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Denkkollektiv − „international vernetzte[ ] Akteure[ ] in Wissenschaft und künstlerischer Praxis“ (Boatin 2014: 11), „eine interessante kulturelle Formation“ (ebd.) − war es, die „Geisteswissenschaft auf der Basis einer wesentlich technischen Intelligenz neu zu bestimmen“ (Walter 1994: 2). Hier hatte man sich offensichtlich Interdisziplinarität zum Prinzip gemacht. So war Wilhelm Fucks, einer der beiden Autoren des hier untersuchten Aufsatzes, den Bense’schen Gedanken nahe stehend, zur Zeit der Publikation des Textes Dr.-Ing., ordentlicher Professor und Direktor des I. Physikalischen Instituts der TH Aachen und Direktor des Instituts für Plasmaphysik der Kernforschungsanlage Jülich. Josef Lauter war Dipl.-Ing. und wissenschaftlicher Assistent am I. Physikalischen Institut der TH Aachen. Fucks hat zu der Zeit bereits eine beträchtliche Zahl statistischer Analysen von literarischen Texten und Musikwerken vorgelegt. Das lag ganz im Interesse der Herausgeber des Bandes Mathematik und Dichtung, in dem der vorliegende Text erschienen ist. Die Autoren wollen traditionelle Vorgehensweisen nicht verwerfen, sondern die neuen Möglichkeiten zu objektiver, d.h. präziserer, konsequenterer und umfassenderer Textanalyse ins Blickfeld rücken.

      „In der offiziellen akademischen Literaturwissenschaft unseres Jahrhunderts führte insbesondere in Deutschland die dezidierte Abkehr von einem dichtungsinadäquaten Positivismus […] zu einer überspitzten Antithetik im Verhältnis zu den Naturwissenschaften, die auch den geisteswissenschaftlichen Charakter der Mathematik aus dem Blick verlieren ließ […]. Es geht hier nicht um eine Ablehnung der tradierten ideen- und formengeschichtlichen, stilkritischen und werkinterpretatorischen Betrachtungsweisen, deren Fruchtbarkeit und Notwendigkeit wir entschieden bejahen […] sondern um die Frage, ob noch andere Methoden der Textanalyse wissenschaftlich sinnvoll und für die bessere Sicherung und präzisere Formulierung wenigstens partieller Resultate der älteren Methoden nutzbar sind.“ (Kreuzer 1965: 10)

      6.3 Pragmalinguistik: Der Text als kommunikative Einheit

      Der strukturalistische Zweig der Sprachwissenschaft erhielt in den 1960er/1970er Jahren Konkurrenz durch eine pragmatische Richtung. Der Blick auf die Texte änderte sich. Aus Sicht der Pragmatik lag es nahe, den Text als das Mittel sprachlicher Kommunikation schlechthin zum Gegenstand der Forschung zu machen – dies nicht mehr als isoliertes Phänomen, sondern aus der Perspektive des Handelns und Wissens unter pragmatischem Aspekt als offenes und interdisziplinär zu beschreibendes. Der Text wurde zwar nach wie vor sprachbezogen betrachtet − es ging eindeutig um den sprachlichen Text − aber Perspektiven wie Handlung und später auch Kognition spielten eine bestimmende Rolle. Sie brachten Außersprachliches in die Betrachtung ein. Mit der Disziplin ‚Textlinguistik‘ wurden neue Probleme aufgegriffen, etwa die, worin der Textcharakter eigentlich besteht und welche Schlüsse sich daraus für den Rezeptions- und Verstehensprozess ergeben. Die zwei anfänglichen Forschungsfelder der Textlinguistik – Textualität und Texttypologie − wurden im Laufe der Entwicklung im Kontext von Kognitionslinguistik und Kommunikationswissenschaft um entscheidende Bereiche ergänzt, nämlich um die Prozesse des kommunikativ/sozial bestimmten Handelns mit Texten. In dem Zusammenhang entwickelte sich ein neues Konzept von Stilistik, nämlich das einer Textstilistik. Stil wird in dieser Zeit aus vielerlei Perspektiven als ein deutlich textbezogenes Phänomen betrachtet, so in den Funktionalstilistiken von Riesel/Schendels (1975) und Fleischer/Michel (1975), später auch in der Textlinguistik von Heinemann/Viehweger (1991). Dezidiert und theoretisch begründet wird die Textbezogenheit dann zu einem Kernstück pragmatischer Stilbetrachtung, zu der alles gezählt werden soll, was mit Gebrauch und Bedeutungsvermittlung von Stil in Verbindung zu bringen ist (Sandig 1978; 1986). 2006 legt Sandig dann sogar eine eigene Textstilistik des Deutschen vor, die das aktuelle Wissen über Text und Stil vereint und zeigt, dass beides nicht zu trennen ist: „Stil ist Bestandteil von Texten, er ist die Art, wie Texte zu bestimmten kommunikativen Zwecken gestaltet sind“ (Sandig 2006: 3).

