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schreibt keine strenge Norm vor, sondern strebt an, einer offenen Norm gerecht zu werden, […]. Dies bedeutet allerdings keinen Verzicht auf eine gewisse normative Geltung“ (Dudenredaktion 1998: 5 [Vorwort]). In den Vorworten zu den jüngeren Auflagen ab 2005 sind Begrifflichkeiten wie „präskriptive Tradition“ oder „normative Geltung“ verschwunden. Solche Rückschlüsse auf das Selbstverständnis und das fortschreitende Bekenntnis zu Toleranz und Offenheit im Umgang mit Normproblemen sind deshalb bedeutsam, weil sie, wie exemplarisch aufgezeigt, Konsequenzen für das Gestalten von Grammatik nach sich ziehen.

      Ein Vergleich der Positionierung in den jeweiligen Vorworten gibt darüber hinaus Aufschluss über weitere wesentliche Aspekte des Gestaltens: So wird, wie bereits angesprochen, der Geltungsanspruch für geschriebene und später dann auch gesprochene Standardsprache betont, die Breite des gewünschten Nutzerkreises unterstrichen, die synchrone Perspektive herausgestellt und es werden – gleichsam als Spiegel der wissenschaftshistorischen Entwicklung und der Etablierung (neuer) grammatiktheoretischer Ansätze – die von der Duden-Grammatik jeweils aufgenommenen bzw. berücksichtigten Strömungen thematisiert. En passant erfährt der Leser auch etwas über den Umgang mit der Frage der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter, was seit der 4. Auflage schon aufscheint, wenn dort im Vorwort des Wissenschaftlichen Rats der Dudenredaktion von „Orientierung für Lehrende und Lernende“ die Rede ist (Drosdowski 1984: 5), ansonsten aber, wie auch in den jüngeren Auflagen, Ausdrucksformen des generischen Maskulinums bevorzugt und, wie in den Vorworten der Dudenredaktion und der Autorinnen und Autoren zur 7., 8. und 9. Auflage, explizit mit Platzmangel und dem Bemühen um eine flüssig(er)e Darstellung begründet werden; man muss zwar genau hinschauen, aber auch hier sprechen die geringfügigen (zur Verdeutlichung unterstrichenen) Unterschiede, die sich in der Gegenüberstellung der einschlägigen Passagen aus der 7. und aus der 9. Auflage zeigen, für sich:

„In der Dudengrammatik werden die Formen ‚Sprecher‘ und ‚Hörer‘ bzw. ‚Leser‘ und ‚Schreiber‘ verwendet. Selbstverständlich beziehen sie sich immer auf männliche und auf weibliche Personen. Lediglich aus Gründen des Platzes und des flüssigeren Schreibstils wurde darauf verzichtet, jeweils weibliche und männliche Formen anzuführen.“ (Dudenredaktion 2005: 6) „In der Dudengrammatik werden die Formen ‚Sprecher‘ und ‚Hörer‘ bzw. ‚Leser‘ und ‚Schreiber‘ verwendet. Selbstverständlich beziehen sie sich immer gleichzeitig auf weibliche und männliche Personen. Lediglich aus Gründen des Platzes und des flüssigeren Schreibstils wurde darauf verzichtet, jeweils feminine und maskuline Formen anzuführen.“ (Wöllstein/Dudenredaktion 2016: 6)

      Kurz zusammengefasst, manifestiert sich Stilwandel im Vergleich der Duden-Grammatik-Auflagen also im Stilganzen, da sich in der Art der Handlungsdurchführung die Veränderung im Anspruch und im Selbstverständnis der Dudenredaktion zeigt.

      4 Kursorischer Blick auf Stilphänomene in Grammatikforen

      4.1 Allgemeines zur Beziehungsgestaltung

      Grammatik-Texte auf Plattformen, die vornehmlich dazu dienen, Grammatikwissen nachzuschlagen und einzuüben (vgl. stellvertretend grammis.de, mein-deutschbuch.de, grammatikdeutsch.de, lernpfad.at) weisen, wie eine strichprobenartige Durchsicht gezeigt hat, in ähnlicher Weise Stilwechselphänomene auf, wie sie sich in konventionellen Printdarstellungen auch finden. Die Behandlung von Grammatikthemen in Foren (vgl. stellvertretend deutschboard.de, fehler-haft.de, konjugation.de), in denen Ratsuchende ihre Fragen stellen können, die dann von kompetenten oder sich zumindest so fühlenden Usern beantwortet werden, dagegen zeigen, dass in längeren thematischen Threads durchaus auffällige Stilwechsel eine Rolle spielen können. Es ist dabei davon auszugehen, dass – wie für die bisherigen text‑ bzw. produktbezogenen Überlegungen – auch für die schriftbasierte Forenkommunikation gilt, dass „mit der Art der Handlungsdurchführung […] auch die Beziehung als solche gestaltet [wird]“ (Sandig 2006: 27). Um das zu verdeutlichen, eignet sich Forenkommunikation deshalb besonders, weil der dialogische Charakter der Beiträge erkennbar machen kann, nicht nur wie ein Thema bearbeitet und wie ein Sachverhalt gestaltet wird, sondern auch wie die Akteure sich gegenseitig einschätzen und welche Stilwirkungen mit der Sachverhaltsdarstellung verbunden sein können. Es ist naheliegend, dass gerade in Fällen, in denen die Kommunikationsdurchführung nicht (mehr) den üblichen Höflichkeitsstandards usw. genügt, die Ebene der Sachverhaltsdarstellung an Gewicht einbüßt und entsprechende Rückschlüsse auf die Art der Beziehungsgestaltung möglich sind. Wie generell in Forenkommunikation ist es auch hier meist nicht möglich, die fachliche, sprich: grammatische Kompetenz und die Fähigkeit, Grammatikprobleme souverän zu lösen, einzuschätzen. Daher ist es auch zumindest nicht auszuschließen und in bestimmten Foren sogar oft der Fall, dass sich Laien mit unzureichenden oder fragwürdigen Grammatikkenntnissen an den thematischen Threads beteiligen und lediglich vorgeben, kompetente Ansprechpartner zu sein. Im Ergebnis führt das u.U. zu thematischen Verschiebungen, die mitunter auch den Charakter von Unsinnsdiskussionen annehmen können.

