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um den Kopf und die Schultern des Verschwindenden hängen Seetang und Meeresalgen; Wasser scheint von ihm niederzutriefen.

      Der Soldat springt aus dem Bett, reisst die Tür auf und blickt dem Dahinschreitenden nach. Er kann eben sehen, dass das Phantom in derselben Weise — durch die geschlossene Tür hindurch — ein zweites Zimmer durchschreitet.

      Am andern Morgen fragt der revidierende Arzt nach dem Befinden des Patienten; er scheint ihm unausgeschlafen. Der Soldat, der sich jetzt, im nüchternen Licht des Tages ein wenig geniert, kann sich dennoch nicht enthalten, das Erlebnis zu berichten. Der Arzt lächelt zunächst; dann, als er zur Beschreibung der Erscheinung kommt, wird er stutzig. Schwestern erscheinen; sie lassen sich, sichtlich nachdenklich und verwirrt, das Erlebnis ebenfalls berichten. Darauf kündigt man ihm den Besuch des Chefarztes an. Der Patient wird unruhig; er fürchtet eine Art von psychiatrischer Prüfung, denn er selbst muss sich jetzt bei nüchterner Überlegung sagen, dass diese ganze Geschichte sehr stark nach den Phantastereien eines Irrsinnigen aussieht.

      Der Chefarzt erscheint. Aber er ist die Aufmerksamkeit in Person, und zum Schluss bittet er den Patienten, ihm die genaue Beschreibung des Mannes, der ihm in dieser Nacht erschienen ist, schriftlich zu geben.

      Und nun ergibt sich folgendes: ein paar Tage später kommt der Antwortbrief der Besitzerin dieses Hauses. Sie erklärt, dass sie aus der Beschreibung des Erschienenen unzweideutig und ohne jede Irrtumsmöglichkeit ihren verstorbenen Mann erkenne, den Besitzer dieses Hauses ...

      III

      Die hier folgenden kleinen Erlebnisse haben sich nicht wie die andern an dieser Stelle geschilderten in meiner unmittelbaren Nachbarschaft zugetragen. Sie sind aber gleichwohl völlig verbürgt, und auch die Personen, denen sie widerfahren sind, sind so einwandfrei, dass ich nicht anstehen möchte, mich für die Tatsächlichkeit der Vorgänge einzusetzen.

      Ein englischer Gesandter, den ich hier Lord L. nennen will, wachte eines Nachts von einem Geräusch auf, das aus dem Garten des Gesandtschaftshotels zu kommen schien. Er stand auf und trat ans Fenster. Helles Mondlicht lag über den Bosketten; aber niemand war zu sehen. Er glaubte schon, sich verhört zu haben, als er plötzlich Schritte vernahm. Und nun erkannte er einen Mann, der den Kiesweg entlang auf das Haus zugeschritten kam. Einen Mann, der eine Last auf dem Rücken trug.

      Das Mondlicht fiel dem Fremden ins Gesicht, so dass der Gesandte seine Züge deutlich erkennen konnte. Es war ein junger Mann mit einem fahlen, ziemlich eingefallenen Gesicht. Rötliches Haar lugte unter der Schirmmütze hervor; das Auffallendste an ihm waren seine grossen, sehr breiten Hände, mit denen er den Gegenstand auf dem Rücken umklammert hielt. Über dem linken Auge hatte er eine Narbe.

      Lord L. glaubte einen Moment an ein Liebesabenteuer des Dienstpersonals. Eben hatte der Mann sich dem Hause so weit genähert, dass der Gesandte den Gegenstand erkennen konnte, den jener auf dem Rücken trug. Zu seinem Erstaunen war es ein Sarg.

      Lord L. beugte sich zum Fenster hinaus und rief den Betreffenden an; jener blickte flüchtig hinauf, ging aber dann, als ob nichts geschehen wäre, ins Haus.

      Der Gesandte überlegte einen Augenblick, ob er den merkwürdigen Besucher hinaufrufen solle; dann aber verschob er diese Absicht bis auf den nächsten Morgen.

      Am andern Morgen erhielt er zu seinem Erstaunen die Auskunft, dass kein Besuch in dieser Nacht das Haus betreten habe. Auch sei kein Todesfall vorgekommen, und von einem Sargtransport könne füglich nicht die Rede sein.

      Der Gesandte musste wohl oder übel an eine Traumerscheinung glauben. Allmählich vergass er das Erlebnis. Später wurde er versetzt, und zwar nach Paris.

      Hier in Paris wohnte er einer diplomatischen Festlichkeit bei, die in einem grossen Hotel stattfand. Es war an einem Dienstag abend, kurz nach 12 Uhr, als er an der Seite einer Dame zum Fahrstuhl ging, um in die erste Etage zu fahren. Die Lifttür öffnete sich; der Fahrstuhlführer liess die Dame zuerst eintreten und blickte erwartungsvoll dem Gesandten entgegen, als dieser einen Blick in sein Gesicht warf und zurückfuhr ...