      Zwei Grundgedanken prägen die pragmatische Stilistik: Der erste Gedanke besteht darin, Stil in Anknüpfung an die Sprechakttheorie als intentionale Handlung zu betrachten. Stile werden als die Arten von Formulierungen bestimmt, die Sender Adressaten gegenüber intentional gebrauchen. Dieser Gedanke bezieht sich auch schon auf den zweiten grundlegenden Gedanken, nämlich den, dass Stil Bedeutung trägt − eine über das Wie, die Form, vermittelte Sekundärinformation vorrangig sozialer Art. Das heißt, Stil interessiert nicht als individuelle Ausprägung, sondern als Vermittler von sozialer Bedeutung. Stil, also die Oberfläche des Textes, ermöglicht die „sozial relevante Art der Handlungsdurchführung“ (ebd.: 9).

      „Stile sind variierende Sprachverwendungen und Textgestaltungen, denen relativ zu bestimmten Verwendungszwecken und Verwendungssituationen von den Beteiligten bestimmte sozial und kommunikativ relevante Bedeutungen zugeschrieben werden können […].“ (Sandig 2006: 2)

      Ob gewollt oder nicht, man vermittelt durch den Stil seiner Äußerungen zusätzlich zum ‚Primärsinn‘, der Sachinformation, einen ‚Zweitsinn‘, d.h. eine über die Form transportierte Information darüber, wie man sich selbst sieht, wie man von anderen gesehen werden möchte und wie die Beziehung zum Empfänger der Nachricht gestaltet werden soll. Diese Funktionen sind in Kommunikationsbereichen besonders ausgeprägt, in denen soziale Rollen einen hohen Stellenwert haben. Sandig (ebd.: 16) hebt daher die Bedeutung hervor, die Sprachstil für die Aufrechterhaltung bzw. Veränderung der sozialen Ordnung haben kann. Dies gilt aus ihrer Sicht ausnahmslos für alle Texte, so dass jeder Art von Text Stil zugesprochen wird. Als erste Stilauffassung überhaupt legt die pragmatische Stilistik ihren Schwerpunkt auf Sachtexte.

      Das Denkkollektiv Sandigs ist eine lose Gruppe von Vertretern der pragmatischen und funktionalen Stilistik sowie der Gesprächsstilistik. TextlinguistInnen, ÜbersetzungswissenschaftlerInnen, MediävistInnen gehören ebenfalls dazu. Es sind Kolleginnen und Kollegen, die sich schon lange kennen, die ein gemeinsames Interesse und Netzwerk haben und bei Tagungen sowie beim Herausgeben gemeinsamer Sammelbände in engeren Kontakt treten. Der Sammelband, aus dem der hier untersuchte Aufsatz stammt, ist die Dokumentation eines Kolloquiums zum 60. Geburtstag von Barbara Sandig.

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