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      »Das kenne ich.«

      »Du verstehst mich? Ich will mit einer Frau einfach eine gute Zeit haben. Dazu muss man doch nicht gleich zusammenziehen. Na ja.« Deniz zuckte mit den Schultern. »Dann suche ich eben weiter nach meiner Amazone.« Seine Augen blitzten. »Bei dir in der Klinik laufen ein paar hübsche Exemplare herum. Besonders die schöne Helena. Die würde ich nicht von der Bettkante schubsen.«

      Milan verschluckte sich an seinem Tee.

      »Du meinst Schwester Elena?«, krächzte er. »Lass bloß die Finger von ihr!«

      Deniz warf den Kopf in den Nacken und lachte.

      »Sag bloß, du bist selbst scharf auf sie?«

      »Schwachsinn. Die Frau ist verheiratet.«

      »Aber nicht besonders glücklich. Ich kenne mich mit so was aus. Dieser traurige Ausdruck in den Augen … höchste Zeit, dass sie jemand zum Lachen bringt.«

      Milan stellte die Tasse zurück auf den Tisch. Der Tee schwappte über.

      »Ich habe dich gewarnt. Keine amourösen Abenteuer mit meinen Kollegen.«

      Die Wasserpfeife gluckerte. Deniz grinste sein Spitzbubengrinsen. Mehr Antwort bekam Milan Aydin nicht.

      *

      Je näher Elena ihrem Haus kam, umso schwerer wurde ihr Herz. Kein Lichtschein fiel aus einem der oberen Zimmer hinaus auf den Asphalt. Wie schade, dass keines der Kinder mehr zu Hause wohnte. Julius war im letzten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Schreiner. Seine Schwester Laura studierte Umweltmanagement in Landshut und kam nur an den Wochenenden nach Hause.

      In diesen wenigen Stunden konnte Elena wieder frei atmen, wusste sie doch, dass Eric sich in Anwesenheit der Kinder zurückhielt. Auf diese Zurückhaltung konnte sie an diesem Abend nicht hoffen.

      Sie drehte den Schlüssel im Schloss. Schon an der Tür sah sie Erics Schatten. Er hatte sich ein Glas Wein in der Küche geholt und war auf dem Rückweg ins Wohnzimmer. Beim Anblick seiner Frau blieb er stehen.

      »Guten Abend.«

      »Hallo, Eric.« Elena stellte die Handtasche auf den Boden. Der Schlüssel klapperte in der Schale auf der Kommode. Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu. Er sah sie an.

      »Du siehst müde aus.«

      »Es war ein anstrengender Tag.« Sie seufzte und nahm einen Schluck Wein aus dem Glas, das er ihr hinhielt. »Außerdem habe ich heute Nacht nicht viel geschlafen.«

      »Das habe ich gemerkt.« Mit einer Geste bat Eric seine Frau ins Wohnzimmer.

      »Ich denke unentwegt über uns nach«, gestand sie und nahm ihm gegenüber im Sessel Platz.

      Eric drehte das Glas in den Händen.

      »Und? Zu welchem Schluss bist du gekommen?«

      Die Antwort fiel Elena nicht leicht.

      »Es war nicht meine Entscheidung allein, Pflegedienstleitung zu werden.« Sie knetete die Finger. »Du hast mich dabei unterstützt, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Dafür bin ich dir sehr dankbar.« Elena hob den Kopf. Suchte Erics Blick. »Aber jetzt entziehst du mir deine Unterstützung. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich weiß einfach nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.«

      »Und ich habe nicht damit gerechnet, dass du so viel mehr Zeit in der Klinik verbringen wirst.«

      »Das habe ich dir von Anfang an gesagt.« Der Ton wurde schärfer. »Die Pflegedienstleitung ist neben dem ärztlichen Direktor und dem Verwaltungschef Teil der Klinikleitung. Ich habe einen verantwortungsvollen Posten übernommen. Du kannst nicht behaupten, dass du das nicht wusstest.«

      »Ich wusste nicht, dass du in dieser Position an nichts anderes mehr denken kannst als an die Klinik«, hielt Eric dagegen und trank einen großen Schluck Wein.

      Adrenalin flutete Elenas Adern. Ihr Herz schlug schneller, die Bronchien weiteten sich.

