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Schon früh artikuliert sich eine Art ›eritreische‹ Individualexistenz.

      Im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gibt die Entwicklung in Südarabien neue Anstöße für eine aktive Politik im Roten Meer und starkes aksumitisches Engagement auf seiner Ostküste. In Südarabien hatte das Christentum Fuß fassen und zahlreiche Anhänger gewinnen können. Dies stärkte auch den aksumitischen und den byzantinischen Einfluss auf der arabischen Halbinsel und im Roten Meer. Dieser scheint jedoch im 6. Jahrhundert in Gefahr.

      Um 520 kam es durch den zum Judentum konvertierten König Yusuf As’ar Yath’ar (arabische Quellen nennen ihn Dhu Nuwas) zu antichristlichen Maßnahmen (er brannte etwa die Kirche der himyaritischen Hauptstadt Zafar nieder) sowie zu relgelrechten Christenverfolgungen, die ihren Höhepunkt in Nadschran fanden, wo viele Christen starben,34 welche seither unter orientalischen Christen als Märtyrer verehrt werden. Eine wichtige syrisch-aramäische Quelle, das ›Buch der Himyariten‹, berichtet über diese Christenverfolgung, die von Inschriften und anderen Quellen bestätigt wird.35 Der aksumitische König Kaleb Ella Asbeha intervenierte auf Bitten des byzantinischen Kaisers Justin I. Dieser will sein Bündnissystem ausbauen,36 seine Position gegenüber Persien sichern und stellte seinem aksumitischen Verbündeten auch Schiffe für die Operation zur Verfügung.

      Der König selbst steht an der Spitze des Feldzugs nach Arabien. Die Dominanz des Christentums sowie Aksums im Südwesten der arabischen Halbinsel wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten wiederhergestellt. Dies bedeutet das Ende von Himyar – ein aksumitischer Regent wurde nun eingesetzt.37 Der letzte Versuch des himyaritischen Staates, seine Eigenständigkeit zurückzubekommen, ist definitiv gescheitert, die byzantinisch-aksumitische Kontrolle der Region scheint gesichert.

      Abraha, ein Offizier aus Adulis, soll später die Macht übernommen haben, sich aber mit dem ›Mutterland‹ Aksum nach anfänglichen Auseinandersetzungen arrangiert und Tribut bezahlt haben. Es wird überliefert, er habe im ›Jahr des Elefanten‹ (benannt nach einem aksumitischen Kriegselefanten), in dem Muhammad, der Prophet des Islam geboren wurde, einen Feldzug gegen Mekka unternommen, das durch göttliche Intervention aber gerettet worden sei.

      Dieser Feldzug hat wohl faktisch kurz vor oder kurz nach 550 stattgefunden, das Jahr der Prophetengeburt dürfte aber 570 (oder 573) gewesen sein. Entweder dieses Ereignis oder ein Hilferuf aus Himyar, jetzt aksumitische Provinz, führte dann zu einer militärischen Intervention des persischen Sassanidenreiches und damit endgültig zum Ende der aksumitischen Rolle in Südarabien. Persien griff die Gelegenheit für ein militärisches Einschreiten gern auf und konnte jetzt die Vorherrschaft im Indischen Ozean und im Roten Meer für einige Zeit übernehmen. Sogar in Berbera an der Somaliküste richteten die Perser eine Garnison ein, vielleicht ein erster Schritt zu energischeren Maßnahmen auch gegen Aksum?

      Der Islam kommt ans Horn von Afrika

      Eine neue, große Gefahr sowohl für Byzanz als auch für das Sassanidenreich, das bald sein Ende finden wird, kommt auf: Der Islam. Anfang des 7. Jahrhunderts AD trat in Mekka, einem Karawanenhandelsplatz auf der arabischen Halbinsel, ein Mann auf, der zur Rückkehr zur (Ur-)‌Religion des Abraham aufrief. Es ist die Geburtsstunde des Islam. Der ›Mahner‹ ist Muhammad,38 der Stifter der neuen Religion und das ›Siegel der Propheten‹, geboren um 570.

      622 AD zog Muhammad nach anfänglichen Schwierigkeiten in seiner Vaterstadt mit seinen Anhängern in die Oase Yathrib, die damit zur ›Stadt (des Propheten)‹ wurde – Madina(t al-Nabi); dies ist der Beginn des islamischen Urstaates.39

      In Mekka kannte man längst Menschen von der Westküste des Roten Meeres, viele waren durch den lebhaften Sklavenhandel ins Land gekommen: Muhammad, der Prophet, hatte schon früh Kontakt zu Afrikanern und ernennt einen ›Äthiopier‹, Bilal, zum ersten Muezzin des Islam.

