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fing an, schallend über seine Entdeckung zu lachen.

      Ja, es ist Lebensspender und Mörder zugleich, sagte ich kurz.

      Nein, das gibt es nicht, das widerspricht sich, protestierte er. Wie soll das gehen?

      Der, der ihn überzieht, bleibt am Leben, das, was reingeht, stirbt und wird nie ein Mensch, sagte ich.

      Ach so siehst du das, sagte er erstaunt und fügte hinzu:

      Ich habe mir nie den Kopf darüber zerbrochen, wie es war, als ich tot war, bevor ich geboren wurde, aber meine Frau sagt oft:

      Wenn jemand für die Menschheit gestorben ist, dann nicht Jesus Christus, sondern die Ratten, die benutzt werden, um in den Labors Medikamente auszuprobieren, damit wir Kranke geheilt werden können. Die sterben ganz sicher für die Menschheit. Und es ist eigentlich viel interessanter und rätselhafter, wie es war, tot zu sein, bevor man zur Welt kam, als zu wissen, wohin man geht, wenn man sie wieder verläßt.

      Man fährt natürlich mit dem Körper ins Grab, doch die Seele fliegt zu Gott, sage ich dann, sagte er.

      In welchem Grab waren wir vor der Geburt begraben und bei welchem Gott? fragt sie zurück.

      Und was sagst du, wenn sie das sagt? fragte ich.

      Ich versuche mir weder die Zukunft noch die Vergangenheit vorzustellen, wo wir waren oder sein werden, ich will nur, was mir zusteht, antwortete er.

      Mir gefiel nicht, wie er mich ansah.

      Nach solchen Gesprächen kriege ich immer, was mir zusteht, sagte er triumphierend. Auch wenn wir manchmal bis spät in die Nacht herumdiskutieren oder bis einen der Geist völlig verlassen hat; dann kommt statt dessen nur das Verlangen.

      Wo der Geist aufhört, beginnt die Leidenschaft, sagte ich.

Erstes Tagebuch

      13/10 1988

      Ich war nachmittags zur festgesetzten Zeit im Bett, weil er vorhatte, sich zwischen eins und zwei »blicken zu lassen«. Ich hatte ein Bad genommen, damit ich sauber war und er mich eine Weile mit heiliger Unsauberkeit beschmutzen konnte, mich mit Leidenschaft verunreinigen, mich in seiner Gischt wälzen, meine Liebe mit dem verwöhnen, was von seiner Seite sicher nur Lust ist, doch bei mir so etwas wie gequälte und klare Liebe.

      Ich finde, daß der Körper besser zum Liebesakt taugt, wenn er nicht frischgewaschen dazukommt, sondern nachdem er seine Salze auf der Haut wieder bekommen hat und nicht mehr unnatürlich sauber nach Seife oder Parfüm riecht. Das gilt zumindest für Männer. Es ist etwas anderes, wenn ich mit meiner Frau schlafe: Sie ist am besten, wenn sie direkt aus einem gerade angenehm warmen Bad kommt. Ich muß eine kalte Dusche nehmen oder nackt auf dem Fußboden herumlaufen, bevor ich ihr nahekommen darf, denn wie sagt sie immer:

      Klare Gegensätze, hierin wie in anderen Dingen, sind am besten.

      Ich habe nie die neue Frau meines Freundes gesehen, doch wahrscheinlich ist sie übertrieben reinlich, denn er geht sorgfältig mit seinen Sekreten um, fast auf weibliche Art und Weise, obwohl er ansonsten natürlich rauh im Umgang mit dem Fleisch ist. In bezug auf die äußere Sauberkeit muß ich ihm mit genügend Bädern und Waschen entgegenkommen. Am Telefon sagt er immer, wenn er sein Kommen ankündigt:

      Du mußt gebadet haben und fertig sein, wenn ich mich blicken lasse.

      Ich möchte, daß der Körper bei der Liebe seinen natürlichen Geruch behält. Ich mag ihn am liebsten, wenn er gerade von der Arbeit gekommen ist und nach Anstrengung duftet und etwas müde ist und bei der Liebe Erholung suchen muß.

      Ich hatte zu Mittag gegessen und den Körper darauf vorbereitet, daß wir gegenseitig unser Fleisch verschlingen konnten, unter Schweigen, das von vereinzelten, dürftigen Worten unterbrochen wird, die immer die gleichen sind und dennoch inmitten aller Heftigkeit genauso wirkungsvoll wie zu Beginn, hinterher jedoch problematisch werden und in Gedanken kurios klingen, so daß man sich fast schämt und sich darüber wundert, daß so leere und banale Worte am richtigen Ort und zur richtigen Zeit wahr scheinen und einem Freude bereiten können.