      »Ich. Ich. Ich. Alles ist meine Schuld. Aber weißt du was? Ich glaube, das Problem liegt nicht bei mir.« Die feinen Schweißperlen auf der Oberlippe fühlten sich kühl an. Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Ich glaube, du bist eifersüchtig auf meinen Erfolg, den du längst hinter dir hast.« Elena gab sich selbst das Stichwort. »Erinnerst du dich an früher? Damals war ich diejenige, die immer allein zu Hause saß. Noch dazu mit kleinen Kindern. Aber wenn ich mich mal beschwert habe, hieß es immer, dass du ja das Geld für die Familie verdienen musst.« Ihre Augen waren fast schwarz, als sie ihren Mann anfunkelte. »Deshalb erwarte ich jetzt auch, dass du hinter mir stehst. Mich weiterhin unterstützt. So, wie ich dich immer unterstützt habe.« Sie beugte sich über den Tisch.

      Griff nach dem Glas Wein und leerte es in einem tiefen Zug. Als sie es zurück auf den Tisch stellte, stand Eric auf. Ohne ein Wort zu sagen, verließ er das Wohnzimmer. Er kehrte nicht zurück.

      *

      Am nächsten Morgen wollte es gar nicht richtig hell werden. Über Nacht hatten sich Wolken über den Himmel geschoben. Tief, als klebten sie an Dächern fest, hingen sie über der Stadt.

      »Der Wetterbericht hatte recht.« Dr. Daniel Norden hastete auf den Eingang der Klinik zu. »Heute schneit es bestimmt.«

      Normale Menschen dachten bei Schnee an Vergnügen. An Schneeballschlachten, romantische Winterlandschaften und Schlittenfahrten. Ärzte dachten häufig daran, welche Gefahren die weiße Pracht mit sich brachte. In der klinikeigenen Statistik führten Autounfälle die Tabelle ganz klar an, gefolgt von Stürzen wegen falschen Schuhwerks oder schlecht geräumter Wege.

      »Dann kannst du gleich das Team in der Notaufnahme verstärken«, unkte Felicitas.

      »Meine kluge Fee.« Bevor sich ihre Wege trennten, küsste der Klinikchef seine Frau. Es machte ihm nichts aus, dass sie sich mitten in der Lobby befanden, die gerade, wie die übrige Klinik, zum Leben erwachte. In jeder Ecke schien es zu rumoren. Lieferanten schoben Wagen mit allen erdenklichen Waren Richtung Ladenstraße. Schlaflose Patienten schlurften über die Flure, um sich im Klinikkiosk den ersten Kaffee des Tages zu kaufen, eine Tageszeitung, oder einfach nur ein bisschen Ablenkung zu suchen. »Vorher mache ich aber einen Abstecher in die Orthopädie.«

      »Die Unterschenkelfraktur.« Fee nickte. »Bernhard ist ein herausragender Arzt. Er weiß bestimmt Rat.«

      Daniel legte den Kopf schief.

      »Weißt du, dass du mir manchmal ein bisschen unheimlich bist?«

      Felicitas lachte.

      »Weil ich deine Gedanken lesen kann?«

      Was sollte er dazu sagen?

      Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg und stand fünf Minuten später im Büro des Kollegen Kohler. Er schilderte den Fall. Bernhard saß auf der Tischkante und hörte zu. Nachdem sein Chef geendet hatte, stand er auf und setzte sich an den Computer.

      »Letztes Jahr hatte ich tatsächlich einen ähnlich gelagerten Fall.« Die Tastatur klapperte unter seinen Fingern. »Wenn ich nur wüsste, wie der Patient hieß. Reinhold, nein … Reinhardt … auch nicht … Reinberg … aaaah, da ist er ja. Günther Reinberg.« Er vertiefte sich in die elektronische Patientenakte.

      Dr. Norden trat hinter den Kollegen und beugte sich über seine Schulter.

      »Wusste ich es doch. Reinberg hatte ebenfalls eine Unterschenkelfraktur. Tibia und Fabia, wie bei Ihrem Patienten. Der Nervus tibialis war beschädigt. Problem war damals, dass der Bruch mit Platten und Schrauben reponiert werden musste.«

      »Wie in meinem Fall.«

      »Durch die Verletzung waren die beiden Nervenenden so weit voneinander entfernt, dass sie nicht mehr spannungsfrei zusammengefügt werden konnten.«

      »Und die Lösung des Problems?«

      »Eine Nerventransplantation.«

      Daniel richtete sich auf. Sein Blick schweifte durchs Zimmer, blieb

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