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murmelte ein Gebet, während Elena dem Patienten eine Sauerstoffbrille anlegte.

      Milan Aydin hörte ihm kurz zu.

      »Das ist eine gute Idee«, zog er endlich seinen ganz eigenen Schluss. »Ihr Kollege wird Ihre Gebete brauchen können.«

      *

      Eine Melodie tanzte durch die Aussegnungshalle. Während er das Mobiltelefon aus der Tasche nestelte, warf Uwe Ruhland einen letzten Blick auf sein Werk, zupfte an einer Schleife, rückte eine Blüte gerade.

      »Ja, bitte?«

      Leise klickend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Schließlich wusste er, was sich gehörte. Die Luft kühlte sein erhitztes Gesicht. Er drückte den Apparat ans Ohr. Während er telefonierte, wanderte er vor dem Gebäude auf und ab.

      »Ach, Herr Dr. Hilpertz, ja, ja, natürlich erinnere ich mich an Ihren Auftrag … Selbstverständlich können Sie sich auf uns verlassen. Ja, morgen pünktlich um acht Uhr. Auf Wiederhören, Herr Doktor.« Uwe hatte kaum aufgelegt, als das Telefon erneut klingelte. Die Klinik? Nein, seine Tochter Annabel. »Bella, meine Süße«, begrüßte er sie. »Nein, tut mir leid. Ich habe noch keine Neuigkeiten. Aber ich melde mich, sobald ich etwas Neues weiß … ja, ich hab dich auch lieb, mein Schatz.« Er drückte auf die Taste mit dem roten Hörer. Ein kleines Lächeln tanzte um seine Lippen, als er sich endlich auf den Weg in die Klinik machte.

      Seine einzige Tochter war sein ganzer Stolz. Besonders, seit sie ihren Sinn für Gerechtigkeit zu ihrem Beruf erkoren hatte. Eine gute Wahl, wie sich inzwischen herausgestellt hatte. Nach ihrem Studium hatte Annabel eine Stelle in einer angesehenen Berliner Kanzlei ergattert und bastelte mit Feuereifer an ihrer Karriere. Sehr zum Missfallen ihrer Mutter Inga. Die Enttäuschung darüber, dass Annabel diesen Weg eingeschlagen hatte, statt sich für Natur und Umwelt und die Gärtnerei zu interessieren, wog noch immer schwer. Seitdem war das ohnehin schlechte Verhältnis zwischen Mutter und Tochter noch weiter abgekühlt. Selbst Uwes Vermittlungsversuche waren gescheitert. Umso dankbarer war er, dass sie zumindest in dieser Situation Anteil nahm.

      Gestärkt von dieser Unterstützung eilte er über die Klinikflure.

      Schwester Astrid erkannte ihn schon von Weitem an den Pflastern im Gesicht.

      »Hallo, Herr Ruhland.« Sie stoppte den Wäschewagen.

      »Können Sie mir sagen, wo meine Frau ist?«, bat Uwe und drehte den mitgebrachten Zweig in der Hand.

      Irene sah sich um. Ihre Freundin Josepha stand hinter dem Tresen und tuschelte mit einer Kollegin. Astrid konnte sich denken, worum es ging. Nicht umsonst wurden sie und Josepha nur ›die Lästerschwestern‹ genannt. Kaum ein Geheimnis blieb ihnen verborgen. Kaum ein Gerücht, das sie nicht fleißig weitertrugen, bis auch noch der letzte Angestellte der Klinik wusste, dass Milan Aydin heftig mit der verlassenen Schwester Elena flirtete. Doch auch dieses Vergnügen hatte seine Grenzen. Wenn Astrid und Josepha ihren gut bezahlten Job in der Privatklinik Dr. Behnisch nicht verlieren wollten, durften sie es nicht übertreiben.

      »Inga Ruhland«, rief Astrid ihrer Freundin zu. »Patientin von Dr. Petzold.«

      »Ich frage mal nach.« Josepha griff nach dem Hörer.

      Astrid wandte sich wieder dem Ehemann zu.

      »Konnten Sie Ihre Arbeit beenden?«

      Uwe nickte.

      »Zum Glück haben wir noch einen privaten Wagen. Damit habe ich die restlichen Kränze zum Friedhof gebracht. Jetzt steht einer stimmungsvollen Feier nichts mehr im Wege.« Er drehte einen Zweig in den Händen.

      Astrid betrachtete ihn verwundert.

      »Dass die jetzt schon blühen …«

      Uwe sah hinab auf die gelben Sterne und lächelte.