      Gerade als ich fertig war, rief er wieder an und sagte mit tiefer, heiserer und ängstlicher Stimme, daß er mich nicht treffen könne. Seine Frau war unten in der Waschküche und konnte ihn jeden Moment überraschen, so daß er so schnell wie möglich zum Telefon gegriffen hatte, und das Gespräch wurde kurz und abrupt.

      Irgendwie habe ich das Gefühl, daß seine Frau abends ziemlich oft im Keller ist, um zu waschen und das Bett und alles um sich herum sauberzuhalten. Währenddessen schleicht er zum Telefon, um anzurufen und mir vor Einbruch der Nacht erregende Worte zu sagen. Wenn ich versuche, ihn damit zu ärgern, daß er damit wohl die Potenz steigern muß, dann widerspricht er und sagt:

      Er steht mir immer einwandfrei bei der Frau, und ich brauche keine besonderen Tricks.

      Trotzdem ist es nicht unwahrscheinlich, daß er sich mit mir erregt und die Leidenschaftlichkeit auf die Frau überträgt, wenn sie endlich aus dem Keller gekommen ist, mit wolkenlosen Gedanken und strahlend weißer Wäsche, und seine Zudringlichkeit nicht begreift.

      Es kommt mir vor, als müßte ich abends kaum in den Keller gehen, damit du in Hochstimmung bist, wenn ich wieder raufkomme, sagt sie erschöpft, doch im selben Moment ist sie sich ihrer Macht über ihn bewußt, und es macht ihr Spaß, widerstrebend nachzugeben.

      Ich vermisse dich so, sagt er mit der Heiserkeit im Hals, die Männer oft bekommen, wenn sie in dieser Stimmung sind.

      Nur, wenn ich schnell mal in den Keller gehe? fragt sie und fügt hinzu: Das ist eigenartig.

      Er erzählt mir das oft, nicht direkt im Vertrauen, sondern in unschuldiger Verwunderung darüber, daß er sich genötigt fühlt, etwas zu sagen, wenn wir fertig sind; er möchte sofort verschwinden. Wenn ich die Inbrunst in seinen Worten höre, denke ich, daß er mir ein besonderes Vertrauen zeigt, das einer aufrichtigen Haltung entsprungen sein muß. Ich frage unwillkürlich, um meinen Wunsch bestätigt zu bekommen: »Warum bist du mit mir zusammen, wenn deine Frau nur mal kurz mit der dreckigen Wäsche runtergehen muß, damit du hinterher nicht ohne sie im Bett sein kannst?« Ich hoffe, daß er etwas sagt, das auf wärmere Gefühle mir gegenüber hinweist, aber meistens sagt er entweder: »Ich habe keine Gewalt über mich, weil irgendwas in mir drin sitzt«, oder: »Ich treffe mich mit dir, um der Frau eine Pause zu gönnen. Und willst du deiner damit nicht auch eine gönnen?«

      Ist das, was wir tun, nur dazu da, um den Ehefrauen eine Pause zu gönnen? frage ich.

      Natürlich, antwortet er und sieht mich an, beleidigt, daß ich etwas anderes denken kann. Das ist das Gute daran, daß man in der Ehe betrügt. Verheiratete Frauen und Mütter halten nicht viel Belastung durch ihre Männer aus.

      Mir wird ganz sonderbar zumute, ich bin etwas durcheinander und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll angesichts einer ebenso kindischen wie auch natürlichen Einstellung dem gegenüber, was zwischen uns ist, und seiner Ansichten darüber, was Rücksicht auf Mütter sei, doch ich nehme mich zusammen, wappne mich gegen seine festverwurzelten Ansichten über die Sünde und welcher Art das Recht des Körpers in bezug auf sie sein kann, und sage mit einem Sarkasmus, der eher in meinen Gedanken als in Worten oder auf meinen Lippen ist:

      Was mich betrifft, so gönne ich nicht der Frau eine Pause, sondern ich mag dich einfach.

      Da wirft er mir schweigend und beunruhigt einen Blick zu, und ich glaube, daß er denkt: »Ach so, bist du dann nachts bei deiner Frau, um mir tagsüber eine Pause zu gönnen? Ich dachte, sie hat Urlaub.« Er ist offensichtlich zufrieden mit dem Gedanken, ja sogar selbstzufrieden über seinen Anteil an meiner Potenz, doch er sagt ganz einfach:

      Die Frauen müssen auch ihren Anteil kriegen.

      Als er vor kurzem anrief, wollten sie gerade zusammen in die Innenstadt fahren. Sie mußte für ihn etwas zum Anziehen kaufen, denn er sagt oft: »Die Frau wählt alles für mich aus; auch die Socken.«

      Das Schiff fährt morgen nach Amerika, flüsterte er am Telefon. Wir sehen uns erst in drei Wochen wieder.

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