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Deshalb konnte ich dich auch nicht abholen, Liebling. Dafür stehen wir dir aber das ganze Wochenende zur Verfügung.”

      „Fabelhaft”, sagte Yvonne betont lustlos.

      „Unser Plan sieht folgendermaßen aus”, sagte Frau Holzer und ging hinter die kleine Hausbar, „zuerst …”

      Sie unterbrach sich.

      „Sieh mal, wer da kommt! Fein, daß du schon da bist, Harry! Ich bin gerade dabei, unserer Kleinen zu erklären … nimmst du auch einen Gin tonic vor dem Essen?”

      Yvonne lief auf ihren Vater zu, einen schweren Mann mit hartem Kinn und freundlichen Augen. Er nahm sie zärtlich in die Arme und rief zu seiner Frau hinüber: „Ja bitte, Ina, viel Gin und wenig Tonic, ich kann es brauchen.”

      Er zog die Hand seiner Tochter unter seinen Arm und führte Yvonne zur eleganten Hausbar.

      Er schwang sich, ohne Yvonne loszulassen, auf einen der hohen Hocker. „Und was habt ihr beiden Schönes vor?”

      „Aber das weißt du doch, Harry!” Frau Holzer reichte Yvonne ein Glas. „Zuerst gehen wir zum Friseur, dann holen wir dich hier ab, nehmen einen Cocktail im Bayerischen Hof, essen anschließend bei Humplmayr und besuchen danach die Oper …”

      „Na, wunderbar”, sagte Herr Holzer und leerte das vor ihm stehende Glas mit einem Zug. „Höchste Zeit, daß wir wieder etwas für unsere Bildung tun.”

      „Es wird, Othello’ gegeben”, erklärte seine Frau, „sag mal, Süße, was machst du denn für ein Gesicht? Freust du dich etwa nicht?”

      „Oh doch”, sagte Yvonne bitterböse, „ich bin außer mir vor Vergnügen.”

      „Klingt aber gar nicht so”, bemerkte ihr Vater mit einem Seitenblick.

      „Was erwartet ihr denn?” Wütend drückte Yvonne ihre Zigarette aus. „Daß ich vor Freude einen Luftsprung mache, weil ihr so großzügig über meine Zeit verfügt?”

      „Siehst du, Harry, ich habe dir doch gesagt, das wird für die Kleine zu viel werden”, behauptete ihre Mutter, „dann schlage ich etwas ganz anderes vor: Wir bleiben alle drei zu Hause und machen uns einen gemütlichen Tag!”

      „Einverstanden”, erklärte Herr Holzer erleichtert.

      Yvonne sah ihre Eltern an und begriff, daß sie nur die Wahl hatte, mit ihnen auszugehen oder mit ihnen zu Hause zu bleiben. „Ich bin ein bißchen nervös”, sagte sie seufzend, „entschuldigt, bitte, natürlich gehe ich gerne mit euch aus. Darf ich mein Cocktailkleid anziehen?”

      „Aber natürlich, Liebling!”

      Cilly erschien auf der Schwelle des Eßzimmers und vermerkte, daß serviert sei.

      „Endlich! Herrje, habe ich einen Hunger!” rief Yvonne und stürmte davon.

      Ihre Eltern folgten ihr und warfen sich einen zufriedenen Blick zu; sie ahnten nicht, daß Yvonne weit weniger harmlose Gefühle bewegten als Hunger.

      6.

      Als Yvonne mit ihren Eltern nach mehreren Cocktails und einer ausgiebigen Schlemmermahlzeit beschwingt und gutgelaunt wie schon lange nicht mehr in die Oper fuhr, war sie der Verwirklichung ihrer heimlichen Wünsche näher als je zuvor.

      Während der großen Pause genoß sie im Foyer der Oper die bewundernden Blicke der Männer und plapperte aufgekratzt mit ihren Eltern. Und dann entdeckte sie in der Besuchermenge ihre schokoladenbraune Klassenkameradin Babsy.

      Sie drängte sich vor, um sie zu begrüßen.

      Babsy sah reizend aus in einem leuchtend roten Kleid aus Seidenkrepp: ihre großen schwarzen Augen strahlten, als sie Yvonne begrüßte.

      „Ist er nicht wundervoll, mein Daddy?” fragte sie ihre Mitschülerin glücklich. „Er hat die schönste Stimme auf dem ganzen Kontinent!”

