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des Stubenmädchens und die Schritte, die auf dem Läufer im Flur wieder verschwinden.

      Sie trinkt den warmen Kakao in kleinen Schlucken, ißt ein wenig vom Brot. Die Übelkeit, die sie jeden Morgen seit ihrer Ankunft auf die Knie vor dem Porzellanbecken des Bidets gezwungen hat, macht heute eine Pause.

      Der Kachelboden unter der Dusche am Ende des Flurs ist trocken. Die Sommersaison ist beendet, die Fischgroßhändler und die wenigen Vertreter, die durch diesen Teil des Landes kommen, verschwinden am Wochenende. Sie läßt das Wasser fließen, bis der kleine Raum voller Dampf ist, bleibt unter dem heißen Strahl stehen, bis das nervöse Zittern ihres Körpers sich in eine schwere Ermattung verwandelt hat.

      Die Trauung soll um halb zwölf im Büro des Bürgermeisters stattfinden. Sämtliche Papiere sind vorbereitet, Benoît und Yves als Trauzeugen geladen. Ein verhaltener Streit zwischen Yann und seiner Mutter während des Essens gestern hat zu einem Telefongespräch mit Yanns altem Musiklehrer geführt. Neben der Großmutter und den beiden Rittern wird er der einzige Gast sein.

      Eine Hochzeit ist hier in der Gegend ein öffentliches Ereignis, das weiß sie von Yann, ein Ereignis, das tagelang dauern kann und Umzüge und Musikanten beinhaltet, wie Yann und die Ritter mit ihren alten Instrumenten, dazu Unmengen von Essen, Tanz die ganze Nacht hindurch. Etwas, über das man spricht, vorher und hinterher.

      Ihre und Yanns Hochzeit wird wie Schmuggelware dazwischengeschoben.

      Nanna hat die Fensterläden aufgestoßen, sie steht in ihrem dünnen Unterrock in der kühlen Luft des offenen Fensters und schaut aufs Meer hinaus. Der Hafengrund sieht fast trocken aus, ein paar flache Pfützen zwischen den Algenbüscheln spiegeln den emailleblauen Himmel wider. Einige kleinere Boote sind auf die Seite gekippt – schlafende Kettenhunde in lockeren Verankerungen auf dem dunklen Sand, bedeckt mit Schaumklecksen. Ein paar Möwen streiten sich um die Beute, sie kippen wie Jagdflugzeuge zur Seite und stürzen sich senkrecht auf ihre zappelnden, silbern glänzenden Opfer.

      Die Kirchturmuhr auf der anderen Seite des Hafens schlägt elf. Versteckt hinter der dünnen Gardine sieht sie, wie Yann in das Auto seiner Mutter steigt und über die Hafenbrücke fährt. In seinem dunklen Anzug und dem weißen Hemd sieht er eher aus, als würde er an einem Begräbnis teilnehmen, trotzdem erzeugt sein Anblick einen Glücksschauer in ihr.

      In einer Stunde wird die einfache Zeremonie beim Bürgermeister überstanden sein. Sie wird der Welt nach den einsamen Wochen mit der Schwiegermutter wieder begegnen können, nachdem sie so tapfer auf Yanns kurzen Hochzeitsurlaub gewartet hat. In einer Stunde dürfen es alle wissen, das, was sie und Yann schon lange wissen. Die Flucht ist vorbei. Ihr neues Leben kann beginnen.

      Das kleine Städtchen summt vor Gerüchten. Mit ornithologischer Neugier wird sie von den Männern beobachtet, die ihre Tage auf dem Meer mit einem Glas in der zum Hotel gehörenden Bar beschließen. Frauenaugen verfolgen sie hinter jeder Fensterscheibe, wenn sie durch die Straßen geht. Sie bemüht sich, denjenigen höflich zuzulächeln, denen es nicht gelingt, schnell genug den Blick abzuwenden. Hier ist ihre neue Heimat. Was immer auch geschieht. Was es auch kosten möge.

      Nanna schließt das Fenster, dreht sich zum Zimmer um. Ihr Kleid liegt auf dem Bett, sie läßt es über den Kopf gleiten, spürt, wie sie bei der Berührung mit dem kühlen Seidenfutter eine Gänsehaut bekommt. Ihre unsicheren Finger kämpfen mit der Knopfreihe auf dem Rücken, klein und glatt wie Apfelsinenkerne.

      Yanns Mutter hat das Kleid bei ihrer Schneiderin nähen lassen, und Nanna wurde auf einen Körper reduziert, in einem etwas zu eng sitzenden Unterrock, stumm und unbeholfen vor dem Spiegel des Ankleidezimmers, unter dem prüfenden Blick der Schwiegermutter. Aber das Kleid steht ihr. Der aquamarinblaue Wollstoff gleicht der Farbe ihrer Augen, läßt ihre Haut weniger blaß erscheinen. Der Schnitt verdeckt fast vollkommen die wachsende Wölbung ihres Bauchs.

