Скачать книгу

bekäm’ ich übernatürliche Gesichte. Ich muß sagen, das war ein sehr übernatürliches Gesicht. Demnach ist mir das Fleischtöten wunderbar gelungen. Und was ich auf einmal mutig geworden bin. Das kommt scheint’s alles von der Heiligkeit.

      Biribi kommt zurück, mit einem weißen Tuch in seinem Maul.

      Jetzt kommt’s schon wieder; das ist vielleicht sein Taschentuch, mit dem es seine Krokodilstränen trocknet. Aber ich hab’ auch schon was gehört von einer weißen Fahne, die der Feind aufsteckt, wenn’s ans Verhandeln geht. Das soll heißen: Ich komme in friedlicher Absicht. Tust du mir nichts? Biribi schüttelt den Kopf. Gut, ich tu’ dir auch nichts. Jetzt tut’s auch noch das Tüchel vor mir ausbreiten und spuckt eine Sach’ drauf. Ein Ding wie eine Kartoffel. Aha, es will mir was zu essen bringen, weil’s mir alles weggefressen hat. Stimmt’s? Biribi nickt. Gut, auf dein vertrauenerweckendes Äußeres hin werde ich es riskieren. Er ißt. Es schmeckt grad nicht schlecht, aber fremd. Biribi ab. So zwischen einer saftigen Birn’ und einer kalten Blutwurst. Aber was ist denn das?

      Man hört die Stimmen und sieht die Umrisse einer Schleiereule und eines Raben in der Luft.

      Stimme der schleiereule. Guten Morgen, Frau Rabe! Wie nett, daß Sie mich in meinem Altjungfernheim einmal besuchen. Was macht Ihr Mann, der Pfarrer Rab?

      Stimme der frau rabe. O danke, danke, Fräulein Schleiereule.

      Kasperle. A do legst di nieder. Auf einmal versteh’ i Tier’. Ich verstehe die Sprache der Tiere. So bedeutend ist jetzt nicht einmal der Chinese. Das kommt alles von der Kartoffel, die mir das Krokodil ’bracht hat.

      Eule. Und wie geht es Ihnen selbst, Frau Rabe?

      Frau rabe. Ach, ich habe nicht ausgeschlafen. Wissen Sie, wenn mein Mann nachts aufwacht, ist er so eigen.

      Eule. Eigen? Wie ist er denn, wenn er eigen ist? Ich höre so gern etwas davon, ich lebe ja so eingezogen.

      Frau rabe. Von was leben Sie denn eigentlich?

      Eule. Von Erinnerungen. Ich sitze auf den Ruinen meiner Vergangenheit. Ein Schleier liegt über meinem Gesicht. Ich war einmal schön, als ich noch nicht Schleiereule war. Aber warum konnte denn Ihr Herr Gemahl nicht schlafen heute nacht?

      Frau rabe. Ach wissen Sie, wir wohnen doch auf der alten Tanne über Wolfs. Herr Wolf ist seit einiger Zeit von einem schweren Lungenhusten geplagt. Er hat sich erkältet, weil – nun weil Frau Wolf ihn nachts nicht mehr wärmt, und er war doch so gewöhnt daran. Aber davon spricht man lieber nicht.

      Eule. O sprechen Sie sich unbefangen aus, ich bin ganz Ohr.

      Frau rabe. Nun, es ist, seitdem Frau Wolf von ihm wegging. Sie ist auf Abwege geraten. Es ist doch die Geschichte mit dem Fuchs.

      Eule. O sagen Sie, sagen Sie, ich begrabe es tief unter der Ruine meiner Vergangenheit.

      Frau rabe. Glauben Sie, so wahr Ihre Vergangenheit eine Ruine ist: Ich spioniere nie, nein, niemals! Nur saß ich neulich spätabends auf dem Hühnerstall, weil ich dem Hahn eine Botschaft von meinem Mann auszurichten hatte. „Der Wandel des Hahns gefällt Gott nicht“, pflegte mein Mann zu sprechen. Ich sollte dem Hahn zureden, daß er seinen Umgang endlich nur auf eine Henne beschränken möge. Er sei sonst ein Ärger der ganzen Tiergemeinde. Ich hatte es verrichtet und war gerade etwas eingenickt, da erwachte ich im vollen Mondschein an einem schmatzenden Geräusch, und was muß ich sehen? Was muß ich hören? Frau Wolf säuft mit dem jungen Fuchs Blut aus ein und demselben Hühnerhals.

      Eule. O wie schauerlich schön! Ganz im Stil meiner alten Ruinen!

      Frau rabe. Mein Mann hat ihr natürlich ins Gewissen geredet. Und was sagte sie? Ein solches Rot – sagte sie – wie das Rot dieses Fuchsschwanzes sei ihr noch niemals vorgekommen. – Das ist die Geschichte! Seither hat Herr Wolf den Lungenhusten.

      Eule. Da müßte ich immerfort Husten haben. Mich wärmt ja niemand! Aber wer hätte gedacht, daß der Wolf, den man als einen starken Charakter kennt, so weich veranlagt ist!

