Скачать книгу

daher substanziell, da in der im empirischen Teil zu beschreibenden Studie Veränderungen in der Planung hochschulischen DaF-Unterrichts thematisiert werden.

      Da die theoretischen Kapitel 2 und 3 dieser Arbeit der Vorbereitung des empirischen Teils dienen, sind in diesem zweigliedrigen Theorieabriss überwiegend Aspekte zu behandeln, die der Untersuchung italienischer und spanischer DaF-Hochschulcurricula dienlich sind. Aspekte aus dem empirischen Teil werden dabei jedoch auch vereinzelt in den theoretischen vorgezogen, wenn etwa Auszüge aus den untersuchten Curricula des empirischen Teils bereits im theoretischen Teil benötigt werden (Abschnitt 2.3). Erneut sei betont, dass sich die Ausführungen in den Kapiteln des theoretischen Teils aber nicht ausschließlich auf die Vorbereitung des empirischen Teils beschränken, sondern auch den Ist-Zustand in der DaF-relevanten Forschung darstellen.

      2.1 Curriculumforschung im amtlich deutschsprachigen Raum und im DaF-Bereich ab den 1960er bis zu den 2010er Jahren

      (1) Anfänge der deutschsprachigen Curriculumforschung und jener im DaF-Bereich

      In den 1960er Jahren rückten im amtlich deutschsprachigen Raum Curricula als Untersuchungsgegenstände verstärkt in den Fokus der Forschung. Gründe hierfür waren gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Entwicklungen, die mit der Forderung einer neuen Ausrichtung des Schulunterrichts einhergingen (s. Zimmermann, 1995, S. 136). 1967 entstand mit dem Traktat Bildungsreform als Revision des Curriculum1 von Saul B. Robinsohn, der damals in der Max-Planck-Gesellschaft Direktor des Instituts für Bildungsforschung war, ein heute immer noch häufig rezipiertes Standardwerk der deutschsprachigen Curriculumforschung. Robinsohn hat dabei den Terminus des (amerikanischen) Curriculums in einstmalige einschlägige Diskurse in der Bundesrepublik Deutschland eingebracht (s. Schmidt, 2010, S. 923). Bereits in den 1970er Jahren wurde über die durch Robinsohn initiierte Curriculumforschung mit einem Curriculumhandbuch in drei Bänden (Frey, 1975) erstmals eine Bilanz gezogen (s. Achtenhagen, 1995, S. 461). Dennoch profitierten die Fremdsprachenfächer in den 1970er Jahren kaum vom damaligen Aufschwung der Curriculumforschung, da Curricula in den 1980er Jahren in der Fachliteratur immer noch einer der am geringsten fokussierten Bereiche waren (s. Neuner, 2001, S. 797).

      Die Bemühungen um eine wissenschaftlich fundierte Curriculumentwicklung in den Fremdsprachenfächern haben im amtlich deutschsprachigen Raum demnach nicht zeitgleich mit der in den 1960er Jahren begonnenen allgemeinen Curriculumforschung eingesetzt. Noch in den 1980er Jahren wurde fremdsprachenfächerspezifische Curriculumforschung und -planung somit als Desiderat betrachtet, wenn in der Lernzielplanung ab Mitte der 1980er Jahre auch der interkulturellen Kompetenz immer mehr Platz eingeräumt wurde (s. Funk, 2016, S. 152), was als curriculare Neuerung gelten kann. Die erste, für die aktuelle Forschung nicht mehr primär wesentliche, in den 1960er Jahren begonnene Phase der deutschsprachigen Curriculumforschung endete in den späten 1980er Jahren vor allem aufgrund fachlicher Entwicklungen und gesellschaftlicher Fortschritte.

      (2) Curriculumforschung und -entwicklung im DaF-Bereich: Die 1990er Jahre2

      Der bis heute umstrittene Einzug wirtschaftlicher Inhalte in geisteswissenschaftliche Hochschulcurricula wird in den 1990er Jahren auch im DaF-Bereich ausgemacht (Wannagat, 1998; Horst, 1998). Dieser Trend wird in der DaF-Fachliteratur skeptisch beziehungsweise neutral, niemals jedoch euphorisch beschrieben. Weltweit sehen sich philologische Fakultäten an Universitäten seit den 1990er Jahren mit der Forderung konfrontiert, ihre germanistischen Studiengänge dahingehend ausrichten zu müssen, dass diese die Studierenden dazu befähigen, nach Abschluss des Studiums unmittelbar ins Berufsleben einsteigen zu können (Cothran, 2010; Dong-Uk, 2009). Ein häufig herangezogener Terminus ist hier die „Employability“, also die Beschäftigungsfähigkeit, die Studierende im Zuge ihrer philologischen Ausbildung erlangen sollen. Augart (2014, S. 234) befindet, dass die Germanistik im südlichen Afrika heute eher als „[…]3 Sprachkursprogramm mit literaturwissenschaftlichen Modulen […]“ anzusehen ist. Dies zeigt deutlich, dass ab den 1990er Jahren in germanistischen Curricula außerhalb des amtlich deutschsprachigen Raums, nicht nur im südlichen Afrika, fremdsprachliche Fertigkeiten und berufliche Qualifikationen in den Fokus sowie Literatur und Linguistik tendenziell aus dem Fokus geraten, jedoch nicht gänzlich aufgegeben worden sind. Bouchara (2008, S. 479) führt überspitzt aus: „Eine traditionelle Auffassung von Germanistik oder den Geisteswissenschaften ist überholt und kann im Zeitalter der Globalisierung mit den Entwicklungen nicht mehr Schritt halten.“ Was sich also ändern muss, damit – in Boucharas Terminologie – wieder „Schritt [ge]halten“ werden kann, sind die Curricula. In den 1990er Jahren entstanden für DaF auch die Katwijker Empfehlungen zur Curriculumentwicklung (1992), die laut Neuner (2001, S. 797) jedoch weitgehend die einzige Bemühung in dem Bereich darstellen. Als Beispiel für ein hochschulisches, DaF-relevantes Projekt kann eine breit angelegte Arbeit am Institut für Germanistik der Universität Wien angeführt werden, im Zuge derer von 1995 bis 1997 etwa 300 Curricula sowohl für den Deutschunterricht als auch für die Deutschlehrerausbildung aus Ländern außerhalb des amtlich deutschsprachigen Raums zusammengetragen und systematisch erfasst wurden (s. Prikoszovits, 2017b, S. 87; Chan, 2000, S. 81–82; Krumm, 2002, S. 9–10). Es sind jedoch nach wie vor die nicht-deutschsprachigen Länder, aus denen Forschungsergebnisse zu DaF-spezifischer Curriculumentwicklung und -implementation ausstehen. Die vorliegende Arbeit fokussiert daher gezielt DaF-Curricula, die außerhalb des amtlich deutschsprachigen Raums entwickelt und eingesetzt werden, um festellen zu können, in welche curricularen Linien die Fremdsprache Deutsch dort eingebettet wird.

