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dir das einbildest.“

      „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf!“ Drüben zwei übermütige, blanke Augen, vor denen die Geheimrätin von Möllinghoff wieder unwillkürlich nach dem hohen, mit bunten Perlen gestickten Ofenschirm in der Ecke blickte. „Zum Beispiel — heute nachmittag war ich in einem Kreis — da war eine bombenreiche junge Gräfin auf Anhieb direkt liebenswürdig zu mir.“

      „Das kann ich mir denken, dass sich die Gräfinnen hier schon am ersten Tag um dich reissen!“ sagte die Tante milde und trocken. „Wer war denn die Glückliche?“

      Der junge Mann hob den blonden Schopf.

      „Eine Komtesse Lassbach!“ sprach er wichtig.

      „Was? . . . Die Mimi Lassbach?“ Die junge Frau gegenüber fuhr ungläubig, mit grossen Augen, zurück.

      „Ob sie Mimi heisst, weiss ich nicht! Beim Vornamen nennen wir uns noch nicht!“

      „Blass! Nicht hübsch! Noch ganz jung! Wahnsinnig von den Eltern verzogen? . . . Ja — wo hast du denn die Dame um Gottes willen aufgegabelt?“

      „Na — bei ihren Eltern natürlich!“

      „Du warst bei den Lassbachs? Gleich da drüben in der Vossstrasse? Ja — bist du denn von Gott verlassen?“

      „Wieso?“ Lutz Oberkamp bemühte sich, überlegen zu lächeln. Aber es blieb etwas Gezwungenes um die Mundwinkel.

      „Weisst du denn, was der Salon Lassbach ist?“

      „Nee!“

      „Und dieses Kind will nach Berlin!“ Etta Möllinghoff rang die Hände.

      „Was hat der Mann denn eigentlich verbrochen?“ fragte der Neffe trotzig.

      Die junge Geheimrätin betrachtete den blonden Mecklenburger Riesen einen Augenblick beinahe träumerisch weich. Dann raffte sie sich zusammen, wieder die Kampfbereitschaft der Wilhelmstrasse auf dem strengen, schmalen Gesicht.

      „Es gibt bei uns gewisse Junker — nicht viele — ich brauche das Wort ,Junker‘ — ich stamme ja selbst aus diesen Kreisen, und mein Vater ist, wie du weisst, Kommandierender General, und meine beiden Brüder stehen hier in der Garde — also gewisse Junker fühlen sich von Bismarck erdrückt und um ihr Recht gebracht, auch in Preussen und im Reich mitzureden!“

      „Ja — warum ordnen sich die Kerle denn nicht, wie dein Mann, einfach Bismarck unter?“

      „. . . weil sie die alten preussischen Eigenschaften der Unterordnung nicht haben — alles besser wissen als Bismarck — viel zu eitel sind — nach dem Ausland schauen — nervöse Köpfe haben — kluge Köpfe wie Tonio Lassbach! Hinter seinem Namen und seinem Reichtum sammelt sich alles, was sich offen gegen Bismarck nicht hervorwagt. Du ahnst ja gar nicht, wieviel Feinde der Kanzler hat — bis hoch hinauf — ganz hoch! Ich werde mich hüten und mir den Mund verbrennen und alles sagen, was ich weiss!

      „Und nun verrate mir um Gottes willen“, schloss Etta von Möllinghoff und beugte sich mit wettergefurchter Stirn vor, „wie bist du Unglücksjunge denn nur in diesen exklusiven Zirkel der Missvergnügten überhaupt hineingeraten?“

      „Ja — das hing mit der ,Grossen Trommel‘ zusammen!“ sagte der junge Mann etwas kleinlaut. Seine Tante fuhr sich langsam, erstaunt, mit der Hand über die Stirn.

      „Was weisst du entsprungener Fritz Triddelfitz aus Buggenhagen von der ,Grossen Trommel‘?“

      „Gar nichts!“

      Es war, als ob sich auf den von Verstandeslinien beherrschten hübschen Zügen der jungen Geheimrätin alle Sorgen der Wilhelmstrasse spiegelten.