      Wir illustrieren die Verwendung entsprechender stilistischer Handlungsmuster exemplarisch an Ausschnitten aus zwei Threads in verschiedenen Foren. Ausgangspunkt ist jeweils ein grammatisches Problem eines Ratsuchenden, der im Forum um eine Lösung bittet und damit die Mitglieder des Forums als Fachleute anerkennt. Deren Antworten zeigen, dass sie sich selbst die Kompetenz zuschreiben, die gestellte Frage adäquat zu beantworten.

      4.2 Beleidigen

      Kommt es in solchen Threads zu Diskussionen über eine vermeintlich richtige oder falsche Antwort, werden häufig über Handlungen, die dem eigentlichen Gestalten (der Problemlösung) dienen, hinaus Bewertungshandlungen wie Loben oder Kritisieren vollzogen und es zeigen sich Verstöße gegen die Kommunikationsmaximen, wenn z.B. Beleidigungen ausgesprochen werden und die Redaktion sich unter Umständen zu Zensureingriffen veranlasst sieht. In dem Thread „der/die Autobahn“ im Forum deutschboard.de ist eine falsche Antwort der Anlass dafür, dass die beteiligten Akteure von der Inhaltsebene auf die Beziehungsebene wechseln und dass begründet erscheinende Kritik um Handlungen des Beleidigens erweitert wird. Ausgangspunkt ist folgende Frage: „[…] Es ist ‚die Autobahn‘. Aber in dem Satz ‚wir sind auf der Autobahn gefahren‘ wird aus die Autobahn der Autobahn. […]“. Auslöser der angedeuteten Kontroverse ist die Antwort des Mitglieds „Gast11022013“:

       (38) […] Ja, der bestimmte Artikel von „Autobahn“ ist „die“, Autobahn ist also feminin. Wenn Du ein Substantiv (hier: Autobahn) jedoch in einen Satz einbaust, musst Du den Artikel je nach Fall und Kontext anpassen. In Deinem Satz („Wir fahren auf der Autobahn.“) ist „Autobahn“ was für ein Objekt? Antwort: Akkusativobjekt [Frage: Wen oder Was? Auf wen oder was fahren wir?] Hier sind nun im inhaltlichen Kontext zwei Möglichkeiten, um auf diese Frage zu antworten: 1.) Wir fahren auf die Autobahn. 2.) Wir fahren auf der Autobahn. Im Fall 1.) bedeutet das inhaltlich, dass wir uns noch nicht auf der Autobahn befinden und gerade auf sie herauffahren. Im Fall 2.) bedeutet der Satz inhaltlich, dass wir schon auf der Autobahn sind und auf ihr fahren. Die Problematik ist hier also, dass „Autobahn“ als Akkusativobjekt inhaltlich zwei Formen zulässt. […].

      Forumsmitglied „Dummdödel“ ist offensichtlich so über diese Antwort verärgert, dass er das Mitglied „Gast11022013“ persönlich angreift:

       (39) Zitat: Die Problematik ist hier also, dass „Autobahn“ als Akkusativobjekt inhaltlich zwei Formen zulässt.[…] Dennis, woher hast du deine Weisheiten? Es wären ja nicht nur „inhaltlich“ zwei Formen, wenn der Akkusativ „die“ und „der“ Autobahn zulässt.Zitat: In Deinem Satz („Wir fahren auf der Autobahn.“) ist „Autobahn“ was für ein Objekt? Antwort: Akkusativobjekt [Frage: Wen oder Was? Auf wen oder was fahren wir?] *zensiert*

      Nach einigen weiteren Beitragswechseln zeigt sich die Vermischung von Inhalts‑ und Beziehungsebene auch bei „Gast11022013“ besonders deutlich:

       (40) Bevor Du dieses Forum und mich beleidigst, solltest vielleicht DU erstmal nachdenken! Es handelt sich hier definitiv nicht um ein Dativobjekt, sondern um ein Akkusativobjekt. Also, Freundchen, sei ein bisschen vorsichtiger! Das Dativobjekt

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