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(s.o.); Gebrauch deverbaler Substantive, z.B. der Derivate auf -ung; alle Mittel der syntaktischen Verdichtung, z.B. durch komplizierte, in sich gestaffelte Satzverbindungen (Perioden)

       Unpersönlichkeit (alle Mittel, die geeignet sind, die Nennung des Textproduzenten zu vermeiden, s.o. Objektivität, Sachlichkeit):Mittel des Unpersönlichen; Verzicht auf die mögliche Anrede der adressierten Personen: Der Leser wird sich fragen, es wird darauf hingewiesen, Gegenargumente lassen sich entkräften …

      6 Charakterisierung der Denkkollektive und Denkstile

      Die drei im folgenden Kapitel behandelten Texte, deren jeweiliges Umfeld nun beschrieben wird, sind zum einen nach ihrem Repräsentanzcharakter als typische Texte ausgewählt worden und zum anderen danach, dass sie Stilanalysen vorstellen. Das heißt, ihr Vorgehen hat inhaltlich etwas Gemeinsames und ist daher vergleichbar. Was an dieser Stelle ermittelt werden soll, entspricht der transtextuellen Ebene und der Akteursebene der Diskurslinguistik (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011: 201).

      6.1 Neoidealismus: Immanente Werkanalyse und Stilistik

      Das neoidealistische Denkkollektiv, um das es als erstes geht, stellt im Fleck’schen Sinne ein lockeres Miteinander dar. Es gibt keine räumliche bzw. institutionelle Zusammengehörigkeit und keine gemeinsamen Projekte, sehr wohl aber ein von allen geteiltes Interesse. Der Kontakt wird vor allem durch Korrespondenz hergestellt und aufrechterhalten. Im Zentrum steht in diesem Beitrag Leo Spitzer (1887–1960), der Autor des Aufsatzes Matthias Claudius’ Abendlied. Neben ihm sind zu nennen Oskar Walzel, Karl Vossler und auch Benedetto Croce. Walzel, Vossler und Spitzer übten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor allem zu dessen Beginn, heftige Kritik an der positivistisch orientierten Literaturwissenschaft, die sich von der Textarbeit gelöst hatte. Dazu sagt Jauß mit Blick auf die Paradigmenwechsel in der Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts:

      „Ich komme zum dritten großen Paradigma der Literaturwissenschaft […], das im Heraufkommen und im Siegeszug der Stilistik zu Beginn unseres Jahrhunderts zu sehen ist. Ein Hauptimpuls dieses Paradigmenwechsels war zweifellos das wachsende Ungenügen an der positivistischen Askese, das literarische Kunstwerk allein aus der Summe seiner historischen Bedingungen zu erklären.“ (Jauß 1968: 49)

      Außerdem geht es den Autoren dieser Richtung um die Kritik am sprachwissenschaftlichen („metaphysischen“) Positivismus. Wie Vossler entwirft auch Spitzer eine Gegenvorstellung.

      „Der Protestcharakter der neuen Methodik ist charakterisierbar durch ihre herausfordernde Prämisse, daß die historische Erklärung eines Werkes nicht mehr, sondern weniger beibringen könne, als aus dem Werk selbst, als einem Ausdruckssystem von Sprache, Stil und Komposition zu erkennen sei. Diese Methode ist in Deutschland im Gefolge der sogenannten idealistischen Neuphilologie ausgebildet worden, in der Romanistik am eindrucksvollsten von Leo SPITZER […] Dasselbe Paradigma liegt aber auch der Methode Oskar WALZELs (‚Gehalt und Gestalt‘) zugrunde, die einen Ausgangspunkt der nach dem ersten Weltkrieg aufblühenden werkimmanenten Betrachtung der Literatur (des ‚Wortkunstwerks‘) in der Germanistik bildete.“ (Jauß 1968: 49; Hervorhebungen im Orig.)

      Spitzer lehnt allerdings − übereinstimmend mit Vossler − den Positivismus nicht völlig ab, sondern kritisiert ihn nur dort, wo er als „metaphysischer Positivismus“ verstanden wird, wo der Forscher sein Ziel in den Dingen selbst und nicht im Finden eines Kausalitätsprinzips sieht. Positivismus als Methode hingegen wird von Spitzer explizit als Bestandteil seiner Position betrachtet. Er nennt seine Auffassung „positiven Idealismus“ oder „idealistischen Positivismus“. Das intuitive Vorgehen, die werkimmanente Sprachbetrachtung, gilt als die eigentliche Methode der Sprachwissenschaft. In ihr geht es um den ganzen Text, freilich nicht um dessen Texthaftigkeit, sondern um das Herausfinden der dichterischen ,Botschaft‘, die man aus den Elementen der Struktur des Textes in ihrer gegenseitigen Bedingtheit ermittelt. Das vom Autor Gemeinte/Gefühlte bzw. das, was der Text (,eigentlich‘) sagen will/soll/kann, soll herausgefunden werden. Das bedeutet, alle Elemente des Textes in ihrem Zusammenwirken analytisch zu erfassen und sich auf dem Weg über das Wahrnehmen der Form in einen Text erlebnishaft einzufühlen. Ein Ziel, auf das in vielen Fällen in der Personalunion von Literatur- und Sprachwissenschaft hingearbeitet wurde. Gemeinhin der Literaturwissenschaft zugeordnet, kann Spitzer genauso berechtigt als Vertreter sprachwissenschaftlichen Vorgehens gelten.

