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zu Elena?«

      »Ich hab dich auch lieb!«, hallte Deniz’ Stimme durch den Flur.

      Gleich darauf fiel die Tür krachend ins Schloss.

      *

      »Regine, die Patientin auf der 24 klagt über Wundschmerzen. Bitte sehen Sie sich das mal an.« Wie ein Kapitän stand die Pflegedienstleitung hinter dem Tresen und dirigierte ihre Besatzung. »Und Astrid, wegen Ihrer Urlaubsplanung kommen Sie später bitte noch einmal zu mir. Darüber müssen wir uns noch einmal unterhalten.« Ein Geräusch ließ Elena aufhorchen. Es war nicht mehr als ein leises Stöhnen. Alarmierend klang es trotzdem. Sie sah sich um. Entdeckte die Frau, die sich an der Wand abstützte. Mit wenigen Schritten war sie bei ihr.

      »Ist Ihnen nicht gut?«

      »Ich weißt nicht. Mein Bauch … ich bin schwanger.«

      Elena dachte nicht lange nach.

      »Josepha, ich brauche einen Rollstuhl.« Ihre Stimme übertönte das Summen im Flur. »Und rufen Sie Dr. Gröding an. Das hier ist ein Fall für die Gynäkologie.«

      Ehe Rebecca es sich versah, saß sie in einem Rollstuhl und war auf dem Weg zum Frauenarzt.

      »Wie weit sind Sie denn?«, erkundigte sich Schwester Elena unterwegs. »Ich meine mit der Schwangerschaft.« Sie umrundete die Reinigungsfrau, die die Kehrmaschine über den Gang schob.

      »Keine Ahnung. Ich weiß es erst seit drei Tagen«, keuchte Rebecca und presste die Hand auf den Bauch. »Hoffentlich ist der Spaß nicht schon vorbei, bevor er richtig begonnen hat.«

      »Hin und wieder kommen solche Krämpfe in der Frühschwangerschaft vor.« Solange das Gegenteil nicht bewiesen war, agierte Elena nach dem Prinzip Hoffnung. »In den ersten Schwangerschaftsmonaten nistet sich nicht nur das Ei in der Gebärmutter ein. Auch die Plazenta bildet sich. Wie eine Pflanze durchdringen ihre wurzelähnlichen Zotten nach und nach die Gebärmutter. Für die Versorgung des heranwachsenden Kindes werden neue Blutgefäße gebraucht. All diese Prozesse gehen nicht immer spurlos an den werdenden Müttern vorüber.«

      Rebecca wäre es nicht aufgefallen, wenn Elena vom Wetter gesprochen hätte. Es war der Klang ihrer Stimme, der sie beruhigte. Und nicht nur das. Auch das Ziehen im Unterleib ließ nach. Doch ein Rest Zweifel blieb.

      »Hoffentlich haben Sie recht. Obwohl … vielleicht wäre es besser, wenn der Zwerg gar nicht erst zur Welt kommt.«

      Schwester Elena bugsierte den Rollstuhl um die Ecke.

      »Will der Vater das Kind nicht?«

      »Keine Ahnung. Der denkt im Augenblick nur an sich.« Rebecca zuckte mit den Schultern. »Moritz liegt seit gestern selbst hier in der Klinik und weiß nicht, wie es weitergehen soll.« Als ob das eine Ausnahmesituation wäre!

      Schon früh hatte Becky lernen müssen, dass das Leben kein Zuckerschlecken war. Nach dem Unfalltod der Eltern war sie bei ihren Großeltern aufgewachsen. Sie steckte noch mitten in der Ausbildung, als beide kurz nacheinander gestorben waren. Seitdem wusste sie, dass es immer irgendwie weiterging. Egal, wie ausweglos die Situation schien. Doch manchmal wuchsen selbst Rebecca die Sorgen über den Kopf. Manchmal brach es einfach aus ihr heraus. Wie in diesem Moment. »Außerdem sollte ich heute eigentlich seinen besten Freund heiraten. Aber ich kann die Wahrheit doch nicht einfach so verschweigen?«

      Sie waren vor Dr. Grödings Behandlungszimmer angekommen.

      Elena zögerte.

      »Klingt nach einem großen Durcheinander.«

      Wenn sich Rebeccas Bauch in diesem Moment nicht zusammengezogen hätte, hätte sie gelacht. So brachte sie nur ein Stöhnen zusammen.

      »Das sieht nach fiesen Schmerzen aus«, begrüßte sie der Gynäkologe.

      Gemeinsam mit Schwester Elena beförderte er seine Patientin auf die Untersuchungsliege.

