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klappern über den sauber gefegten Hof. Poul Nielsen, der Besitzer des Kjelderuphofes, weist auf ein Häufchen Pferdemist.

      „Nimm den Besen, Jakob, und feg den Appel auf, der da liegt und strahlt!“

      Jakob, der Arbeitsknecht, der eben drüben aus der Stallung tritt, sieht sich um und langt nach einem der Geräte, die an der Hauswand lehnen. Poul Nielsen tritt vor dem Eingang aus den Holzschuhen und schlürft auf seinen dicken Wollsocken in die Leutestube, wo nach alter Sitte zu Mittag gegessen wird. Der Hofbesitzer, seine Familie und das gesamte Gesinde bis zum Hüterbuben hinab. Ein großgewachsenes, rankes Mädchen mit gesunden, roten Wangen und schwerem blonden Haar, tritt ihm schon an der Schwelle entgegen.

      „Es ist ein Mann da, Vater, der dich sprechen möchte.“

      Das Antlitz des Hofbesitzers verdüstert sich. „Ein Mann? Du solltest mich doch gleich rufen, Karen, wenn einer aus der Stadt nach mir fragt!“

      Karen lacht vergnügt. „Es ist doch keiner aus der Stadt, Vater! Ein Fremder, der Arbeit sucht. Viehhändler Thomsen hat ihn hergeschickt.“

      Walter Münch erhebt sich höflich von der Bank, als der Bauer eintritt, und bringt kurz sein Anliegen vor. Ob er Arbeit bekommen kann auf dem Kjelderuphof?

      Poul Nielsen betrachtet wohlwollend die kräftige Gestalt Walters. „Sie sprechen so komisch. Sind Sie Schwede?“

      „Nein, Deutscher.“

      „Aber er spricht ganz gut dänisch, Vater,“ sagt Karens Stimme rasch hinter dem Rücken des Hofbesitzers. Poul Nielsen lächelt mit gutmütigem Spott. „Din Skaal, min Skaal, alle smukke Pigers Skaal, was? Weiter langt’s wohl nicht.“

      „Ein bißchen weiter doch, Herr Nielsen. Und die Landwirtschaft verstehe ich auch.“

      „Landmann?“

      „Ich bin auf dem Lande groß geworden. Gelernt habe ich Maschinenschlosser.“

      Der Hofbesitzer bekommt einen aufmerksamen Blick. „So? Verstehen Sie was von landwirtschaftlichen Maschinen?“

      „Von der Dreschmaschine bis zum Reihenmäher.“

      „Hm. Dann könnte man ... Kommen Sie mal mit.“ Während sie über den Hof zur Scheune gehen, überlegt Poul Nielsen, daß er seinen zweiten Knecht, den langen Jörgensen, zum Großknecht machen könnte, wenn der Neue da wirklich mit den Maschinen umzugehen weiß und Jörgensen entlasten kann. Es bedarf keines langen Examens, um im Geräteschuppen festzustellen, daß der Deutsche wirklich mit den Maschinen vertraut ist. Ein paar sachkundige Bemerkungen, ein paar fachmännisch untersuchende Griffe Walters am Mechanismus der Motor-Dreschmaschine, und Poul Nielsen weiß Bescheid. Er nickt und zieht hinter Walter das Tor des Schuppens zu.

      „Sind Ihre Papiere in Ordnung?“ Umständlich und aufmerksam studiert er das Paßheft, das Walter ihm hinreicht. Nielsen hat kein Deutsch gelernt in der Schule, aber den Stempel der dänischen Staatspolizei versteht er um so besser. „Eingereist in Vordingborg am 12. Juni.“ Also liegt nichts gegen den Mann vor. Nielsen gibt das Heft zurück.

      „Sie können hierbleiben, Münk. Fünfunddreißig Kronen im Monat, freie Kost und Logis. Mehr kann ich nicht geben. Dafür können Sie aber auch den Winter hierbleiben, wenn Sie wollen.“

      „Es ist gut, Herr Nielsen.“

      Der Hofbesitzer tauscht einen kräftigen Handschlag mit dem Mann. „Jörgensen kann Ihnen die Kammer zeigen. Und einen ‚Herrn‘ gibt’s auf dem Kjelderuphof nicht. Ich bin der Bauer und heiße Poul Nielsen. Das ist ein ehrlicher Name.“

      Ein altes Auto quält sich über die etwas holperige Allee, die von der Landstraße zum Kjelderuphof hinaufführt. Poul Nielsen blickt ihm über den Gartenzaun hinweg entgegen. Sein altes, zerfurchtes Gesicht ist wie von einem Schatten überzogen.

