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war, ließ sie Kirchen plündern. Sie empfing sogar Geld aus der Schändung von Gräbern, und es waren Gräber von Verwandten ihres Mannes! Nichts schreckte sie ab, nichts blieb bestehn, außer ihrem Willen.

      Dies alles hörte ihr Sohn mit ihrer Stimme, an seinem Ohr sprach ihr Mund leidenschaftlich, obwohl es nur das überstürzte Geflüster eines fremden Menschen war. Henri sprang aus dem Bett und war gesund. Fortan ertrug er wieder alle Leiden, wenn sie ihn nur vor dem Gang zur Messe bewahrten. Oft vergaß er alles, wurde fröhlich, wie er von Natur war, und balgte sich lärmend mit den anderen Jungen, sah die hohen dunklen Mauern des Schulhofes nicht mehr, war frei und war der Sieger. Er glaubte im Ernst, bald würden seine Feinde ihn angehen und demütig bitten um Fürsprache bei seiner lieben Mutter, sie möchte ihnen verzeihn.

      Es kam anders. Jeanne verlor und mußte flüchten, aber ihr Sohn wartete das Ende nicht erst ab. Am ersten Juni gab er nach, seit März hatte er sich gehalten. Sein Vater selbst führte ihn zur Messe, ihm schwur Henri, rechtgläubig zu bleiben, und erwachsene Ordensritter küßten ihn als ihren Mitstreiter, darauf war er trotz allem stolz. Wenige Tage später brach seine liebe Mutter eilig auf; Beauvois berichtete es ihm vorwurfsvoll,obwohl er ihm selbst geraten hatte, noch vor dem Zusammenbruch des Unternehmens den rechten Glauben anzunehmen. Aus einer Gegend nördlich der Loire entwich sie ihren Feinden nach Süden bis in ihr Land, immer in Gefahr, gefangen zu werden von dem General Montluc, den Katharina ihr nachschickte.

      Wie sehr in Angst begleitete das Herz ihres Sohnes sie auf ihrer Reise! Er war ihr ungehorsam geworden und hatte sie verraten, kam ihr ganzes Unglück nicht daher? Ihr wagte er nicht zu schreiben, einem ihrer Herren schickte er Briefe, die Schreie der Verwirrung und des Schmerzes waren: „Larchant, ich hab so große Furcht, daß der Königin, meiner Mutter, etwas Übles zustößt!“

      Das war am Tage; aber in der Nacht schläft ein Kind und träumt vom Spiel. Sogar unter den Stunden des Tages waren doch immer mehrere, die ihn alles vergessen ließen, das Unglück und seine eigene geringe Bedeutung in der Welt. Dann tat er etwas, woran niemand und keine Verkettung ihn hinderten, er setzte einem im Spiel besiegten Jungen das Knie auf die Brust. Hierauf lachte er ihn aus und ließ ihn laufen. Das war falsch, die Bestraften sind weniger gehässig als die Verschonten; aber das sollte Henri niemals ganz begreifen.

      Er war nicht grade beliebt bei seinesgleichen, obwohl er beides bei ihnen erreichte, Furcht und Lachen. Ihm lag an ihrer Achtung und daneben an der Wirkung seiner Späße, wobei er niemals bemerkte, daß sie ihn nicht mehr achteten, wenn sie lachten. Er machte ihnen einen Hund vor oder nach ihrem Belieben einen Schweizer oder Deutschen; denn der innere Krieg führte die fremden Landsknechte nach Paris, er hatte sie gesehn. Einst rief er aus: „Cäsar wurde ermordet!“ Zu Henri Monsieur sagte er: „Sie sollen Cäsar sein.“ Zu Henri Guise: „Und wir die Mörder.“ Er kroch am Boden, um seinem Genossen zu zeigen, wie man sich an ein Opfer heranschleicht. Dieses wurde vom Entsetzen gepackt, es schrie und flüchtete, aber die beiden Verfolger waren schon über ihm.

      „Was machst du denn?“ fragte plötzlich der Sohn Jeannes. „Du tust ihm weh.“

      „Wie soll ich ihn sonst ermorden?“ erwiderte Guise. Indessen hatte der Augenblick der Unterbrechung genügt, um Cäsar nach oben zu bringen, er schlug unerbittlich, Navarra mußte jetzt ihn davon abhalten, den anderen umzubringen.

      Er kehrte lieber zur Posse zurück. Jene begriffen nicht, daß man kämpfen und es leichtnehmen konnte. Sie wurden schwerfällig ernst und brüllten „Schlag ihn tot!“ — während er selbst sich am Spiel begeisterte.

      Er war kleiner als die meisten Gleichalterigen, hatte eine braune Hautfarbe bei dunkelblonden Haaren, sein Gesicht und seine Augen waren beweglicher als die ihren, seine Einfälle kamen schneller. Manchmal standen alle um ihn her und bestaunten ihn als etwas Fremdes, einen Tanzbär oder Affen.

