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      Leo Frank-Maier

      Die 13 Stunden der Christin Maginot

      SAGA Egmont

      Die 13 Stunden der Christin Maginot

      Copyright © 1980 by F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

      Copyright © 2017 Leo Frank-Maier og Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711518588

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      I

      Bevor er überhaupt richtig wach wurde, seine Augen öffnete, wußte er schon, daß er wieder einmal neben ihr lag. Neben dieser dicken Kellnerin Margot. Er konnte es riechen.

      Und er wußte, daß es ein übler Tag werden würde, wie meistens. Und dieses Mal ganz speziell sollte er recht behalten. Es war fünf Uhr.

      Fünf Uhr morgens also, und er rührte sich nicht, weil er Angst hatte, sie zu wecken. Sein Kopf schmerzte und seine Tochter fiel ihm ein, sie hatte sicher auf ihn gewartet und auf ihre Puppe, die er mitbringen hätte sollen. Statt dessen hatte er bis 23 Uhr im ›Domino‹ gesoffen und war dann mit Margot ins Bett gefallen. Margot war die Kellnerin im ›Domino‹, was sonst.

      Wenn er sich rührte, würde sie aufwachen. Wenn sie aufwachte, würde sie ihn anfassen und fragen: Was ist? Sein Kopf brummte, und er sah schuldbewußt die hellblauen Augen seines Kindes. Am liebsten hätte er in diesen dicken Arsch getreten und wäre davongerannt. Aber er zog nur die Knie hoch und Margot wurde wach, faßte ihn an und fragte: »Was ist?«

      »Rien ne va plus«, sagte er. »Nichts geht mehr.«

      Dann stand er auf und verlangte Kaffee. Die erste Zigarette schmeckte wie verbrannte Schuhsohlen.

      Punkt sieben Uhr dreißig war er beim Frührapport im Sicherheitsbüro, war rasiert und roch nach Margots scheußlichem Parfüm. Immerhin hatte er die Zähne geputzt. Und daß Unterwäsche und Hemd die gleichen wie vom Vortag waren, merkte hier ja sowieso niemand.

      Er hieß Pierre Cousteau und war Kriminalbeamter im Sicherheitsbüro der Polizeidirektion Paris. Er war jetzt vierzig und sah auch aus wie vierzig. Er war 1,80 groß und spielte noch Fußball in der Kripo-Mannschaft wie ein Dreißigjähriger. Wenn er nicht Fußball spielte und seiner Tochter Geschichten erzählte, sie ins Bett schickte und dann sein Bier trank, fühlte er sich wie hundertzwanzig. Der Frührapport an diesem 28. April 1978 war eine matte Sache, wie meistens. Beim »großen Frührapport« vor allen Beamten des Sicherheitsbüros verlas und verlautbarte der diensthabende Chefinspektor die wichtigsten Vorkommnisse der vergangenen Nacht und was ihm sonst noch wichtig schien. Für die Kriminalbeamten war das ziemlich uninteressant. So glotzten sie gelangweilt, in der ersten Reihe die Gruppenführer, weiter hinten die Stellvertreter und älteren Sachbearbeiter und dahinter die jüngeren und ganz jungen. Inspektor Pierre Cousteau saß etwa in der Mitte.

      Der »große Rapport« dauerte fünf bis zwanzig Minuten, je nachdem, welcher Chefinspektor Hauptdienst hatte. Der alte Trudeau brauchte nie länger als fünf Minuten, manchmal nur drei. Heute war Chefinspektor Pasquale dran. Pierre Cousteau machte sich auf eine Viertelstunde gefaßt. »Du Schwein stinkst nach Parfüm wie eine Laternenhure«, flüsterte ihm sein Nachbar zu. »Leck mich«, gab Pierre zurück. Chefinspektor Pasquale redete gerade eindringlich über immer wieder vorkommende Unzulänglichkeiten bei der Handhabung der Fahndungsvorschrift.

      »Bei abgängigen Jugendlichen immer Formular C ausfüllen. Dreifach«, rief er, »das kann doch nicht so schwer sein, dreifach, ein Durchschlag muß ans Jugendgericht.« In der ersten Reihe nickten zwei Gruppenführer.

      Einer gähnte.

