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die Herr I. aus seiner Praxis zum besten gab, kam der Gutsbesitzer auf den Gedanken, dem Medium von dem unaufgeklärten Diebstahl zu berichten. Er nahm es nicht ganz ernst, als Herr i. ihm nickend erwiderte: „Wenn Sie es wünschen, so werde ich den Täter ausfindig machen.“

      Der Gutsbesitzer, der vermutlich eine Besichtigungsreise mit entsprechendem Spesenaufwand witterte, fragte ein bisschen ängstlich:

      „Sind Sie denn abkömmlich? Das wird Sie mindestens drei Tage kosten.“

      „Nicht nötig“, antwortete Herr I. zum Erstaunen des Gutsbesitzers. „Haben Sie Verdacht auf irgend jemanden?“

      Der Gutsbesitzer, der sich natürlich die ganze Zeit über mit dem Fall beschäftigt hatte, erklärte, dass er allerdings einen gewissen Verdacht habe, der sich in bestimmter Richtung bewege. Er legte Herrn I. das Nähere dar, und am Ende der Besprechung ergab es sich, dass drei junge Leute als Täter in Frage kamen. Zwei davon waren Gutseleven, der dritte ein entlassener Kutscher.

      „Besitzen Sie Briefe von den Dreien?“

      Der Gutsbesitzer dachte nach. „Nur von Zweien. Von dem Kutscher und dem einen Gutseleven.“

      „Ist der andere Gutseleve noch bei Ihnen in Stellung?“

      „Ja.“

      „Können Sie ihn irgendeinen Brief schreiben lassen, ohne dass es auffällt?“

      „Hm.“

      „Eventuell genügt es, wenn Sie ihn einen Frachtbrief ausfüllen lassen.“

      „Das ist natürlich leicht zu ermöglichen.“

      „Bitte schicken Sie mir die drei Schriftstücke ein, sobald Sie wieder zu Hause angelangt sind.“

      „Ich werde sie Ihnen selbst bringen, denn ich bin nächste Woche wieder in Berlin.“

      Mehr mit dem Gefühl eines bevorstehenden Ulkes als in dem Bewusstsein, einer feierlichen Handlung beizuwohnen, überreichte der Gutsbesitzer Herrn I. eine Woche später drei Schriftstücke: zwei Briefe und einen Frachtbrief.

      Herr I. legte jeden der Briefe an die Stirn, schloss die Augen und gab zum Erstaunen seines Besuchers eine genaue Beschreibung des Gutshofes mit allen Einzelheiten. „Hier liegt das Hauptgebäude, hier ist das Zimmer, aus dem das Geld gestohlen wurde. Hier ist Ihr Schlafzimmer. Hier läuft ein Korridor; durch dieses Zimmer muss der Dieb entschlüpft sein. Das Fenster war übrigens im Augenblick des Diebstahls geschlossen, wie ich sehe. Es muss wahrscheinlich zertrümmert worden sein. Ja, ich sehe ganz deutlich: es ist in der Tat zertrümmert worden. Ich sehe die Scherben liegen. Warum haben Sie mir davon nichts gesagt?“

      Der Gutsbesitzer, sehr bestürzt, erklärte, dass in der Tat ein Fenster zertrümmert gewesen sei. Er habe vergessen, davon zu sprechen.

      „Der Kutscher, dessen Bewerbungsbrief ich hier liegen habe, hat keine ganz reine Hand. Er hat zweifellos Diebstähle ausgeführt. Ich vermute auch, dass er schon bestraft ist. Aber in diesem Fall ist er unschuldig.“

      „Er ist in der Tat vorbestraft,“ sagte der Gutsbesitzer. „Das hätte ihm beinahe den Hals gebrochen. Die Polizei war drauf und dran, ihn als verdächtig in Haft zu nehmen.“

      „Der Eleve N. — hier ist sein Bewerbungsbrief — ist völlig unschuldig. Ich will ihn Ihnen übrigens beschreiben. Er ist gross, hat dunkles Haar, das in der Mitte gescheitelt ist, einen etwas wiegenden Gang und hat religiöse Neigungen. Er ist ein eifriger Kirchenbesucher, wie ich vermute.“

      Der Gutsbesitzer, vollkommen verblüfft, sah den Berichterstatter mit weit aufgerissenen Augen an. „Ja, um Gottes willen, woher wissen Sie denn das alles? ... Da stimmt ja jedes Wort ...!“