      Schlimmstenfalls muß sie halt den Blumenstrauß davor halten. Der Blumenstrauß. Ihr fällt ein, daß sie nicht weiß, wie hier der Brauch ist, und sie hat niemanden, den sie fragen könnte. Vielleicht heiratet sie ja ohne Brautstrauß. Wie sie auch ohne Kirchenlieder und Schleier heiratet, ohne Rituale und Feier.

      Ohne ihren Vater.

      In der Traumwelt ihrer Kindheit war er im Grunde die Hauptperson, wenn sie an seinem Arm über den Kirchenboden schritt, in knisterndem Taft, in ölschwerem Duchesse, mit Schleier und Schleppe und Orgelbrausen, einer Gestalt entgegen, die immer ohne Gesicht war.

      Jetzt ist es Yanns Gesicht, das sie am liebsten von allen sehen will. Ihr Vater weiß nicht einmal, daß sie im Begriff steht, sich zu verheiraten. Sie versucht ihr schlechtes Gewissen bei dem Gedanken an seine graue Kraftlosigkeit abzuschütteln, während sie die kleinen Perlen an ihren Ohrläppchen festschraubt, sich vor dem Spiegel dreht und wendet.

      Ein Auto hält unter dem Fenster. Nanna nimmt die zum Kleid gehörende Jacke von der Stuhllehne und macht sich bereit zu gehen. Da erkennt sie zwischen dem Klappen der Autotüren eine vertraute Stimme, jemand ruft etwas in gebrochenem Französisch, explodiert vor Lachen.

      Die Jacke landet auf dem Boden. In drei Sätzen ist sie am Fenster, reißt es wieder auf.

      »Mette!«

      Das dreieckige Gesicht mit den Lachgrübchen, die kaum zu bändigende Haarpracht. Die Augen verengt vor Lachen.

      »Ach, da bist du.« Mette stopft dem kopfschüttelnden Taxifahrer ein paar Geldscheine in die Hand, hebt etwas hoch, das aussieht wie ein Seesack. »Ich brauche nur noch was aus dem Kofferraum. Fragile! Nun passen Sie doch auf, Mann!«

      Mette schimpft mit dem Fahrer, der ihr zwei weiße Schachteln, eine kleine und eine große, in die ausgestreckten Arme legt. Sie dreht den Kopf wieder zu Nanna hoch.

      »Und wie komme ich zu dir rauf?«

      »Die Treppe rechts.«

      Die Schachteln werden vorsichtig aufs Bett gelegt, der Seesack in eine Ecke geschmissen. Mettes Arme um ihren Hals.

      »Das ist phantastisch.«

      Dänische Worte in ihrem Mund, zum erstenmal seit Wochen, die Beine werden ihr vor Schock und überwältigender Freude weich.

      »Vater hat das Geld für ein Flugticket ausgespuckt, als ich ihm gedroht habe, sonst zu trampen.« Mette geht einen Schritt zurück auf dem abgetretenen Teppichboden, mustert sie mit dem Blick eines Pferdehändlers.

      »Das Kleid ist hübsch. Aber du solltest lieber den Strauß vor den Bauch halten.«

      »Es ist nicht gesagt, daß ich einen Strauß haben werde.«

      »Sicherheitshalber habe ich einen mitgebracht. Man weiß ja nie bei den Franzosen.«

      Maiglöckchen füllen eine der weißen Schachteln. Nanna vergräbt ihre Nase in ihrem Duft.

      »Du bist total verrückt.«

      »Wenn Yann dir einen Strauß schenkt, kannst du diesen einfach in die Vase stopfen. Wo ist er eigentlich?«

      »Er holt seine Großmutter ab.«

      »Was glaubst du, ob sie heute auch ihre Haube aufhat?«

      »Die hat sie immer auf.«

      Seit sie vor dem Haus ihres Vaters in den Bus gestiegen ist, hat sie weder gelacht noch geweint, jetzt tut sie beides gleichzeitig.

      »Entschuldige, daß ich heulen muß.«

      »Be my guest.«

      Mette hat den Seesack mitten ins Zimmer gezogen, müht sich fluchend mit den festen Knoten ab. Nanna sinkt auf die Bettkante, holt aus der Nachttischschublade ein Taschentuch heraus.

      Schritte auf dem Korridor bleiben vor der Tür stehen. Ein kurzes Klopfen, und Yanns hohe Gestalt füllt den Türrahmen aus.

      Einen Moment lang starrt er wie hypnotisiert auf Mettes dunkles Haar, das Lächeln auf seinem Gesicht verwandelt sich in eine Fratze aus Ungläubigkeit und Schrecken.

      »Yann«, Nanna ist aufgestanden. »Mette ist zu unserer Hochzeit gekommen. Mette,

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