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den weißen Schaum aus dem Gesicht gekratzt hatte.

      »Was verschafft mir die Ehre?« Aydin rutschte von der Lehne auf die Sitzfläche zurück und rollte hinüber zum Chef. Sein Blick blieb an dem Papier in Dr. Nordens Händen hängen. Sofort dachte er an Bruder Pirmin und die Frist. »Die 24 Stunden sind noch nicht um.«

      »Das hier ist auch nicht Ihre Kündigung.« Ein Lächeln zuckte in Daniels Mundwinkel. »Sondern die Telefonnummer von Dr. Martin Sassen. Anwalt und ein guter Freund von mir.« Er reichte Aydin das Blatt, auf dem er Martins Anschrift und Telefonnummer notiert hatte. »Er erwartet Ihren Anruf und hat mir überdies versprochen, Ihnen mit dem Honorar entgegenzukommen.«

      »Vielen Dank.« Das Papier zitterte leise in Milans Händen. »Was verschafft mir die Ehre?«

      »Danken Sie meiner Frau.« Der Gedanke an Fee genügte, um Daniels Augen leuchten zu lassen. »Ich habe Felicitas gestern von Ihrem Fall erzählt. Sie bat mich, mit Martin zu sprechen. Ich habe ihr diesen Wunsch erfüllt, weil mir das Wohl meiner Mitarbeiter am Herzen liegt.«

      »Nur sorgenfreie Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter«, scherzte Milan.

      »Und sorgenfreie Chefs gute Chefs.« Dr. Norden erwiderte sein Lächeln. »Deshalb müssen Sie mir im Gegenzug versprechen, auch noch diese Versicherungsmaklerin anzurufen.« Er tippte auf den zweiten Namen auf dem Blatt. »Sie ist auf hoffnungslose Fälle wie den Ihren spezialisiert.«

      Milan lachte. »Wenn ich dann heute noch herausfinde, was Bruder Pirmin fehlt, bin ich gerettet.«

      Fünf Minuten später machte er sich Seite an Seite mit Dr. Norden an die Arbeit.

      »Welche Erkenntnisse haben Sie bisher gesammelt?«, erkundigte sich Daniel und grüßte ein paar Ärzte, die ihnen, in ein angeregtes Gespräch vertieft, auf dem Flur entgegenkamen.

      »Die Hände waren rot und geschwollen. Es könnte sich um eine Zellentzündung handeln.«

      »Ich habe mir die Blutwerte noch einmal genau angesehen. Es gibt keinen Hinweis auf eine Infektion.«

      »So ein Zufall. Ich habe heute Nacht auch über den Werten gebrütet und festgestellt, dass die Eosinophilien geringfügig erhöht sind. Möglich, dass wir es doch mit einer Allergie zu tun haben.«

      Ein Klinikbett stand auf dem Flur. Dr. Norden machte Halt, um Milan im Rollstuhl die Vorfahrt zu lassen. Mit wenigen Schritten holte er ihn wieder ein.

      »Ausgeschlossen. Eine Allergie ist niemals für einen Herzstillstand verantwortlich.«

      »Wie wäre es dann mit dem Churg-Strauss-Syndrom?«, machte Milan einen weiteren Vorschlag. »Die Blutgefäße des Herzens, der Lunge und der Haut entzünden sich und verursachen Asthma, Haut- und Herzprobleme. Das passt zu allen Symptomen.«

      Dr. Norden staunte nicht schlecht. »Alle Achtung. Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«

      »Was sollte ich auch sonst nachts allein in einem engen Stockbett machen, wo mich keine schöne Frau auf andere Gedanken bringen darf.«

      »Wie wäre es mit schlafen?« Daniel lachte ein bisschen zu laut.

      Bevor Milan Aydin eine anzügliche Bemerkung machen konnte, blieb Dr. Norden am Aufzug stehen. Hier trennten sich ihre Wege.

      »Bleiben Sie dran und halten Sie mich auf dem Laufenden!«, nahm er Milan ein Versprechen ab, ehe sich die silberfarbenen Türen leise surrend vor ihm schlossen.

      *

      »Du wirst sehen. Alles wird wieder gut. Ich mache es gut für dich.« Uwe Ruhland saß am Bett seiner Frau. Um dem nervtötenden Piepen und Tuten nach einer durchwachten Nacht zu entgehen, hatte er angefangen zu reden. »Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, dass die alte Rostlaube jetzt Schrott ist. Dann können wir endlich den schicken Pick-up kaufen, den du schon so lange im Auge hast. So gut, wie die Gärtnerei jetzt läuft, ist das gar kein Problem. Weißt du schon, in welcher Farbe du ihn haben willst? Ich finde ja dieses dunkle Rot ganz schick. Aber in Anthrazit ist er auch gut. Was meinst du?«

      Annabel saß in der Ecke und gähnte.

