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Jensen-Möllegaard, dem größten Hofbesitzer der Gegend hier. Unser Bauer freut sich darauf, seine Tochter auf dem Mühlenhof einziehen zu sehen. Nächstes Frühjahr gibt’s eine tüchtige Hochzeit hier auf dem Kjelderuphof.“

      Walter antwortet nicht. Es lag etwas wie eine Warnung in den bedächtigen Worten des Großknechtes. Da Jörgensen aufsteht und nach seiner Jacke langt, wünscht auch Walter eine gute Nacht und verschwindet in seine Kammer. Der Großknecht aber liegt noch lange wach in seinem Bett. Das „Sie“ und der neue Strohsack wollen ihm nicht aus dem Kopf.

      „Ist eigentlich Frauenzimmerarbeit, das da,“ brummt Toni Nielsen, als er, seinen Knotenstock in der Hand, sich am Montagabend anschickt, mit dem Großknecht einen Gang durch die Felder zu machen. Sein Blick fliegt etwas mißmutig zu den beiden hinüber, die im Küchengarten hinter dem Wohnhaus jäten und die Wege neu abstecken. Karen richtet sich einen Augenblick auf und lacht den Vater an.

      „Münch hilft mir gerne, Vater!“

      Poul Nielsen zuckt die Achseln. Irgendwie paßt es ihm nicht recht, daß Karen den Neuen nach Feierabend mit Beschlag belegt. Aber der Deutsche ist ein anständiger Kerl. Nielsen hat heute schon bei der Arbeit bemerkt, daß Münch nicht nur mit den Maschinen umzugehen weiß, sondern auch auf den Feldern und im Viehstall seinen Mann steht. Man merkt, daß er Bauernblut in sich hat. Na, wenn er seine Feierabendstunden lieber damit verbringt, dem Mädchen im Küchengarten zu helfen, statt mit den andern Arbeitern nach Höjris zu bummeln, ihm, Poul Nielsen, kann es schließlich recht sein.

      „So, jetzt haben wir’s gleich geschafft, Fräulein Karen!“ Walter sticht die letzten Kanten ab und wischt seinen Spaten ab. „Die Wege sind so gerade, wie sie sein sollen.“

      „Meinen Sie: wie sie im Leben sein sollen, Münch?“

      Walter sieht überrascht auf. „Daran hab’ ich nicht gedacht. Aber richtig ist’s schon: Ich mag die krummen Wege nicht gern, im Garten nicht und auch nicht im Leben.“

      *

      Karen beugt sich wieder nieder, um noch ein paar Halme Unkraut herauszuziehen, und ohne ersichtlichen Grund beginnt sie auf einmal zu singen. Walter lauscht verstohlen. Ein fröhliches dänisches Lied, so hell und sommerlich wie ihre ganze Gestalt, die sich in unbewußter Anmut über die Beete bückt.

      Sie spazieren dann noch ein bißchen durch die Felder, zum „blauen Loch“, einem verwilderten Gartenstück voller Fingerhut und Glockenblumen, von dem aus man die Schilfufer des Randers-Fjords erblicken kann. Sie sprechen viel miteinander unterwegs. Karen ist anders als die „Mädchen vom Lande“, die Walter sonst kennt. Sie plaudert von hundert Dingen, und es ist dennoch kein so oberflächliches, nichtiges Schwatzen wie bei vielen Großstadtmädchen, deren Horizont oft nicht über die Tanzdiele und das Kino hinausgeht und die sich dennoch Gott weiß wie erhaben dünken. Und noch eines versteht Karen Nielsen: das Zuhören. Sie kann so still und versonnen neben ihm dahergehen, wenn er von seiner Heimat spricht, von seinen Eltern, seinem bisherigen Leben. Als die beiden sich endlich vor der Tür des Leutehauses trennen, fühlt jede Hand den festen Druck der andern. Um so schneller irren die Augen auseinander.

      Poul Nielsen ist bereits heimgekommen und in schlechter Laune, als seine Tochter in das Wohnzimmer huscht.

      „Wo warst du denn, Karen?“

      „Bißchen spazieren mit Münk.“

      Der Hofbesitzer runzelt die Stirn. „Mir scheint, du möchtest am liebsten den ganzen Tag mit dem Neuen schwatzen und noch die halbe Nacht dazu. Was soll dein Verlobter davon denken?“

      „Meinst du Jensen-Möllegaard?“

      „Wen denn sonst? Du wirst mir zu flatterig, Karen. Ist höchste Zeit, daß du unter die Haube kommst. Ich werde mal mit Jensen sprechen, was er dazu meint, wenn wir die Hochzeit statt im Frühjahr schon in der Weihnachtszeit feiern.“

      „Nein, Vater, tu das nicht!“

      „Warum nicht, Mädel? Ja, so, ich verstehe schon. Du möchtest ihm das selber sagen, wie? Nun, nächsten Sonntag bist du ja wieder im Mühlenhof. Es sind nun schon vier Wochen her, seit du deinen Verlobten zuletzt besucht hast.“

      Poul Nielsen wartet keine Antwort ab. Er setzt sich breit an den Tisch und beginnt die Post durchzusehen, die der Bote heute nachmittag gebracht hat, ein paar landwirtschaftliche Zeitschriften, einen Prospekt von einer neuen Melkmaschine und zwei Briefe, von denen der eine den Aufdruck der Randers-Bank, der andere den Poststempel der Hauptstadt trägt. Poul Nielsen schneidet sie bedächtig auf und beginnt langsam zu lesen.

