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wissen doch, daß Karen zum nächsten Frühjahr als Hausfrau nach Möllegaard zieht, Herr Haslund?“

      „Ja, sie ist ja mit Jensen-Möllegaard verlobt. Ist es nun wirklich so weit?“

      „Natürlich, Herr Haslund.“ Nielsen zieht erstaunt die Stirnhaut in Falten. „Warum sollte es nicht so weit sein? Die beiden heiraten im Frühjahr.“

      Haslund weiß, warum Poul Nielsen das betont. Karl Jensen, der Besitzer von Möllegaard, ist ein reicher Mann. Er hat ein respektables Konto auf der Bank, und der Mühlenhof ist der größte in der Gegend, fast dreimal so groß wie der Kjelderuphof. Nur — Haslund hat bisher nicht so recht an diese Heirat geglaubt. Jensen-Möllegaard ist zwar noch ein rüstiger Mann, aber immerhin dicht an die Fünfzig, und Karen Nielsen kann doch höchstens neunzehn sein. Junge Mädchen haben oft ihren eigenen Kopf in bezug auf so was. Aber wenn Poul Nielsen es sagt, wird es schon stimmen. Ein Wort ist bei diesen jütischen Bauern oft sicherer als eine Unterschrift auf einem Wechsel. Haslund überlegt, ob er seinem Chef die Sache vom Gesichtspunkt der bevorstehenden Heirat schildern und eine Prolongierung anraten soll. Vorher aber versucht er noch einmal eine Schmeichelei.

      „Es handelt sich ja schließlich um keine große Summe. Ich meine, wenn Sie nur wollen, Herr Gutsbesitzer ...“

      Eine ungeduldig ärgerliche Handbewegung unterbricht ihn. Poul Nielsen kann es nicht leiden, wenn jemand ihn „Gutsbesitzer“ nennt. Der Kjelderuphof hat zwar seine vierhundert Morgen und Anspruch darauf, als „Gut“ gewertet zu werden, aber Poul Nielsen ist als Bauer geboren, drüben in dem kleinen Süderhof, den sein Vater bewirtschaftet hat, und er ist Bauer geblieben, auch nachdem er es fertiggebracht hat, den total verkommenen, großen Kjelderuphof zu übernehmen und ihn zu einem tadellosen Betriebe emporzuarbeiten. Er rückt unmutig seinen Stuhl und steht auf, die Augen fest auf das vor plumper Schmeichelei und Hinterlist triefende Gesicht des Agenten geheftet.

      „Wir verlieren nur Zeit, wenn wir weiter darüber reden, Herr Haslund. Sagen Sie dem Bankdirektor, daß ich ihn bitte, den Wechsel noch einmal zu prolongieren. Er wird es schon tun.“

      Haslund trinkt schnell seinen Kaffee aus und erhebt sich gleichfalls. Der nicht erhaltene Schnaps spukt in seinem Kopf und macht auch ihn mißmutig. „Ich glaube kaum, daß die Bank das tun wird.“

      Poul Nielsen stützt die harte Faust schwer auf den Tisch. „Dann werde ich fortan mit einer anderen Bank arbeiten, Herr Haslung, und Ihnen zum Ersten in Gottes Namen den Betrag zahlen. Guten Tag, Herr Haslund!“

      *

      Es ist Sonnabendnachmittag. Das Vieh ist versorgt, der Hof zwischen Stallung und Wohnhaus blitzsauber gefegt, die Sensen, Forken und Schaufeln sind gereinigt. Die Leute vom Kjelderuphof sitzen in der Leutestube, rauchen Tabak und putzen an ihrem Zeug herum. Nur der lange Jörgensen, der Großknecht, macht noch einen Marsch durch die Felder, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung ist.

      Walter Münch ist ohne viel Aufhebens in die Gemeinschaft aufgenommen worden. Er kennt sie schon alle hier in der Leutestube: Jakob, den Schweizer Carlson, die beiden Arbeitsknechte und die drei Tagelöhner. Auch den langen Großknecht, der eben von seinem Rundgang zurückkommt und seine etwas schlotterige Gestalt gebückt durch den Türrahmen schiebt. Einen Verwalter hat Poul Nielsen nicht. Er ist sein eigener Verwalter.

      „Das Wetter gefällt mir nicht,“ sagt der Großknecht und hängt seine Jacke an einen Balken. „Es riecht nach Regen.“

      „Kriegen wir Regen, kriegen wir auch Ruhe,“ betet der Zweitknecht die alte Bauernregel her, aber seine Stimme ist ohne Überzeugung. Es klingt eine leise Besorgnis darin. Wenn nach so langer Trockenheit der Himmel sich auftut, dann wächst es sich hier in dem verwehten Nordland oft zu einem endlos langen Landregen aus, und das wäre nicht gut für die Ernte.

      Die Leute sind müde von der Arbeit und ziemlich wortkarg, aber ein Gespräch nach Feierabend muß sein. Walter Münch muß noch einmal ausführlich erzählen, wie er nach Kjelderup gekommen ist. Der Großknecht hört bedächtig zu. Ja, Fräulein Hvid kennt er natürlich. Sie ist ein tüchtiges Mädchen, das was versteht von der Landwirtschaft. Sie hat ihr „Kontor“ drüben in Höjris, in der Volkshochschule.