      »Ich will wirklich nicht jammern. Aber ja, es tut schon echt weh.« Vorsichtig streckte Rebecca die Beine aus.

      Dr. Gröding setzte sich auf einen Hocker. Er schubste an und rollte an ihre Seite.

      »Bitte beschreiben Sie mir Ihre Beschwerden.«

      »Es fühlt sich an wie bei einer Blasenentzündung. Aber vielleicht hat die Schwester ja recht und es liegt wirklich nur an der Schwangerschaft.«

      Theo Gröding zog eine Augenbraue hoch.

      »Vierte bis fünfte Woche«, beantwortete Elena seine stumme Frage.

      »Außerdem habe ich so einen komischen Ausfluss«, fuhr Rebecca fort.

      »Probleme beim Wasserlassen?«

      »Meistens kommt nicht viel, obwohl ich das Gefühl habe, dass meine Blase randvoll ist.« Sie bedachte den Arzt mit einem fragenden Blick. »Kann das alles mit dem Baby zusammenhängen?«

      »Das glaube ich nicht.« Dr. Gröding streckte sich und zog das Ultraschallgerät zu sich. Ein spezieller Schallkopf erregte Rebeccas Aufmerksamkeit. Er bemerkte es. »Das, was Sie erzählen, klingt in meinen Ohren nach einem Harnröhrendivertikel.« Er schaltete das Gerät ein. »Darunter versteht man eine Aussackung in der Harnröhre, in der sich Urin ansammeln und sich entzünden kann.« Während er den Schallkopf führte, hing sein Blick am Bildschirm. »Denkbar wäre auch eine paraurethrale Zyste. Die bildet, im Gegensatz zum Divertikel, einen kleinen Hohlraum außerhalb der Harnröhre. Die Beschwerden sind ähnlich.«

      Rebecca schluckte.

      »Und was kann man dagegen tun?«

      »Da haben wir den Übeltäter.« Theo deutete auf eine Stelle auf dem Bildschirm. Er wiegte den Kopf. »Um eine Operation werden Sie nicht herumkommen.«

      Die grau-schwarze Landschaft auf dem Monitor verschwamm vor Rebeccas Augen. Theo Gröding bemerkte Elenas Blick.

      »Aber was viel wichtiger ist.« Er lenkte den Schallkopf auf eine andere Stelle. »Sehen Sie das hier?«

      Rebecca wischte sich über die Augen. Diesmal erkannte sie ganz genau, was der Arzt ihr zeigen wollte.

      »Das Herz«, hauchte sie beim Anblick der zuckenden Erbse. Es war das erste Mal, dass sie ihr Baby sah. In diesem Augenblick wusste sie, dass sie es nicht mehr hergeben würde. Das hier war der Beweis: Das Leben ging weiter, egal, was passierte.

      *

      Zwanzig Minuten später schloss Elena die Bürotür hinter sich und lehnte sich gegen das Türblatt. Erst jetzt und hier, sicher vor den neugierigen Blicken ihrer Kollegen, konnte sie die Maske endlich fallen lassen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen. Stand einfach nur da und versuchte, an nichts und niemanden zu denken. Was für eine Wohltat! Am liebsten hätte sie den Rest des Arbeitstages so verbracht. Zu dumm, dass sich die Akten und Unterlagen auf ihrem Schreibtisch stapelten. Deshalb rief sie sich selbst zur Ordnung. Nahm die Hände vom Gesicht. Öffnete die Augen. Und stieß einen Schrei aus.

      Deniz warf die Locken in den Nacken und lachte.

      »Ich liebe es, Frauen zum Schreien zu bringen. Wenn auch in anderen Situationen.«

      Was hatte er da gerade gesagt? Elenas Wangen waren kurz davor, in Flammen aufzugehen.

      »Was machst du denn hier?«

      »Wir hatten eine Verabredung. Erinnerst du dich nicht?«

      Der nächste Schreck!

      »Tut mir leid. Die habe ich glatt vergessen.« Elena seufzte. »Kein Wunder, so viel, wie heute hier los ist.«

      »Macht nichts. Jetzt bist du ja da.« Deniz trat auf sie zu. Strich ihr wieder die Strähne aus der Stirn.

      Diesmal blieb alles ruhig. Kein Blitz, der durch Elenas Glieder fuhr. Kein Schwarm Schmetterlinge, die in ihrem Bauch aufflatterten.

      »Ich will wieder gut machen, dass wir heute Mittag so brutal gestört wurden.« Seine Stimme gurrte in ihrem Ohr. »Was hältst du von einem Kaffee? Ich kenne einen Ort, an dem

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