      Karen sitzt währenddessen am Tisch, aber sie nimmt nicht wie sonst ihr Strickzeug zur Hand, ihre Hände ruhen im Schoß, und die Finger schlingen sich nervös umeinander. Besuch bei Jensen-Möllegaard! Wieder freundlich sein, lächeln, sich als zukünftige Herrin des Mühlenhofes zeigen und doch dabei kämpfen gegen den Mann, der sie zur Frau will und den sie nicht liebt. Jeder Sonntag, den Karen im Mühlenhof verbracht hat, ist so ein stiller Kampf gewesen. Der Vater sieht es nicht. Er sieht in Jensen-Möllegaard nur den ehrenfesten, etwas würdevollen und ernsten Hofbesitzer, einen Bauern, der für sein Anwesen eine Frau sucht. Wenn es so wäre! Karen ist in der Anschauung aufgewachsen, daß eine Heirat hier auf dem Lande nur von praktischen Gesichtspunkten geschlossen wird. Aber wenn sie mit Jensen-Möllegaard allein ist, der ihr Vater sein könnte, bäumt sich ihre ganze Jugend auf gegen diese Heirat. Ist das denn nötig, daß sie den alten Jensen-Möllegaard nimmt? Warum kann sie nicht auf dem Kjelderuphof bleiben, bis ... einer kommt, der sie mag und den sie mag?

      „Vater, ich liebe Jensen-Möllegaard nicht,“ sagt das Mädchen ganz plötzlich und hält den Atem an vor der Stunde der Entscheidung. Aber Poul Nielsen hört den Kampfruf nicht.

      „Wird schon kommen,“ brummt er so nebenbei und liest mit gefurchter Stirn weiter in den Briefen.

      Eine Weile wartet Karen, dann steht sie auf und tritt so dicht zu dem Vater hin, daß er aufschauen muß.

      „Ich gehe nächsten Sonntag nicht nach Möllegaard, Vater. Ich gehe überhaupt nicht mehr zu Jensen!“

      „Was ist denn? Habt ihr euch gezankt?“

      „Nein. Ich kann ihn nicht heiraten!“

      Das verwitterte Gesicht Nielsens bekommt einen verkniffenen, harten Zug. „Dummes Geschwätz! Warum denn auf einmal nicht?“

      Karen bekommt einen roten Kopf und schluckt. „Weil ich ihn nicht mag,“ sagt sie etwas patzig. „Jensen-Möllegaard ist fünfzig und ich erst neunzehnundeinhalb, und überhaupt: Das Leben ist doch so schön, Vater, warum soll ich schon so früh heiraten? Wir könnten doch wenigstens noch ein paar Sommer zusammen ...“

      „Langsam mit den jungen Pferden!“ Poul Nielsen ist aufgestanden und macht ein böses Gesicht. „Hat dich der Sommer verdreht gemacht. Mädel, oder hat dir jemand Flausen in den Kopf gesetzt? Wie denkst du dir das eigentlich? Ich habe Jensen-Möllegaard mein Wort gegeben, die ganze Gegend weiß, daß ihr verlobt seid, etwas vorzuwerfen hast du ihm nicht —. Du bist ja verrückt, Karen!“

      „Verlobt ist noch nicht verheiratet, Vater. Man kann doch eine Verlobung lösen.“

      „Dazu muß man einen Grund haben.“

      „Ist das kein Grund, wenn ich den Mann nicht lieb habe?“

      „Nein,“ sagt Poul Nielsen hart und schaut einen Augenblick mit grauem Gesicht in eine Vergangenheit. Dann macht er eine heftige Handbewegung, als wolle er ein quälendes Bild auswischen. Und nächsten Sonntag gehst du zu ihm. Es gehört sich nicht, daß du vier Wochen lang dich um deinen Verlobten nicht kümmerst.“

      „Vater!“

      „Du heiratest Jensen-Möllegaard. Je schneller ihr aneinander gebunden werdet, um so besser für dich. Punktum!“ Poul Nielsen rafft die beiden Briefe zusammen und geht mit schwerem Schritt aus dem Zimmer.

      *

      Der Abendwind, der vom Fjord herüberweht, vermag Poul Nielsens Ärger nicht mit hinwegzutragen. Das mit Karen ist nicht so ernst zu nehmen. Junge Mädchen haben

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