      Die Hürden, die bei einem Transfer von DaF-Curricula aus dem amtlich deutschsprachigen Raum in distante Erdregionen bestehen, werden in der Fachliteratur der 1990er Jahre diskutiert (Gutzat, 1996; Wannagat, 1998; Prikoszovits, 2017b, S. 87), was einen „[…] Ruf nach regionalen, der jeweiligen Gesellschaft angepassten Curricula […]“ (Prikoszovits, 2017b, S. 87), die in den 1990er Jahren noch ausstehen, zur Folge hatte (Wannagat, 1998). Solche Curricula können den an die Germanistiken außerhalb des amtlich deutschsprachigen Raums entsandten Lektoren eine grundlegende Orientierungshilfe bieten. Laut Königs (2004, S. 6) definiert sich eine von ihm so bezeichnete „[…] Auslandsgermanistik […]“ durch die „[…] Fremdperspektive […]“, also die externe Sichtweise auf die Germanistik. Die Unterschiede zwischen Germanistik und Auslandsgermanistik hätten curriculare Folgen. Gemäß Königs (ebd., S. 6) überschneiden sich Curricula der „[…] Inlandsgermanistik […]“ mit jenen der Auslandsgermanistik nur gering. Dem Erwerb der Fremdsprache Deutsch, der viel Zeit in Anspruch nimmt, muss an germanistischen Hochschulinstituten außerhalb des amtlich deutschsprachigen Raums ein zentraler Stellenwert eingeräumt werden. Dass unter solchen Umständen auch Curricula anders aussehen müssen, ist offensichtlich. Das Bedürfnis nach curricularer Übertragung ist auch insbesondere vor dem Hintergrund kritisch, dass Curricula kulturell geprägt und nicht starr in fremde und ferne Gesellschaften transferierbar sind. Curricula germanistischer Studiengänge in anderen Sprach- und Kulturräumen sollten somit durchaus eigene Ausrichtungen haben.

      Ein Curriculum soll sich nicht ausschließlich an den Strukturen der jeweiligen Fachwissenschaften orientieren (Abschnitt 2.5), sondern auch an kulturspezifischen Maximen (s. Robinsohn, 1971, S. 13; Gutzat, 1996, S. 443), pädagogischen Normen sowie gesellschaftlichen und institutionellen Voraussetzungen (s. Gutzat, 1996, S. 443; Mickan, 2013, S. 45, S. 125). Zur Erkenntnis, wie stark kulturabhängig und -gebunden Curricula sind, gelangt man häufig in Publikationen, in denen die Situation der Germanistik und des DaF-Unterrichts in asiatischen Ländern thematisiert wird. Chen (2009, S. 91) etwa hält fest, dass beim Curriculumdesign lokale Lehr- und Lernbedingungen und Traditionslinien nicht vernachlässigt werden dürfen. Gutzat schreibt von einem 1992 vom DAAD in Hochiminh-Stadt eingerichteten Lektorat für den Studiengang Deutsch, für den es kein Curriculum gegeben hätte. Es sei dem DAAD-Lektor überantwortet worden, den Studiengang fachlich zu planen (Gutzat, 1996, S. 443). Somit erscheint eine gewisse „Curriculumkompetenz“ eine für Lehrkräfte anzustrebende Qualifikation darzustellen. Schlak (2006, S. 337) etwa vermisst bei Studierenden in der japanischen DaF-Lehrerausbildung neben erziehungswissenschaftlich relevanten Kenntnissen auch „[…] sprachpolitisch-curriculare[.] Qualifikationen […]“. Des Weiteren erläutert er (ebd., S. 339), dass es im Zuge seiner Bestrebungen, an der Universität Osaka einen offiziellen Studiengang für DaF zu gründen, bedauerlich gewesen sei, Kurse unter anderem zur

Скачать книгу