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in Ordnung?«

      »Ich bin nur komisch dagesessen.« Sie zwang sich ein Lächeln auf die Lippen und schlüpfte durch die Tür.

      Kurz darauf waren wieder Schritte zu hören. Diesmal gingen sie nicht vorbei. Dr. Norden betrat die Bühne. Er war allein.

      »Herr Loibl, willkommen zurück.« Der Klinikchef trat ans Bett. Griff nach Moritz’ Handgelenk und sah auf die Uhr. Schließlich nickte er zufrieden. »Wie fühlen Sie sich?«

      »Keine Ahnung. Sagen Sie es mir.«

      Daniel kontrollierte die Tropfgeschwindigkeit der Infusion. Er drehte am roten Rädchen.

      »Sie haben Glück, dass Sie jung und gesund sind. Ihr Herz hat den Eingriff gut überstanden. In den nächsten Wochen sollten sie emotionalen Stress vermeiden. Keine Aufregung und auch nur moderate körperliche Betätigung. Dann sollte bald alles wieder in Ordnung sein.«

      »Und was ist mit meinem Bein?«

      Es gab viele gute Gründe, warum Dr. Norden Arzt geworden war. Neben den Herausforderungen der unterschiedlichsten Krankheiten liebte er den Kontakt zu den Patienten. Er veränderte das Leben der Menschen, genauso wie sie seines beeinflussten. Auch die Bezahlung war nicht schlecht. Aber das Gefühl nach einer gelungenen Operation, einer erfolgreichen Behandlung war nicht mit Geld aufzuwiegen. Doch es gab einen Aspekt, auf den er nur zu gern verzichtet hätte: Das Überbringen von Nachrichten, die die Patienten nicht hören wollten.

      Er gab sich einen Ruck.

      »Die Transplantation ist erfolgreich verlaufen. Ob das verpflanzte Gewebe seine Arbeit aufnimmt, kann ich Ihnen leider noch nicht sagen.«

      Moritz fühlte sich, als hätte ihm der Klinikchef einen rechten Haken verpasst. Er suchte noch nach Worten, als Dr. Norden fortfuhr.

      »Die Schiene müssen Sie ungefähr zwei Wochen lang tragen. Danach können Sie mit der Physiotherapie beginnen. Erst dann wird sich zeigen, ob unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt sind.«

      »Und wenn nicht?«, krächzte Moritz.

      »Wie Sie selbst schon gesehen haben, ist bei einer Schädigung der Tibialis Mitte Unterschenkel eine Krallenstellung der Zehen zu beobachten. Außerdem ist zu befürchten, dass Sie Fuß und Zehen nicht mehr ordentlich beugen können. Auch mit der Auswärtsdrehung könnte es Probleme geben. Der Sensibilitätsausfall auf der Fußsohle ist möglicherweise dauerhaft.« Zu gern hätte der Klinikchef andere Nachrichten überbracht.

      Doch eine Lüge brachte den Patienten nicht weiter.

      Mit jedem Wort schwand Moritz’ Hoffnung.

      »Wie können Sie dann behaupten, dass die Transplantation erfolgreich war?« Er machte keinen Hehl aus seiner Verzweiflung.

      »Ganz einfach: Weil es uns gelungen ist, einen Hautnerv zu entnehmen und an anderer Stelle wieder einzupflanzen. Alles andere muss die Zeit zeigen. Eine Regeneration von Nervengewebe nimmt viel Zeit in Anspruch. Deshalb ist es wichtig, die richtigen Reize zu setzen und regelmäßig und konsequent zu üben.«

      »Na prima.« Moritz klatschte in die Hände. »Das sind ja großartige Aussichten. Ich verliere meinen Job und meine Existenz. Dabei muss ich demnächst eine Familie ernähren.« Mit jedem Wort wurde seine Stimme lauter. »Können Sie mir mal erklären, wie ich das anstellen soll?«

      Selbst Vater von fünf Kindern, konnte sich Dr. Daniel Norden gut in die Situation des jungen Mannes hinein versetzen. Mit jedem Kind war die Angst gewachsen, eines Tages nicht mehr für die Familie sorgen zu können. Zum Glück gehörten diese Sorgen längst der Vergangenheit an. Daniels Kinder waren erwachsen. Außerdem trug nun auch seine Frau Felicitas zum Familieneinkommen bei und sicherte ihre Existenz. Zu gern hätte er Moritz ein Stück dieser Sicherheit abgegeben. Doch leider gab es nicht gegen jede Krankheit eine Medizin.