      Bei aller Begeisterung, in die seine Phantasie ihn versetzte, konnte er plötzlich die Wahrheit erkennen; sie sahen einander fragend an, sie hatten nicht verstanden, was er redete, es war zu sehr gefärbt von seiner heimatlichen Sprache. Die beiden anderen Henris brachten heraus, daß er dem Wort Löffel einen falschen Artikel gab, aber sie sagten es ihm nicht, sondern machten den Fehler jetzt selbst, sooft er dabei war. Er fühlte wohl, daß sie irgend etwas gemein und vor ihm voraus hatten. In dieser Zeit träumte er; wovon doch? Am Morgen war es vergessen. Erst als ihm klar wurde, daß er Heimweh, schreckliches und wildes Heimweh litt, da wußte er auch, was jeder Traum ihm zeigte: die Pyrenäen.

      Als der Vater starb

      Er sah sie grün bewaldet bis in den Himmel, seine Füße trugen den Schlafenden hinan wie der Wind, und oben war er so groß wie sie, so groß wie die Berge. Er konnte sich hinabneigen bis zu dem Schloß von Pau und seine liebe Mutter auf den Mund küssen. Vom Heimweh erkrankte er wieder, wie vorher wegen der Messe. Man hielt es zuerst für die Blattern, die waren es nicht. Sein Vater hatte ihn damals auf das Land gebracht, denn Antoine von Bourbon zog wieder einmal ins Feld, und sein kleiner Sohn sollte nicht allein in Paris bleiben. Henri fürchtete die Verlassenheit auf dem Lande nicht weniger, er erflehte vom Vater, daß er ihn mitnehmen möge in das Lager. Das tat Antoine schon darum nicht, weil er dort eine Geliebte hatte.

      Als er fortritt, begleitete Henri ihn eine Strecke weit auf seinem Pferd. Er konnte sich nicht trennen, er liebte wie nie vorher diesen schönen Mann in Bart und Waffen, das war sein Vater, noch blieb er ihm, bis an den Kreuzweg noch, bis zu dem Bach! „Ich bin schneller als du, willst du wetten? Ich weiß eine Abkürzung, hinter dem Wald hast du mich auf einmal wieder neben dir!“ Das trieb er, bis der Vater ihn im Zorn nach Hause schickte. Aber kaum sechs Wochen, und Antoine war tot. Das Laub der Bäume vertrocknete, und ein Bote kam zu seinem Sohn, der König von Navarra sei gefallen.

      Der Prinz, sein Sohn, wollte aufschreien, plötzlich unterdrückte er alle Tränen und fragte:

      „Ist es wahr?“

      Denn er hielt es jetzt schon für die Regel, daß man log und ihm Fallen stellte.

      „Erzähle mal, wie es zuging!“

      Zweifelnd hörte er die Geschichte von dem Laufgraben, wohin der König sich sein Essen bringen ließ. Der Page, der ihm einschenkte, war schon von einem Geschoß verwundet worden. Einen Hauptmann gleich daneben traf ein anderes tödlich, der stand ungedeckt und verrichtete sein Bedürfnis. Stellt der König sich auf denselben Fleck! Wie sollte es anders kommen? Noch eine Kugel schlug dort ein, und das war, als der König pißte.

      Hier ließ endlich Henri seine Tränen fließen. Er hatte die Wahrheit erkannt an dem unbesorgten Mut seines Vaters. Ihn brannte der Schmerz, daß er selbst hatte fern sein müssen, nicht hatte teilhaben dürfen an der Schlacht und der Gefahr, wie dieser Diener, den sein Vater geliebt hatte.

      „Raphael!“ schrie er ihn an. „Liebte der König mich?“

      „Als er seiner Verwundung erlag, es war auf dem Schiff, das ihn nach Paris führen sollte —“

      „Wer war bei ihm? Ich will es wissen!“

      Der Diener antwortete nicht. Die Geliebte, in deren Armen Antoine gestorben war, verschwieg er.

      „Ich war mit ihm allein“, versicherte er. „Als mein Herr das Ende kommen fühlte, neun Uhr abends, faßte er mir in den Bart und sagte: „Dien meinem Sohne gut, und mög er gut dem König dienen!“

      Henri sah dies vor sich, daher hörte er auf zu weinen und griff selbst in den Bart des Mannes. Er fühlte, daß es nichts Schöneres geben könnte, als so brav wie sein Vater Antoine zu sterben für den König von Frankreich.

      Das Andenken an seinen Vater bestimmte die beiden nächsten Jahre des Knaben. Solange sah er seine Mutter nicht wieder. Jeanne wurde die ganze Zeit schwer bedroht vom General Montluc; das war der Druck, unter dem Madame Catherine erreichte, daß sich mit ihr leben ließ. Darauf verstand sich Madame Catherine, denn sie kannte nicht die Leidenschaft zu hassen wie Jeanne d’Albret; sie handelte einfach nach den Umständen. Das Haus Guise blieb ihr stärkster Feind, während die Protestanten zeitweilig unterlegen waren. Um so eher könnte sie sich ihrer bedienen, vor allem ihrer geistigen

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