      Chefinspektor Pasquale verlas nun den Tagesbericht. Im zehnten Distrikt war ein Juweliereinbruch mit einer Schadenssumme von 170 000 Franc angefallen. Ganz ordentlich. Referat C war zuständig. Im Quartier Latin waren 14 Autos aufgebrochen worden. Besitzer zumeist Ausländer, Touristen. Zwei Raubüberfälle auf Prostituierte beim Gare du Nord. Das mußte die Hauptdienstgruppe pakken. Pierre hatte Beidienst. Ein unbekannter Toter war angefallen, in einer öffentlichen Toilette am Place Pigalle. Keine Spuren äußerer Gewaltanwendung. Keine Ausweispapiere. Pierre Cousteau blickte finster. Wenn er Pech hatte, kriegte er den Toten. Das war Sache des Referats A. Hing von dem alten Chefinspektor Trudeau ab. Wie vermutet, der »große Rapport« von Pasquale dauerte eine geschlagene Viertelstunde. Die Kriminalbeamten beeilten sich anschließend, in die Zimmer der Referatsleiter zu kommen. Dort wurden die angefallenen Akten zugeteilt. Inspektor Pierre Cousteau hoffte, den unbekannten Toten vom Scheißhaus würde jemand anderer kriegen. Es war eng in dem Zimmer und alle Kriminalbeamten mußten stehen, nur der alte Trudeau saß an seinem Schreibtisch, seine Brille auf der Nase und die Akten vor sich, die er nun aufzuteilen hatte. Pierre sah den roten Stempel »Leiche« auf dem Akt, in dem der Chefinspektor gerade blätterte, und befürchtete Schlimmes. Zu seiner großen Erleichterung begann Trudeau jedoch zu knurren, daß heutzutage offenbar niemand mehr die Akten ordentlich lesen würde. Das ging natürlich gegen Pasquale. Auf Seite drei stünde laut und deutlich, daß der Tote eine Injektionsspritze in der Rocktasche hatte. Und Einstiche in der linken Armbeuge hatte der Amtsarzt auch festgestellt. Ein Fixer also. Und eine klare Sache für die Suchtgiftgruppe. Der Chefinspektor strich den Vermerk »Referat A« neben dem Eingangsstempel durch und schrieb genüßlich »Referat B« hin. Pierre nickte zufrieden. Diese Sorge war er los.

      Die Akten waren aufgeteilt, und die Kriminalbeamten trollten sich auf ihre Zimmer. Pierre Cousteau war zufrieden. Er hatte zwei »Psychosen« und einen Selbstmordversuch zugeteilt bekommen. »Psychosen« nannte man jene Fälle, wo jemand durchgedreht hatte und schließlich in die Nervenheilanstalt eingeliefert werden mußte. Es war dann festzustellen, ob Fremdverschulden vorläge. Das war selten der Fall. Soweit Pierre am Weg zum Lift in den Papieren blätternd feststellen konnte, war beide Male Volltrunkenheit die Ursache. Also kein Fremdverschulden. Im Lift sah er, daß der Selbstmordversuch nach Einnehmen von Schlaftabletten in St. Denise passiert war. Die Patientin war außer Lebensgefahr. Ein zwanzigjähriges Mädchen. Chronische Depressionen stand in dem Akt. Schon der dritte Versuch. Der Magen war ihr ausgepumpt worden. Das war für Inspektor Cousteau recht erfreulich. Er brauchte den Akt nur zwei Tage liegen lassen. Wenn er dann das Krankenhaus anrief, war die Patientin sicherlich schon entlassen. St. Denise war Gendarmerierayon und er würde den Akt zuständigkeitshalber an den Gendarmerieposten St. Denise abtreten. Die Patientin war im Krankenhaus nicht vernehmungsfähig, würde er dazuschreiben. Pierre war also zufrieden, er konnte seine Beidiensttour nach menschlichem Ermessen ohne größere Schwierigkeiten abbiegen. Für eine echte Arbeit hatte er heute keine Lust. Wirklich nicht. Alles, was er im Augenblick hatte, war ein heftiges Verlangen nach heißem schwarzem Kaffee.

      Ähnliche Gefühle hatte Chefinspektor Marcel Trudeau, nachdem seine Kriminalbeamten das Zimmer verlassen hatten. Er füllte noch die Dienstlisten aus, zwei Krankmeldungen, das ging gerade noch. Dann würde er den Akt von der Leiche in der Toilette vom Place Pigalle ins Referat B bringen und in die Kantine gehen. Er zündete sich eine Gauloise an und brummte zufrieden.

      Der alte Chefinspektor Marcel Trudeau sah aus, als ob er schon immer alt gewesen wäre. Tatsächlich konnte sich im Sicherheitsbüro kaum jemand erinnern, den alten Trudeau anders gesehen zu haben als in dunklen, grauen Anzügen mit Weste, und immer schon hatte sein Haar die Farbe seiner Anzüge und der Rockkragen war voll von Schuppen und sein Schnauzbart war angesengt. Das kam von den filterlosen Zigaretten, die er nie aus dem Mund nahm. Auch nicht beim Reden. Den alten Trudeau mochten alle im Haus gerne, bis auf die Chefsekretärin, der er manchmal seine Berichte diktierte. Sie klagte, der alte Trudeau wäre beim Diktat kaum zu verstehen und im übrigen

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