      Schon in den frühen Jahren des Islam, noch in der mekkanischen Zeit, kam es zu ersten Kontakten mit dem Horn von Afrika und den dortigen Christen. Als sich die frühislamische Gemeinde zunehmendem Druck seitens der ›Heiden‹ ausgesetzt sah, schickte Muhammad 615 AD in einer ›ersten Hidschra‹ eine Gruppe dieser frühen Muslime, zu denen auch der spätere Kalif Uthman sowie eine der Frauen des Propheten gehörten, ins aksumitische Reich, wo sie offenbar gut aufgenommen wurden. Möglicherweise aus Aksum kam eine Gruppe von Christen, die Muhammad um 620 in Mekka besuchte und von dem, was sie hörten, so beeindruckt gewesen sein soll, dass sie sich dem Propheten anschloss. Auch an den militärischen Auseinandersetzungen des frühislamischen Staates mit dem ›heidnischen‹ Mekka scheinen Menschen vom Horn von Afrika auf seiten des Propheten teilgenommen zu haben. So standen die ersten Kontakte des Islam mit den ›Habascha‹ unter einem günstigen Omen, das sich ausdrückt in dem Prophetenwort ›Lasst die Habascha in Ruhe, solange sie euch in Ruhe lassen‹.

      Zu intensiven Auseinandersetzungen zwischen dem entstehenden islamischen Staat, der in den letzten Lebensjahren des Propheten praktisch schon die gesamte arabische Halbinsel umfasste, und dem christlichen Aksum kam es in der Tat nicht und die islamisch-arabische Expansion, die bald nach dem Tod des Propheten (632 AD) einsetzte, hatte eine andere Stossrichtung, konzentrierte sich auf das byzantinische und dass sassanidische Reich, richtete sich mehr nach Norden und nicht gegen das Horn von Afrika, das zunächst eher im Windschatten der islamischen Interessen lag. Dennoch war die Expansion des Islam und die Entstehung eines islamischen Imperiums auch mit mittelbaren und unmittelbaren Konsequenzen für das Horn von Afrika verbunden.

      Durch den Siegeszug des Islam verändert sich die politische Landschaft im Nahen Osten und auch im Nordwesten des Indischen Ozeans grundlegend.40 Das sassanidische (Perser-)Reich ging 651 AD unter, das Byzantinische Reich verschwand völlig aus dem Roten Meer und verlor seine Positionen am Südufer des Mittelmeeres, wo sich überall die Herrschaft der Kalifen, später auch lokaler islamischer Machthaber und Dynastien, ausdehnte. Damit befand sich Aksum in einer völlig neuen Situation – die strategische und wirtschaftliche Allianz mit Byzanz, die den aksumitischen Handel im Indischen Ozean und im Roten Meer begünstigte, existiert nicht mehr. Byzanz war damals im Ostmittelmeer damit beschäftigt, sein Überleben zu sichern. Der Islam als die neue dynamische Macht, die bald zur Weltmacht wird, entwickelte sich zum beherrschenden Faktor und bildete eigene interkontinentale Handelsnetze. Das Christentum geriet in die Defensive, verlor im gesamten Mittelmeerraum an Terrain. Das Rote Meer wird zum ›islamischen See‹.

      Nach einem Überfall auf Jiddah, der 70241 von der eritreischen Küste ausging (Piraten?), nahmen die Muslime die Dahlak-Inseln vor Massawa ein und hatten somit schon früh einen Vorposten am Horn von Afrika, der später ein unabhängiges Sultanat, zeitweise unter Einschluss von Massawa auf dem Festland, wurde. Unliebsame Personen und politische Gefangene sollen auf die Dahlak-Inseln verbracht worden sein, die aus Sicht der Kalifen in Damaskus oder (ab 750) Baghdad wohl weit genug entfernt von den Zentren der islamischen Welt und somit als Verbannungsort geeignet waren. Jedenfalls ist der Islam damit auch machtpolitisch am Horn von Afrika präsent, wenn auch eine regelrechte ›Eroberung‹ des christlichen Aksum nie versucht wurde. Der erste christlich Staat Afrikas wurde nicht, wie viele andere bereits christianisierte Länder des Nahen Ostens und der Mittelmeerwelt (bis hin zum Westgotenstaat auf der iberischen Halbinsel) von der arabisch-islamischen Eroberungswelle überrollt und hinweggefegt; sein Rückzug von der Küste mag ihn davor bewahrt haben oder auch die guten Beziehungen, die von Anfang an mit der islamischen Urgemeinde bestanden hatten.

      Doch mit der islamischen Expansion des 7. und 8. Jahrhunderts begann auch der Abstieg von Aksum, das sich mehr und mehr ins Landesinnere zurückzog und den Fernhandel zunehmend den neuen Herren der Meere, den Muslimen, überlassen musste,42 die jetzt fast alle Küsten der Region kontrollierten. Handelsstraßen und -verbindungen sowie strategische Schnittstellen zwischen den Kontinenten (etwa die Übergänge zwischen Rotem Meer und Mittelmeer sowie dessen Südufer, das Zweistromland, der Persische Golf mit Hormuz und das Bab al-Mandeb43 am Südausgang des Roten Meeres) sind jetzt definitiv für Jahrhunderte in islamischer Hand.

      Es gab jetzt untrügliche konkrete Anzeichen für den Niedergang von Aksum: Die Münzprägung wurde im 7. Jahrhundert eingestellt, ein sicheres Anzeichen dafür, dass Aksum nicht mehr so stark am Fernhandel

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