      »Papa, findest du nicht, dass du übertreibst? Da, wo Inga jetzt ist, hört sie dich bestimmt nicht.«

      Uwe fuhr herum.

      »Was macht dich da so sicher?«, fauchte er mit funkelndem Blick. »Fachleute haben mit Wachkomapatienten kommuniziert. Sie …«

      »Tut mir ja leid, wenn ich deine Illusionen zerstören muss. Aber die Versuche, die den Berichten zu Grunde liegen, waren fehlerhaft.« Annabel erhob sich. Reckte und streckte die schmerzenden Glieder und trat schließlich ans Bett ihrer Mutter. Kein Blinzeln, kein Zucken verriet, dass Inga etwas von dem mitbekam, was um sie herum passierte. »Komm, Papa. Lass uns irgendwo was frühstücken gehen. Ich habe gehört, dass es hier einen sensationellen Kiosk mit einem Café unter Palmen geben soll.«

      »Ich kann jetzt nicht weg hier. Was, wenn Inga aufwacht?«

      »Dann sind jede Menge Schwestern und Pfleger hier, die sich um sie kümmern. Komm schon!« Annabel nahm ihren Vater an der Hand und zog ihn mit sich. »Sie wird schon nicht gleich weglaufen.«

      Uwe lachte pflichtschuldig und gab schließlich seinen Widerstand auf. Legte den Arm um die Schultern seiner Tochter und schlenderte Arm in Arm mit ihr den Flur entlang.

      »Schön, dass du in diesen schweren Stunden für mich da bist.«

      »Aber das ist doch selbstverständlich«, erwiderte Annabel.

      »Mag sein. Trotzdem hätte ich nie von dir verlangt zu kommen. Es gab ja einen Grund, warum du so früh von zu Hause ausgezogen bist.«

      »Der Grund warst aber nicht du.«

      Uwe nickte langsam. Er war froh, dass Inga dieses Gespräch nicht mit anhörte.

      »Hättest du dasselbe für deine Mutter getan?« Er wusste selbst nicht, warum er in der Wunde bohrte, kannte er doch die Antwort.

      »Natürlich wäre ich gekommen. Wegen dir. Nicht wegen ihr. Nicht nach allem, was sie mir angetan hat.« Annabels Stimme hallte über den Flur.

      Zwei Patienten, die dort spazierengingen, drehten sich nach Vater und Tochter um.

      Uwe bemerkte die neugierigen Blicke nicht.

      »Schade, dass alles so kommen musste«, murmelte er.

      »Schade, dass ich nie die Tochter war, die Inga sich gewünscht hat. Sie ist selbst schuld.« Mehr konnte Annabel nicht dazu zu sagen.

      *

      »Ich habe mich mit einem der Pfleger hier unterhalten«, erzählte Bruder Pirmin auf dem Weg in die Radiologie.

      Eine Schwester schob seinen Rollstuhl. Milan Aydin fuhr neben ihm.

      Eigentlich hätte er sich freuen können. Endlich ein Patient, mit dem er sich auf Augenhöhe unterhalten konnte! Doch seine Sorgen dämpften jede Euphorie.

      »Welchen der zwanzig bis dreißig Pfleger, die hier arbeiten, meinen Sie? Luis oder Jakob, Sascha oder Nepomuk?«

      Pirmin lachte. »Meiner hieß Henri. Er arbeitet nebenbei als Diskjockey in einem Club. Als Ausgleich.«

      »Haben Sie sich ein Autogramm geben lassen? Vielleicht wird er ja mal berühmt.«

      »Als Diskjockey? Das wusste ich nicht.« Pirmin kratzte sich an der Hand. »Die Krankenschwester, die heute Morgen Blut abgenommen hat, war auch interessant. Sie hat Astrophysik studiert, bevor sie sich für einen anderen Weg entschieden hat.«

      Milan staunte nicht schlecht.

      »Alle Achtung. Noch ein paar Tage und Sie kennen das Personal besser als ich.«

      »Ich interessiere mich einfach für Menschen und ihre Schicksale.«

      »Dann wären Sie besser Psychologe oder Streetworker geworden. Warum ausgerechnet das Kloster?« Dr. Aydin lächelte der Ärztin zu, die am Eingang der Radiologie hinter einem Tresen saß. »Das

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