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Morast der Talmitte zu reiten.

      »Na, was sagst du jetzt?«

      Sie zucken beide zusammen.

      Durch den Regen und den heulenden Sturm, der die Büsche mit seiner Gewalt zu Boden drückt, dringen schwache Schußgeräusche.

      Einen Moment sitzen sie still auf ihren Pferden und lauschen. Dann räuspert sich Old Bill heiser.

      »Er wird die Dawes-Rinder aus dem Tal jagen. Darum das Schießen, was, Junge?«

      Cliff lauscht immer noch. Keine Schüsse mehr, alles bleibt ruhig.

      »Bill, das war weiter rechts.«

      »Bist du sicher, Junge? So genau habe ich das nicht gehört.«

      »Es kam mehr von rechts. Das Tal aber verläuft nach links, Bill. Komm mit, es ist so verdammt ruhig jetzt.«

      Zweimal verliert sich Old Nat Thayers Fährte im abwärtsströmenden Wasser. Dann führt sie in das Tal, aber hier ist kein einziges Rind zu sehen.

      »Bill, die Dawes haben keine Rinder hier gehabt. Siehst du?«

      »Ja«, erwidert der Alte grübelnd. Und nun verspürt er doch so etwas wie Sorge. »Dann, äh, könnten sie nur im rechten Seitental sein.«

      Sie reiten weiter. Der Regen klatscht in ihre Gesichter. Das Wasser rinnt in den Hemdkragen und durchnäßt sie bis auf die Haut. Bald sind sie im Seitental, halten an, als Cliff die Laterne hochhebt. Ihre Pferde stehen am Talgrund, durch den das Regenwasser abläuft und einen vielleicht sechs Yards breiten Bach bildet.

      »Bill, Rinderspuren und Pferdehufeindrücke, siehst du?«

      »Ja«, sagt der Alte gepreßt. »Da hat jemand Rinder mitten im Wasser getrieben, statt sie auf dem trockenen Ufer zu halten. Verdammt seltsam, daß die Dawes das getan haben sollten. Sieh doch mal nach rechts, da drüben.«

      Keine drei Yards weiter verläuft die Einzelfährte. Old Nat Thayer muß hier geritten sein. Die Spur führt auf den Sperrzaun zu und endet am Gatter. Hier hat der Alte gewendet, er ist dann rechts hochgeritten und hat sich am Zaun gehalten.

      »Cliff, rechts oben liegt die Weidehütte der Dawes.«

      »Ja, vielleicht hat er…«

      Sie sind sechzig Yards weiter, als der Junge das sagt. In diesem Moment fällt der tanzende Lichtschein der Laterne über den großen, ungefügen Schatten im Gras.

      »Bill!«

      Cliff reißt die Laterne hoch.

      Verdammt, denkt der alte Bill entsetzt, Old Nats Wallach. Er ist tot. Und Nat?

      Cliff treibt sein Pferd mit wilden Zurufen an, hält den linken Arm hoch und pariert dann sein Tier.

      Er sagt nichts, der Junge. Er denkt nur an das Gefühl, das ihn den ganzen Abend über bedrückte.

      Allmächtiger, denkt Cliff, laß es nicht wahr sein.

      Die Ölhaut unten im Gras glänzt wie die Stiefel, über die der Regen rinnt. Eine Hand lugt aus dem Schlitz der Ölhaut, aber vom Kopf des alten Mannes ist nichts zu erkennen. Da ist nur die Ölhaut, der Alte muß sie sich über den Kopf gezogen haben.

      »Dad! Dad!« sagt der Junge wispernd und steigt langsam ab. »Dad, Dad!«

      Dann kniet er. Der Boden ist feucht, und der Regen prasselt auf seine Ölhaut. Regen rinnt ihm in den Nacken, als er die Hand hebt und am Umhang seines Vaters zieht.

      Neben ihm steht der alte Bill und scheint den Atem anzuhalten.

      »Cliff«, sagt Bill und lächelt verkrampft. Durch nichts verrät er, daß er Schmerzen hat. »Hallo, Junge! Bist du da?«

      Es kommt stockend über seine Lippen. Er blinzelt träge, als sei er nur ein wenig müde. Wie hat er doch damals gesagt?

      Ein Thayer zeigt keinen Schmerz.

      Für ihn gilt das.