      „Ja, stellt euch vor”, rief Yvonne, „es war Babsys Vater, der den Othello singt. Ich bin auch restlos begeistert.”

      Sie hakte sich bei Babsy ein und steuerte zum Buffet. Beide blieben im gleichen Moment unvermittelt stehen.

      „Was ist denn nun schon wieder los?” fragte Herr Holzer, der mit seiner Frau dicht hinter ihnen ging, ärgerlich.

      „Da, seht doch … Tweedy!” flüsterte Yvonne ganz benommen.

      „Das ist Dr. Herbert Jung, unser Lehrer für Deutsch und Englisch”, erklärte Babsy, „der gutaussehende junge Mann da vorn an der Säule.”

      Jetzt hatte auch Dr. Jung seine beiden Schülerinnen bemerkt und verbeugte sich knapp in ihre Richtung. Zum erstenmal sahen sie ihn nicht in einem seiner geliebten sportlichen Anzüge, sondern in einem Smoking, und sie fanden, daß er darin noch besser aussah als sonst.

      Yvonne stieß ihre Freundin in die Seite. „Komm, begrüßen wir ihn!”

      „Aber das können wir doch nicht!” widersprach Babsy.

      „Warum denn nicht? Wenn du dich nicht traust, gehe ich auch allein!”

      Yvonne hatte Dr. Herbert Jung schon erreicht. „Das ist aber eine tolle Überraschung”, sagte sie und reichte ihm die Hand, „wer hätte geahnt, daß Sie ein Opernfan sind, Herr Doktor Jung!”

      Er lachte. „Ich muß zugeben, auch ich hätte Sie überall eher vermutet als in der Oper!”

      Yvonne schlug gespielt die Augen nieder. „Da sehen Sie, wie sehr Sie mich verkannt haben!”

      Dr. Jung begrüßte jetzt auch Babsy und machte ihr ein Kompliment für die Leistung ihres Vaters.

      Aber Yvonne hatte es eilig, sich wieder in den Mittelpunkt zu drängen. „Darf ich Sie mit meinen Eltern bekannt machen, Herr Doktor Jung?” fragte sie.

      Es war ihm nicht anzusehen, ob er diesen Vorschlag freudig oder aus purer Höflichkeit akzeptierte.

      Er stellte sein Glas ab und folgte Yvonne, die ihn durch das Gedränge zu ihren Eltern führte.

      Herr Holzer hatte inzwischen vier Gläser Sekt und für seine Frau einen Platz an einem der kleinen Tische erobert.

      Als Yvonne sie mit ihrem Lehrer bekannt machte, zeigten sich ihre Eltern von ihrer nettesten Seite. Herr Holzer drückte ihm gleich das Glas Sekt in die Hand, das eigentlich für Babsy bestimmt gewesen war.

      Dr. Herbert Jung reichte es Babsy. „Für Sie!” sagte er lächelnd. „Ich habe meinen Durst schon gestillt!” Sein herzlicher Blick tröstete Babsy über die Zurücksetzung rasch hinweg.

      „Aber Sie werden uns doch die Ehre nach der Oper geben, Herr Doktor?” dröhnte Herr Holzer.

      „O ja. Sie müssen uns begleiten!” rief Yvonne. „Gehen wir doch ins Blow up, das ist ein irrer Schuppen! Babsy, du kommst auch mit?”

      „Nett von dir, Yvonne”, sagte Babsy, „aber ich habe schon eine Verabredung mit meinem Vater.”

      „Ach so, das ist natürlich etwas anderes”, sagte Yvonne, keineswegs betrübt, „aber Sie werden uns begleiten, nicht wahr, Herr Doktor?”

      „Nicht ins Blow up, sondern in eine gemütliche Weinstube”, schlug Herr Holzer vor.

      „Nein, das kommt gar nicht in Frage!” protestierte Yvonne. „Eine Bar ist das mindeste, was ihr mir bieten müßt.”

      „Gut, gehen wir in den Night Club”, entschied ihre Mutter, „dort ist es etwas zivilisierter.”

      Dr. Herbert Jung sah keine Möglichkeit, sich dieser dreifachen massiven Aufforderung zu entziehen, ohne unhöflich zu erscheinen.

      „Mit Vergnügen”, sagte er also mit einer leichten Verbeugung.

      „Wunderbar!” rief Yvonne und warf Babsy einen triumphierenden Blick zu.

      Sie

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