      »Noch gibt es eine Chance, dass Sie wieder ganz gesund werden«, versuchte er, seinem Patienten Mut zu machen. »Sie müssen Geduld haben.«

      Seine Worte verhallten ungehört. Moritz lag im Bett und starrte aus dem Fenster. Seine Augen waren leer.

      *

      »Ich meine, wir wissen ja, dass er es faustdick hinter den Ohren hat.« Schwester Astrid kicherte, als sie das Büro der Pflegedienstleitung Seite an Seite mit ihrer Freundin und Kollegin Schwester Josepha verließ.

      »Aber dass er es so bunt treibt, hätte ihm bestimmt keiner zugetraut.« Josepha prustete hinter vorgehaltener Hand und wollte noch etwas sagen, als sie Dr. Aydin auf dem Flur entdeckte. Sie machte den Mund wieder zu und stieß ihre Freundin in die Seite.

      »Hallo, Dr. Aydin«, schallte es wie aus einem Mund.

      Milan spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Statt wie geplant seinen Weg fortzusetzen, bremste er, dass die Reifen quietschten. Diesmal gelang sein Wendemanöver nicht so perfekt wie sonst. Um ein Haar wäre er am Türrahmen gelandet. Doch selbst davon nahm er keine Notiz. Ein kräftiger Schubs, und er hielt vor Schwester Elenas Schreibtisch.

      »Was fällt Ihnen ein?«, donnerte er.

      Langsam legte sie den Hörer auf die Gabel zurück.

      »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Kollege Aydin.«

      »Tun Sie nicht so scheinheilig!« Wenn er gekonnt hätte, wäre er über den Tisch gesprungen. »Das Gelächter war ja wohl nicht zu überhören. Was fällt Ihnen ein, vertrauliche Geschichten unter den Kollegen auszuplaudern? Noch dazu vor den Lästerschwestern. Wollen Sie meinen Ruf ruinieren?«

      Daher also wehte der Wind! Elena lehnte sich zurück.

      »Ach, das meinen Sie.« Sie lächelte. »Da haben Sie etwas missverstanden. Einer unserer Patienten hat mir einen lustigen Witz erzählt, den ich bei den Kolleginnen zum Besten gegeben habe. Sie können mir glauben. Ich würde niemals Vertraulichkeiten weiterplaudern.«

      Milan atmete ein paar Mal ein und aus. Sein Herzschlag beruhigte sich. Er öffnete die Fäuste und lockerte die Finger. Endlich gelang ihm ein Lächeln.

      »Das Meiste von dem, was Sie heute gehört haben, ist nicht wahr. Manchmal geht die Fantasie mit meinem Bruder durch.«

      »Das habe ich mir schon gedacht.«

      Ein Stoßseufzer der Erleichterung.

      »Ich bin wirklich froh, dass Sie sich nicht von Deniz um den kleinen Finger wickeln lassen.«

      »Trotzdem finde ich es schade, dass er schon wieder abreist«, erwiderte Elena und erhob sich, um Milan hinauszubegleiten. »Wir treffen uns später noch einmal im Kiosk.« Sie hielt ihrem Besucher die Tür auf.

      Diesmal zeigte Milan seinen Ärger nicht. Sein charmantestes Lächeln auf den Lippen verabschiedete er sich von Elena und fuhr davon. Er war kaum um die Ecke gerollt, als er das Handy aus der Kitteltasche nestelte.

      »Ich dachte, ich hätte mich unmissverständlich ausgedrückt«, fauchte er drei Klingeltöne später ins Handy. »Was fällt dir ein, dich noch einmal mit Elena zu treffen?«

      »Reg dich ab, Alter. Das gibt Falten.« Deniz stand im Wohnzimmer vor seinem gepackten Rucksack. Er schlang den bunten Schal um den Hals. »Ich nehme den Zug heute Abend und wollte mich nur von Elena verabschieden. Im Gegensatz zu dir weiß ich nämlich, was sich gehört.«

      »Du reist also wirklich ab?«

      »Sag bloß, du bist traurig«, spottete Deniz.

      »Nicht direkt. Hoffentlich hast du aufge …«

      »Ja, ja, keine Sorge. Ich habe dein Reich wieder in den spießigen Urzustand versetzt.« Die Flecken an der Wand erwähnte Deniz vorsichtshalber nicht. Es genügte, wenn Milan sie am Abend entdeckte. Dann wäre er längst über alle Berge.

      Das Handy am Ohr, schulterte Deniz den Rucksack und verließ das Wohnzimmer. Aber was war das? Schnuppernd hob er die Nase.

      »Was riecht denn hier so komisch?«

      Am

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