      Walter muß sich anstrengen, um zu verstehen und sich verständlich zu machen. Die Leute hier sprechen ganz anders als die dänischen Matrosen auf der „Saltholm“. Aber die Nordjüten lachen ihn nicht aus, wenn er etwas falsch ausspricht oder mißversteht. Sie verbessern ihn ernst und sachlich. Es ist eben ein Fremder. Daß er aus dem Ausland, ganz unten von Deutschland herkommt, bedeutet keine besondere Sensation für die Kjelderupleute. Für diese Bauern hier ist jeder ein „Fremder“, der nicht in der Randers-Gegend geboren ist, selbst wenn er nur von der Westküste oder der Insel Fünen kommt.

      So um acht Uhr herum kommt Rasmine, die Küchenmagd, herüber in die Leutestube und setzt eine große Schüssel Apfelmus mit Milch auf den Tisch. Wer Lust hat, kann zulangen. Walter ist noch reichlich satt von der guten Abendkost.

      „Die Verpflegung scheint ja gut zu sein hier auf dem Hof,“ wirft er hin. Die anderen sehen ihn verwundert an. Nun ja, das Essen ist nicht schlecht, natürlich nicht, sonst würde ja keiner hier im Dienst bleiben. Aber besonders erwähnenswert ist es auch nicht. Die dänischen Bauern und auch die Knechte sind verwöhnt in bezug auf die Verpflegung.

      „Du kriegst hier, was du vertilgen kannst,“ belehrt der Großknecht den Neuen. „Auch mit Tabak ist der Bauer nicht knauserig, nur Schnaps gibt er nicht. Wenn du einen trinken willst, mußt du bis Höjris hinübergehen in den Krug.“

      „Der Bauer scheint ein anständiger Mann zu sein.“

      „Och ja,“ gibt der Großknecht zu. „Nielsen ist kein unebener Hausvater. Manchmal brummt und knurrt er ja so’n bißchen, besonders wenn Post von seinem Sohn gekommen ist. Der sitzt in Kopenhagen und will ein Studierter werden.“ Der Großknecht spuckt verächtlich auf den Fußboden und scharrt mit den Füßen darüber. „Aber von der Landwirtschaft versteht der alte Nielsen was. Da kannst du lernen.“

      „Guten Abend, Folkens!“ Die Tür ist aufgegangen. Karen Nielsen, frisch und strahlend, eine blendend weiße Küchenschürze vor das hellblaue Kattunkleid gebunden, tritt in die Leutestube. Der Großknecht erhebt sich schwerfällig, die andern sitzen und grinsen die Bauerstochter töricht an. Karens Blick sucht nach Walter Münch.

      „Haben Sie sich schon eingerichtet in Ihrer Kammer, Münch?“

      Auch Walter ist aufgestanden. „Danke, Fräulein Nielsen. Ich fühle mich schon ganz wohl hier.“

      „Das freut mich. Die Lise wird Ihnen noch einen frischen Strohsack bringen. Der alte in Ihrer Kammer taugt nicht mehr viel. Montag früh müssen Sie mit aufs Feld, aber nachmittags können Sie mir dann ein bißchen im Gemüsegarten helfen. Und dabei wieder etwas von Deutschland erzählen wie vorhin, als wir auf Vater warteten.“ Karen lächelt dem Neuen noch einmal zu und stellt dann ein paar Fragen an Jörgensen, die die Arbeit betreffen. Der Großknecht antwortet nur kurz und schwerfällig.

      Als Karen gegangen ist, stopft er sich langsam und nachdenklich seine Pfeife. Sein Gesicht hat einen fast gequälten Ausdruck vor Nachdenklichkeit. Karen Nielsen kommt selten abends in die Leutestube, und der Strohsack in der Knechtskammer ist doch noch ganz gut. Daß aber Karen zu dem Neuen „Sie“ sagt, wo man sich hier auf dem Kjelderuphof doch allgemein duzt, das ist ewas zu viel für Jörgensens Schädel. Auch die andern grinsen darüber und meinen, dem Neuen einen guten Rat geben zu müssen. „Wir sagen einfach ‚Karen‘ hier und nicht ‚Fräulein Nielsen‘, belehrt der Zweitknecht, „der Bauer wird fuchsteufelswild, wenn er das hört.“

      Morgen ist Sonntag. Da bleibt man heute etwas länger sitzen in der Leutestube. Gegen halb zehn Uhr aber verkrümeln sich der Zweitknecht und der Hütejunge doch in ihre Kammern. Die Tagelöhner sind schon früher gegangen. Sie wollen noch nach Höjris hinüberschlendern und ein Glas Bier im Krug trinken. Und der Schweizer hat sich mit der Küchenmagd irgendwohin in den Garten verzogen. Die beiden wollen nächstes Jahr heiraten; deshalb nimmt es niemand übel, wenn sie sich absondern. Nur Walter und der Großknecht bleiben noch ein bißchen sitzen. Jörgensen

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