      „Da drüben ist der Großknecht,“ sagt er hastig, auf einen langen Menschen zeigend, der vornübergebeugt vom Stall zum Wohnhaus hinüberschlurft. Er wird Sie schon unter die Fittiche nehmen. Ich muß jetzt ...“

      Da schallt schon Karens helle Stimme vom Küchenfenster herüber: „Vater! Vater! Herr Haslund ist da!“

      Dicht neben der Eßstube liegt das kleine „Kontor“ des Hofbesitzers, ein schmales Zimmer, das neben den üblichen Möbeln noch einen großen Lehnstuhl und einen altmodischen Sekretär enthält. In diesem Raum sitzen sich der Hofbesitzer und Herr Haslund aus Randers gegenüber. Eine dicke Aktentasche liegt zwischen ihnen auf dem Tisch.

      „Wollen Sie wirklich den Wechsel prolongiert haben, Herr Nielsen?“

      Poul Nielsens Finger trommeln nervös auf dem Schreibtisch. Dieser Haslund hat eine unangenehme laute und unbekümmerte Stimme. Ist doch nicht nötig, daß Karen, die in der Küche Geschirr wäscht, das hört. Unmutig zuckt er die Achseln.

      „Ich muß Sie darum bitten, Herr Haslund. Sie wissen ja, wie knapp das Geld heute ist.“

      „Ob ich das weiß,“ seufzt der Agent. „Eben darum dachte ich ... Die Bank wird schwerlich mit der Prolongierung einverstanden sein.“

      Poul Nielsens Stirnadern schwollen bedrohlich an. „Warum nicht? Ist der Kjelderuphof vielleicht nicht das Zehnfache wert von dem, was hier auf dem Wechsel steht?“

      „Gewiß, gewiß,“ beruhigt Herr Haslund, „der Hof ist gut, das weiß jedes Kind in der Randers-Gegend. Und der neue Stall ...“

      „Ich hab ihn nun einmal gebaut,“ sagt Nielsen ärgerlich und denkt einen Augenblick an das warnende Unken der Nachbarn im vorigen Jahr, als er das Geld aufnahm, um den neuen Stall zu bauen. Er hat trotzdem seinen Kopf durchgesetzt, denn so ein Stall mit allen neuen Errungenschaften war nun mal seine Lieblingsidee. Das Geld wäre auch ohne Schwierigkeit zurückgezahlt worden, wenn der letzte Herbst nicht so schlecht ausgefallen wäre. Schlechte Ernte, Krankheit im Vieh, dazu noch die Aufwendungen für Arne, der in Kopenhagen die Universität besucht — das ging ins Geld. Poul Nielsen schüttelt die Gedanken unwillig ab und bietet dem Besucher die Zigarrenkiste.

      „Die Bank wird genau wissen, wie ich stehe,“ sagt er überlegen. „Sie hat kein Risiko dabei, wenn sie den Wechsel verlängert. Der Kjelderuphof ist Sicherheit genug. Sie können ja mal durch die Wirtschaft gehen, Herr Haslund, und sich die Gebäude ansehen. Alles in bestem Stand. Und übrigens hab’ ich erst kürzlich eine neue Brandversicherung abgeschlossen.“

      Haslund weiß das alles. Auch daß der Hofbesitzer Nielsen im vorigen Monat eine ziemlich hohe Versicherung mit der „Allgemeinen“ abgeschlossen hat. Die Gesellschaft hat eben deswegen bei der Bank angefragt und sich Auskunft über den Kjelderuphof eingeholt. Aber Haslund muß daran denken, was ihm der Bankdirektor gestern noch ausdrücklich gesagt hat. „Sehen Sie zu, Haslund, daß wir den Betrag kriegen! Prolongieren können wir diesmal nicht. Die Geldknappheit, die Entwertung der Krone, die Wirtschaftskrise — wir haben ja fast nicht mehr genug im Depot, um unsere Verbindlichkeiten zum Ultimo bei der Nationalbank decken zu können.“ Haslund macht ein bedenkliches Gesicht und räuspert sich.

      „Der Sommer war trocken, Herr Nielsen. Einmal muß es ja wohl regnen. Wenn der Regen kommt, ehe die Ernte herein ist, kann sie dies Jahr womöglich noch schlechter ausfallen als im vorigen.“

      „Wollen den Teufel nicht an die Wand malen,“ knurrt der Hofbesitzer. „Aber was hat das mit dem Wechsel zu tun?“

      „Ich dachte nur ...“ Haslund gelangt nicht mehr dazu zu sagen, was er dachte. Karen kommt mit dem Kaffeebrett. Das ist so Sitte auf den Höfen in Nordjütland. Wer zu Besuch kommt, muß Kaffee trinken, ob es nun der Amtmann in Person oder der Briefträger ist. Haslund sieht sich, während das Mädchen den Tisch deckt, unwillkürlich um, als ob er etwas vermisse. Er hätte nicht nein gesagt zu einem Gläschen Aquavit. Aber Poul Nielsen ist strenger Antialkoholiker. Schnaps gibt es auf dem Kjelderuphof nicht.

      Haslund überwindet sein heimliches Verlangen und sagt Karen ein paar höfliche Komplimente. Dabei fällt ihm unwillkürlich auf, wie schön und blühend das Mädchen geworden ist. Ihre gesunden Zähne blitzen, sie strahlt förmlich

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