      »Inga hat die Angewohnheit, im Winter immer alle möglichen Zweige zu schneiden und in Vasen zum Blühen zu bringen. So geht bei uns der Sommer nie zu Ende.«

      »Ein schöner Gedanke. Vielleicht sollte ich das auch mal ausprobieren.«

      »Tun Sie das.« Uwes Blick fiel auf Josepha. Sie hatte gerade aufgelegt.

      »Ihre Frau ist immer noch im Operationssaal.«

      »Was denn? Immer noch?« Uwe sah auf die Uhr. »Aber ich war mehr als drei Stunden weg.«

      »Sie hat viele schwere Verletzungen, die versorgt werden müssen«, beeilte sich Astrid zu versichern. »OP-Zeiten von sechs, sieben Stunden sind bei Polytraumata keine Seltenheit«

      »Oh, ja, na ja, wenn Sie das sagen­ …« Uwe betrachtete den Zweig in seinen Händen.

      »Wollen Sie trotzdem warten?«

      »Natürlich. Der Aufenthaltsraum, ich weiß.« Er lächelte Astrid zu und machte sich auf den Weg.

      Unterwegs zog er das Handy aus der Tasche. Wählte die Nummer seiner Tochter. Normalerweise telefonierten sie nur ein, zwei Mal pro Woche. Doch in diesen schweren Stunden wollte er nicht allein sein.

      *

      »Das sieht hier aus wie ein Schlachtfeld«, seufzte Dr. Sophie Petzold und wandte den Kopf. »Schweiß!«

      »Wir kommen um eine Mittellappenresektion nicht herum«, bestätigte Dr. Norden diesen Eindruck. Die weißen Latexhandschuhe waren rot von Blut. Zum wohl hundertsten Mal an diesem Nachmittag sah er hinüber zu Dr. Räther. »Wie geht’s ihr?«

      »Die Sauerstoffsättigung ist etwas gestiegen. Könnte aber immer noch besser sein.«

      »Ich arbeite daran«, versprach Daniel und beugte sich wieder über das Operationsfeld.

      Die Minuten zerrannen ihm zwischen den Fingern und wurden zu Stunden. Trotzdem hatte er das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Es war wie verhext. Kaum war ein Problem behoben, tauchte schon das nächste auf. Plötzlich verschwanden die Instrumente in einem roten See.

      »Was ist das? Saugen!«, bellte er. »Eine erneute Blutung. Wo kommt die denn jetzt auf einmal her?« Er griff nach der Lampe. Drehte sie hin und her. »Ich kann es nicht erkennen.«

      »Ich aber!«, rief Dr. Petzold. »Ich übernehme. Klemme! Saugen!«

      Ein Alarm piepte. Ausgerechnet jetzt!

      »Der Druck fällt«, warnte Dr. Räther.

      »Noch eine Klemme!«, verlangte Sophie.

      Wie immer, wenn Daniel Norden aufgeregt war, holte er Luft und zählte bis drei. Manchmal auch bis sechs. Diesmal hörte er bei zehn auf, ohne dass sich sein aufgeregtes Herz beruhigen wollte.

      »Vier Konserven nachkreuzen!« Er musste die Stimme heben, um den Geräuschteppich zu übertönen.

      Eine Weile arbeitete das Operationsteam verbissen vor sich hin.

      »Gut, ich hab’s« stöhnte Sophie Petzold endlich. »Ligatur!« Sie nahm das Instrument, das ihr die Schwester reichte. Es fühlte sich ­angenehm kühl an. Beruhigend. »Nochmal saugen!«

      Die allgemeine Anspannung löste sich ein wenig.

      »Das ist gerade nochmal gut gegangen.« Daniel blinzelte. Nach Stunden angestrengten Schauens ließen ihn seine Augen allmählich im Stich.

      Sophie bemerkte es.

      »Ich denke, jetzt schaffen wir es auch ohne dich.«

      In ihre Worte hinein klingelte das Telefon. Ramona Räther nahm das Gespräch an.

      »Der Ehemann lässt fragen, wie lange es noch dauert. Er wartet vor dem OP.«

      »Thorax schließen. Schädel. Leber«, zählte Daniel die Arbeiten auf, die noch gemacht werden mussten. »Und dann ist da noch die Oberschenkelfraktur.«

      »Die würde ich verschieben. Auch ohne sind wir hier noch zwei bis drei Stunden beschäftigt«, tat Sophie ihre Meinung kund.

      »Gut.« Daniel Norden trat vom Operationstisch zurück und nickte den Kollegen

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