      »Dad, ich helfe dir hoch.«

      »Laß sein… Keinen Sinn, Cliff. Dein Bruder… Hol Ray, hole mir meinen Jungen – und sage ihm, es täte mir leid, es hat mir – immer – leid getan! Hol Ray her! Jim wird kommen, Jim Vance. Paßt auf, er kommt, er nimmt alles weg!«

      »Dad, rede nicht so viel, du schaffst es schon. Zeig her, wo hat es dich erwischt?«

      »Keine Mühe, Junge, nicht tun, liegenlassen. Vier Mann – keinen erkannt. Sie haben Rinder genommen… Dawes Bescheid geben. Bill, hörst du?«

      Der alte Bill sitzt da und würgt. Allmächtiger, denkt der alte Bill, er hat immer davon geredet, er wolle um alles in der Welt nicht in seinem Bett sterben. Eine schnelle Kugel, das hat er immer gesagt. Und jetzt? Was soll ich ohne ihn anfangen? Ich bin ein ganzes Leben mit ihm geritten. Er war der größte Mann, den ich kannte – eisenhart, aber auf seine Weise einfach groß und mutig, ein Mann, dem man folgen konnte.

      »Ja, Nat.«

      »Cliff…«

      Er redet schon so leise, daß sie sich über ihn beugen müssen, um seine Worte zu verstehen. Es ist, als habe sein eiserner Wille ihm die Kraft erhalten, bis sie hier waren.

      »Dad, laß mich doch nachsehen. Ich will dich verbinden, Dad.«

      »Keinen Sinn mehr, Junge. Die haben – zu gut getroffen. Sei mutig… Ein Mann – kämpft – kämpft immer. Sag Ray, ich hätte so gern gesehen, daß er – nach Hause… Ich hätte – ihm schreiben müssen. Cliff, was ich getan habe, mußte sein, es mußte. Mein Testament… Hier, der Schlüssel.«

      Seine Hand tastet hoch, fährt zitternd unter das Hemd. An der Schnur hängt der Schlüssel zum Fach seines Tisches.

      »Lesen – verstehen, Cliff. Ist nicht böser Wille, mußte es tun, Junge. Du wirst verstehen… Ich weiß, du bist klug, du warst mein lieber Junge. Tut mir leid… War hart, aber – ein Mann – muß hart sein können. Ray – Ray ist… Ray!«

      »Dad, Dad!«

      Er liegt still, der alte Mann. Dunkelheit senkt sich hinab. Er ist wieder in seinem Haus. Es regnet heftig, der Wind heult um die Ranch. Draußen Hufschlag. Und der Alte steht auf.

      »Dad, Dad!«

      »Ja, mein Junge. Daß du nun zu Hause bist, Ray.«

      Er ist nicht mehr auf dieser Weide, er ist zu Hause. Wovon er immer geträumt hat, das träumt er nun noch einmal – zum letztenmal.

      Cliff hält die Laterne hoch, leuchtet seinem Vater ins Gesicht.

      Licht, denkt der alte Mann, es wird hell. Ich muß gut leuchten, damit der Junge nicht in die verdammte Lache vor dem Haus tritt. Komm nur, Ray, ich leuchte! Bist du endlich zu Hause, mein Junge, hast du heimgefunden?

      »Ray!« sagt er. Es sind die letzten Worte. »Ray, mein Junge…«

      Dann schweigt er für immer.

      Regen prasselt nieder, aber Old Nat hört nichts mehr.

      Er hat immer gewollt, daß ich hart sein sollte, denkt Cliff. Aber ich habe ihn geliebt, auch wenn ich manchmal furchtbare Angst vor seinem Jähzorn gehabt hatte. Ich kann nicht so hart sein. Seine Lippen zittern. Regen rinnt ihm in Tropfen über das zuckende Gesicht. Zwischen den Regentropfen…

      »Cliff, Junge!«

      Der alte Bill bringt es nur mühsam heraus. Er faßt Cliff an der Schulter.

      »Cliff, er wollte nie in seinem Bett sterben. Hörst du?«

      »Ja, Bill, ist gut. Ich… Entschuldige, ich…«

      »In Ordnung, Junge, schon gut. Nimmst du ihn auf den Gaul? Ich müßte zu den Dawes, Cliff.«

      »Sicher, Bill, hilf mir, ihn auf mein Pferd zu heben. Sag den Dawes Bescheid. Sie sollen nach den Spuren sehen. Vielleicht finden sie die Banditen.«

      »Ich

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