      „Dann will ich es dir verraten!“ sagte sie gemessen, in kalter Todfeindschaft. „Die ,Grosse Trommel‘ ist seit einiger Zeit das bösartigste Blatt — oder vielmehr das bösartigste Blättchen von Berlin! Es ist keine Trommel, sondern ein Giftbecher, in den jede Woche einmal gewisse Feinde Bismarcks, bisher ungestört, ihren Geifer und Galle entleeren!“

      „Herrgott — das ahnt’ ich doch nicht!“

      „Gewisse Feinde! Nicht alle. Wenn es alle täten, dann reichte das Heidelberger Fass nicht, um all das Gift in Deutschland zu sammeln! Man einigt nicht umsonst ein Volk von vierzig Millionen, weil es eben nicht anders geht, mit Blut und Eisen!“ Etta Möllinghoff geriet in Erregung. „Mit allem, was er tun musste und tat und heute noch tut, hat sich der Fürst Feinde gemacht und macht sich immer noch neue. Man heisst nicht umsonst der ,Eiserne Kanzler‘. Man entthront nicht umsonst Könige und Fürsten. Man beginnt nicht umsonst wieder den uralten Kampf mit Rom! Man unterdrüdt nicht umsonst die Mächte des Umsturzes — alles zu Deutschlands Ehren, dass es so gross. und herrlich dasteht wie jetzt!“

      Auf Etta Möllinghoffs Antlitz einer Weltdame ging eine Veränderung vor. Es verklärte sich. Es wurde edel. Streng. Sie hob gläubig die bräunlich-grünlich glänzenden Augen zur Decke.

      „Auf den Knien sollten wir täglich Gott danken, Lutz, dass wir Bismarck haben! In diesem Hause — bei meinem Mann und mir — da heisst es: ,Bismarck heut’ und in Ewigkeit‘!“

      „Bei uns in Buggenhagen — da — da schwören wir ja auch alle auf Bismarck!“

      „Ja. Dein Vater gehört zu den Aufrechten im Reichstag, auf die Verlass ist, wenn Tonio Lassbach die ,Grosse Trommel‘ schlägt!“

      „Graf Lassbach ist da das Karnickel?“

      „Nur hält er als grosser Herr und ebenso seine hochgeborenen Hinterleute beiderlei Geschlechts sich wohlweislich im Hintergrund! Um für diese Kamarilla die Haut zu Markt zu tragen, finden sich immer schon bezahlte Subjekte als Sitzredakteure. Solche armen Teufel gibt es genug!“

      „Ja. Solche Esel gibt’s!“

      Ein erstaunter Blick drüben unter den dichten, dunklen Brauen.

      „Warum sagst du denn das in einem so merkwürdigen Ton?“

      „Na — weil ich heute selber der Herausgeber der ,Grossen Trommel‘ werden sollte!“

      Der blonde Hüne verstummte und stierte reuig vor sich auf den Teppich. Er wagte nicht, die Tante anzuschauen. Sie faltete in sprachlosem Entsetzen die schmalen, reichberingten Hände vor dem Spitzeneinsatz der Taille. Ihr kluger Mund öffnete sich halb vor Schrecken.

      „Du . . .“ sagte sie endlich leise. „Ist das nun Wahnsinn oder wirklich nur unverfälschte Dummheit?“

      „Reine Dummheit, Tante! Mein Wort!“

      „Ja — was hast du dir denn dabei um Gottes willen gedacht?“

      „Nischt!“

      „Das sieht dir ähnlich!“

      „Und wie ich hinkam . . .“

      „. . . war da Haussuchung — das hätte ich dir vorher sagen können!“

      „Woher weisst denn du das schon wieder?“

      Etta Möllinghoff antwortete nicht erst auf die Frage. Sie zwinkerte nach ihrer Gewohnheit schnell, für sich, mit den halbgeschlossenen Lidern. Der Neffe, der geängstigt, die flachen Hände zwischen die Knie gepresst, dasass, sah, unter ihrer hoch zurückgewellten Frisur, die Gedankenflucht hinter der krausen Stirn.

      „Hat dich die Polizei festgehalten? Hast du Namen und Wohnung angeben müssen?“

      „Nein. Ich hab’ einfach gemacht, dass ich wieder wegkam!“

      „Hast du dort Geld genommen?“

      „. . . nicht ’nen polnischen Groschen!“

      „Hast du irgend etwas Schriftliches an irgendwen von dir gegeben, du Unglücskind?“

      „Nichts, Tante!“

      „Nun — dann hast du mehr Glück gehabt als Verstand! Dazu gehört allerdings nicht übertrieben viel!“ sagte die Tante entschlossen.

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