      Er erkannte in dem Fahrstuhlführer den Mann, der in jener Mondscheinnacht vor vielen Jahren, einen Sarg auf dem Rücken, ins Gesandtschaftshotel gegangen war: das rote Haar, die Narbe, die grossen, fleischigen Hände.

      Wie alle Engländer abergläubischen Regungen nicht unzugänglich, trat er zurück und bat auch die Dame, nicht einzusteigen. Aber schon setzte sich der Lift in Bewegung.

      Lord L. ging zur Treppe, als plötzlich ein furchtbarer Aufschrei aus dem Innern des Fahrstuhlschachtes kam, dem ein donnerähnliches Krachen folgte. Alles lief zum Lift. Man riss die Türen auf. Das Seil des Fahrstuhles war gerissen. Beide Insassen waren tot.

      Die Tochter des deutschen Botschafters Fürst von Radolin, die Gräfin Moy, verbürgt sich für das nachfolgende Erlebnis, das der Oberhofmeisterin der Grossfürstin Wladimir (geborene Herzogin von Mecklenburg), einer Frau v. Peters, in Cannes widerfahren ist:

      Frau v. Peters wohnte mit der Grossfürstin in einem alten Hause, das dem Herzog von Orléans gehörte. Die Grossfürstin wohnte im ersten Stock, neben ihrem Zimmer lag das Schlafzimmer ihrer kleinen Tochter Helene, die später übrigens Prinzessin von Griechenland wurde. In einem grossen Raum zur Rechten, der unbenutzt war, standen schwere Möbel aufgespeichert; eine Tür verband dieses Zimmer mit den Appartements der Grossfürstin. Die Tür war verschlossen.

      Frau v. Peters, die mit dem Gefolge das Parterre bewohnte, wurde eines Tages von der Grossfürstin über den merkwürdigen Lärm zur Rede gestellt, der Nacht für Nacht durch das Haus ging. Die Oberhofmeisterin verwahrte sich gegen die Vermutung, dass sie etwa die Anstifterin oder die Dulderin dieser Geräusche sei. Um der Sache auf den Grund zu gehen, benutzte die Oberhofmeisterin eine kleine Reise der Grossfürstin, für einige Tage in den ersten Stock zu ziehen. Die kleine Prinzessin wurde in ihrem Schlafzimmer von der Nurse bewacht.

      Eines abends nun, in der Zeit zwischen 10 und 12 Uhr, erwachte Frau v. Peters von einem heftigen Geräusch. Es klang genau so, als ob nebenan in dem unbenutzten Zimmer die Möbel gerückt würden. Sie öffnete die Tür — Alles war still. Befremdet legte sie sich wieder schlafen — der Lärm setzte von neuem ein. Diesmal noch stärker; aber er schien jetzt von der anderen Seite zu kommen. Frau v. Peters legte die Hand auf die Klinke der Tür, die zum Kinderzimmer führte; die Tür war verschlossen. Die Oberhofmeisterin, von einem seltsamen Gefühl beunruhigt, beugte sich nieder, um durchs Schlüsselloch zu spähen. Da bemerkte sie, dass aus dem Zimmer der Prinzessin gelblicher Lichtschein kam: so als ob nebenan mehrere Kerzen brannten. Sie schloss auf und betrat das Kinderzimmer. Ihr erster Blick fiel auf die Nurse, eine junge Engländerin. Sie sass mit weit aufgerissenen Augen in einem Sessel und starrte mit dem Ausdruck des Entsetzens der Oberhofmeisterin entgegen.

      „Was ist das für ein Geräusch, Miss Gray?“

      Die Engländerin stammelte: „Wenn Sie sehen wollen, was es ist, so löschen Sie Ihre Kerze aus.“ Frau v. Peters blickte der Erregten ins Gesicht; sie sah, dass ihre Zähne vor Entsetzen aufeinanderschlugen.

      „Haben Sie diesen Lärm schon mehrfach erlebt?“

      „Jede Nacht“, sagte die Engländerin. „Jede Nacht wiederholt er sich. Ich werde wahnsinnig in diesem Hause. Bitte löschen Sie das Licht.“

      Die Oberhofmeisterin tat es. Und zu ihrem Entsetzen erblickte sie einen gespenstischen Zug von mittelalterlich gekleideten Gestalten in Zwergengrösse. Sie trugen Fackeln in den Händen und bewegten sich feierlich und ernsthaft um das Bett des Kindes, das übrigens ruhig schlief. Die Erscheinungen waren so deutlich, dass Frau v. Peters die Gesichtszüge der einzelnen genau unterscheiden konnte. Und, seltsam, die beiden ersten Gestalten waren geköpft. Gleichwohl machte die Prozession den Eindruck eines Hochzeitszuges. Frau v. Peters zündete die Kerze wieder an; der Spuk verschwand augenblicklich. Sie löschte sie abermals; der Zug war wieder da.

      Man weckte die Hausbesorgerin. Die erklärte, allen Bewohnern des Schlosses sei dieser Spuk seit Jahren bekannt. Man forschte nach der Geschichte dieses Hauses und erfuhr, dass vor langer Zeit hier ein Herzog von Orléans überfallen und getötet und das Brautpaar enthauptet worden sei.

      Die

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