      Frau rabe. O, furchterregend ist er nur in der Öffentlichkeit, wenn er es mit Schafen zu tun hat. Im Privatleben ist er ganz weich.

      Eule. Das könnte mich beinahe rühren. Aber Sie wollten mir doch von Ihrem Mann erzählen, wie er manchmal aufwacht, mitten in der Nacht. Sie sagten, dann sei er so eigen, sagten Sie. Ich interessiere mich so für die kleinen Zufälle des ehelichen Lebens.

      Frau rabe. Mein Gott, er übt seinen Beruf als Pfarrer sehr ernsthaft aus. Es steht ihm gut, wenn er mit den Flügeln schlägt und den Zorn Jahwes verkündet. Da sagt sich unsereins stolz: Du bist dieses Mannes Frau. Aber im Alltag ist er oft gar nicht leicht. Das Erhabene ist nicht immer umgänglich. Nachts, wenn der Wolf husten muß, gehen meinem Mann die Sünden der ganzen Welt im Kopf herum; er stößt mich mit dem Schnabel an und sagt: Frau, kannst du schlafen, wo soviel Sünde in der Welt ist?

      Eule. Diese moralische Zartheit ist doch herzerquickend. Sie sind wohl sehr glücklich, Frau Rabe?

      Frau rabe. Schon! Adieu! Flattert fort.

      Eule nachrufend. Was tut man aber mit dem kranken Wolf?

      Frau rabe zurückrufend. Mein Mann will mit dem Lamm sprechen. Es soll ihm freiwillig seine Wolle geben zu einem Brustkissen. Es gehört freilich viel Christentum dazu. Aber mein Mann versteht es schon, das schlafende Christentum in einer Lammbrust zu wecken.

      Eule. Es ist ein herrlicher Gedanke, zu denken, was alles passiert. Mein Gott, ich bin fürwahr eine Eule mit Weile, und manchmal sogar eine Eule mit Langerweile!

      Siebente szene

      Vor der Höhle des Chinesen.

      Biribi.

      Mir scheint, was da passiert, das ist eine Tragödie, und zwar passiert sie mit mir! Es ist schon arg, in den Armen seiner Geliebten in ein Ungeheuer verwandelt zu werden, aber daß sie mich nicht einmal kennt, nicht weiß, daß ich ihr Wunderschön bin, das ist noch viel ärger. Und daß ich allein mit meiner Zunge sie vom Tod erretten kann, das wäre an sich nichts Arges. Aber das Arge daran ist, daß sie vor mir davonspringt, und ihr Herr Vater auch, weil sie’s halt nicht wissen! Und weil ich halt stumm bin und es nicht sagen kann! Aber das wäre noch nicht das Ärgste. Die dritte Nacht erlebt sie nicht mehr, wenn ich ihr nicht geholfen habe. Das ist ärger als arg! Wenn ich erlöst bin – und welches Ungeheuer wäre so ungeheuer, daß es nicht erlöst sein wollte –, dann kann ich ihr mit meiner menschlichen Zunge nicht mehr helfen. Meine Erlösung wünschen hieße ihr den Tod wünschen. O Seelenkampf! Ich bin nicht mehr ich, sie kennt mich nicht, ich kann ihr nicht helfen; wird mir geholfen, so helf’ ich ihr nicht, und beide können wir nichts dafür! Wenn das nicht arg ist! Aber das Ärgste ist, daß ich es nur mir selber sagen kann – und ich weiß es doch schon! Hier an diesem Stein haben sie ausgeruht, ich schlich dazu, um schnell meine Zunge auf ihre Wunde zu legen, und wuppdich waren sie im hellen Schreck schon drin bei dem Chinesen, um vor mir Schutz zu suchen. Ach, daß doch der Mensch gerade vor dem Schutz sucht, der ihm helfen kann, und daß der, der ihm helfen kann, für ihn die Gestalt eines Ungeheuers hat! Das ist ein ungeheuerlicher Gedanke! Als ich in den Pfuhl sah, vergoß ich Tränen über mein schmerzhaft verlängertes Gesicht. Wenn das nicht arg ist! Die ganze Nacht habe ich hier gewartet, jetzt treibt mich der Hunger fort. Ab.

      Der Chinese tritt mit dem König aus der Höhle.

      Chinese. Schläft sie noch?

      König. Sie schläft noch. Sagen Sie mir ganz aufrichtig, mein Herr Chinese, gibt es jemand noch Gescheiteres als Sie selbst sind – ich kann es mir zwar kaum denken.

      Chinese. Möglich wäre es, aber es ist nicht wahrscheinlich. Ich kenne einen einzigen Mann, von dem ich gewiß weiß: er ist entweder ungeheuer dumm oder ungeheuer weise. Er schwankt so seltsam hin und her zwischen beidem.

      König. Wie heißt er, und wo wohnt er?

      Chinese. Er heißt Don Gasparo und wohnt in der nächsten Höhle links.

      König. Ich danke sehr. Und Ihnen ist in Ihrem

Скачать книгу