht drüben, zwölf Schritt entfernt!

      Der Revolver liegt am Baum, Towers zielt. Er will nicht sterben, er will frei sein, straffrei.

      Jemand seufzt schwer, dann poltert es. Towers sieht den Schatten nicht, er ist fort. Getroffen. Oder nicht?

      Wenn es hell wird, denkt Towers, sehe ich nach, nicht jetzt, nein.

      Er schleicht zurück, ein Ast knackt unter seinen Stiefeln. Totenstille danach, er steht gedeckt hinter dem Baum. Nichts rührt sich, kein Laut ertönt. Und Towers schleicht weiter.

      »Towers!«

      Er stößt einen Schrei aus und wirft sich herum.

      Zwischen den Bäumen brüllt es zweimal, das Echo rollt durch den Wald.

      Er sitzt an einer Tafel voller Speisen, sein Teller ist noch leer. Dann nimmt er einen Löffel und will sich Kartoffeln auf den Teller füllen, aber jemand greift schneller als er zum Löffel. Er sieht hoch und in Lowmans Gesicht!

      »Er hatte auch die Zeitung gelesen«, sagt Lowman heiser und wischt sich über das Kinn. »So hatte er sich das also gedacht, der Verräter. Nun gut, gedacht und mehr nicht.«

      Es ist still im Wald. Schritte gehen fort.

      Nun ist er allein, ein Wolf in einem tiefen Wald.

      Sie werden ihn nie fangen – niemals!

      Niemals?

      *

      Er kommt aus dem Tal, ein Mann, der heruntergekommen ist und dessen Wangen eingefallen sind.

      Nahe beim Haus arbeiten zwei Männer an einem Stall und sehen ihm entgegen.

      »Hallo«, sagt Lowman matt. »Leute, vielleicht habt ihr ein Essen für mich? Ich arbeite auch, ich helfe euch beim Stallbau.«

      Sie blicken ihn an und erkennen ihn nicht. Die Zeit hat ihn verändert, er wirkt krank und müde. Er bekommt sein Essen und weiß nicht, daß man ihn einen Tag vorher gesehen hat,

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