      „Natürlich“, sagte Herr I. „Und nun komme ich zu dem anderen Gutseleven. Auch ihn möchte ich zunächst einmal beschreiben, damit wir uns in der Person nicht irren. Er ist mittelgross, hellblond, trägt einen Kneifer und hat ein kurzes Bein.“

      „Herr I.,“ sagte der Gutsbesitzer, „ich muss annehmen, dass Sie inzwischen aus anderen Quellen sich über mein Personal informiert haben.“

      „Hoffentlich glauben Sie das nicht im Ernst“, sagte der Hellseher lachend. „Ich habe Ihnen nämlich aus einem ganz bestimmten Grunde diese Beschreibung von Personen gegeben, die ich nie gesehen und die ich lediglich psychometrisch aus ihren Briefen gewonnen habe. Ich möchte, um es Ihnen rund heraus zu sagen, auf diese Weise Kredit eingeräumt erhalten für das, was ich Ihnen zu sagen wünsche. Nämlich: dieser Gutseleve Nummer zwei ist der Dieb.“

      Das war nun freilich eine Behauptung, die im Moment nicht nachzuprüfen war. Nicht ganz überzeugt, aber doch innerlich beunruhigt, vielleicht erschüttert, fuhr der Gutsbesitzer gen Fulda und ging zur Polizei.

      Man lächelte ein bisschen, als man von dem Berliner Hellseher hörte. Immerhin wurde nochmals recherchiert.

      Vergeblich.

      Der Gutsbesitzer teilte dies Herrn I. mit. Herr I. schrieb:

      „Die Kassette mit dem Gelde liegt an einem hohen unzugänglichen Ort. Wie ich vermute auf dem Gipfel des benachbarten Berges. Sie ist so gut versteckt, dass man sie wahrscheinlich nicht finden wird.“

      Hier nun hat sich, wie ich gleich an dieser Stelle bemerken will, der Hellseher geirrt. In der Tat wurde die Kassette weit später an einem hochgelegenen Ort entdeckt. Aber nicht auf dem Gipfel eines Berges, sondern — auf dem Dachboden des Hauses, unmittelbar unter dem Giebel.

      Man konnte also weder dem Gutseleven Nummer zwei noch irgendeinem andern den Diebstahl nachweisen. Der ganze Fall wäre vermutlich in Vergessenheit geraten oder doch zum mindesten niemals aufgeklärt worden, wenn sich nicht etwa ein halbes Jahr später ein neuer Diebstahl zugetragen hätte.

      In der Silvesternacht, während im Gutshause eine grössere Gesellschaft nach gründlichen Tafelfreuden beim Wein sass, wurde aus der Küche das gesamte Silbergeschirr des Gutshofes gestohlen.

      Der Gutsbesitzer, über diese neue Dreistigkeit ausser sich, hatte den glücklichen Einfall, keinem der Gäste und überhaupt niemand im Hause etwas von dem Vorfall zu sagen. In aller Stille kurbelte er das Auto an und fuhr nach Fulda, der nächstgelegenen Stadt.

      Eine Stunde später kehrte er mit drei Polizeibeamten zurück.

      Unterwegs hatte er die Aufmerksamkeit seiner Begleiter auf den Gutseleven Nummer zwei gelenkt. Wenn man nun auch der Diagnose des Hellsehers skeptisch gegenüberstand, so hatte er doch wenigstens das eine erreicht, dass man mit den Recherchen bei jenem Gutseleven begann.

      Nach einer halben Stunde hatte man den gesamten Silberschatz gefunden. Der Gutseleve hatte ihn unter den Dielen seines Zimmers vergraben.

      Man sagte ihm nunmehr auch den Diebstahl des Geldes auf den Kopf zu. Er versuchte zu leugnen — endlich aber, in die Enge getrieben, gestand er ein, dass er in der Tat der Dieb sei. Er gab auch das Versteck an: auf dem Dachboden.

      Aber es war nur die leere Kassette, die man dort fand. Das Geld hatte der Dieb, der offenbar, abgesehen von seiner grosszügigen Auffassung von Mein und Dein, ein gewissenhafter und sparsamer junger Mann war, auf der Sparkasse deponiert, so dass es der Bestohlene nicht nur auf Heller und Pfennig, sondern sogar noch mit Zinsen zurückerhielt.

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