      „Da auch nach Spitzer die Sprachschöpfung vornehmlich in der Dichtung in Erscheinung tritt, plädiert er wie Vossler für eine Annäherung von Sprach- und Literaturwissenschaft in der Stilistik, der nunmehr die sprachwissenschaftliche Untersuchung von literarischen Texten als vornehmliche Aufgabe angetragen wird.“ (Aschenberg 1984: 113)

      Da Spitzer beide Disziplinen vereinigen will, kann das, was er zur Arbeit am Text sagt, auch zur Tradition der Sprachwissenschaft gerechnet werden. Es geht ihm darum,

      „die Sprache der Dichter in ihren Kunstabsichten zu erfassen, zu charakterisieren und auf das Seelische, das die Dichter sprachlich ausdrücken, zurückzuführen, – denn diese dreifache Aufgabe muss doch wohl der kunstbeflissene Linguist lösen“ (Spitzer 1961: 4).

      Spitzers Vorgehensweise besteht darin, durch intuitive, hermeneutische Analyse, durch das „enge Anschmiegen an das sprachliche Detail […] mit methodischem Ernst dem Ausdruckssinn und der „Spiegelung von Seelischem in Sprachlichem“ (ebd.: 501) auf die Spur zu kommen. Die Auffassung, man könne durch die werkimmanente Interpretation ein Kunstwerk adäquat verstehen, und es sei auf diesem Wege die Intention des Autors herauszufinden, ist immer wieder kritisiert worden − u.a. deshalb, weil das Verstehen des Lesers nicht durch die Lektüreeindrücke allein, sondern immer auch durch seine eigene historische, soziale, kulturelle Situation geprägt ist.

      6.2 Strukturalismus: Der Text als strukturelle Einheit

      Der Gegenstand ‚Text‘, der den Strukturalisten als geschlossenes System gilt, wird von ihnen strukturalistisch, d.h. hermetisch betrachtet. Das Interesse der Forscher ist nach innen gerichtet, auf die Struktur des zu untersuchenden Textganzen. Sie fragen danach, wie ein Text in seinen inneren Zusammenhängen möglichst exakt und umfassend beschrieben werden kann. Die Handelnden mit ihren Gegebenheiten werden dagegen nicht einbezogen. Das heißt, der Gegenstand ist zunächst durch diesen Textbezug innersprachlich festgelegt, auch wenn es viele Kooperationen mit anderen Disziplinen gegeben hat. Diese waren aber ebenfalls immer darauf gerichtet, die innere Struktur von Texten zu erfassen. Dies sollte möglichst genau auf dem neuesten Stand ,exakter Wissenschaften‘ geschehen. Diesem Ziel galt die Zusammenarbeit mit Vertretern der Literaturwissenschaft und Musikwissenschaft sowie die Kooperation mit Mathematikern, Kybernetikern und Vertretern der Ingenieurwissenschaften, programmatisch angesprochen in dem 1965 erschienenen, berühmt gewordenen Sammelband Mathematik und Dichtung und, ebenfalls programmatisch gedacht, mit der Gründung der Zeitschrift Literaturwissenschaft und Linguistik im Jahr 1971. Man sieht: Werkimmanente Interpretation und Strukturalismus haben das Absehen von außertextlichen Bezügen gemeinsam. Ihr Ziel ist jedoch verschieden: Der Vertreter der werkimmanenten Methode will sich, so im Fall Spitzers, das Werk durch Hineinversetzen in den Autor erschließen. Die strukturalistische Herangehensweise besteht darin, die von sich aus arbiträren Zeichen eines Textes auf einer Zweitebene zu decodieren, indem Strukturen und Bezüge eines Textes, durch die sie sich gegenseitig einen Sinn zuweisen, in regelgeleiteter und konsequenter Vorgehensweise aufgedeckt werden. Auf diesem Wege soll die textinterne Sinnhaftigkeit ermittelt werden, die sich, so die Auffassung, allein aus dem Bezug der Zeichen des jeweiligen Textes untereinander ergibt. Ein mathematisch-statistischer Zugang kann da gerade recht sein. Der Ansatz beruht auf dem relationalen Zeichenmodell de Saussures. Seine Unterscheidung zwischen der Form- und der Inhaltsseite der sprachlichen Zeichen und die von ihm als arbiträr erkannte Verbindung zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem bringt es mit sich, dass die Bedeutung eines Zeichens aus seiner Situation innerhalb der Strukturbeziehungen des Textes erschlossen werden kann und muss. In der Sprachwissenschaft ist der strukturalistische Ansatz auch von Vertretern verschiedener

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