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ist der ,Zappelphilipp’ hoffnungslos mit ihr abgeschrammt!“

      „Im Bogen über die halbe Bahn!“

      „Zweimaliges Verweigern hintereinander vor demselben Hindernis schliesst aus! . . Nichts mehr zu machen! Schluss!“

      ,,Da reitet sie ja auch schon geknickt im Schritt aus der Bahn.“

      „Ach Gott — sie blutet ja! Sieh mal, Papa: Ihr Stehkragen hinten ist ganz rot!“

      Lill war am Ausgang. Sie klatschte, ohne den Kopf nach rückwärts zu wenden, dem „Zappelphilipp“ ein paar erbitterte Hiebe mit der Reitpeitsche über den rechten Hinterschenkel und bog um die Ecke.

      „Wütend ist sie . . .“, sagte das eine Fräulein vom Land in der Loge. Und ihr Vater:

      „Pech! . . . Und so nett — die Mariell, in ihren Höschen . .“

      „Leopold . . .“, mahnte die Mutter matt. Die andere Tochter lachte.

      „Ich glaub’, die Lill hat einen stillen Verehrer hier in der Loge sitzen gehabt . .“

      „Hörst Du’s, Leopold? Deine eigenen Kinder . . .“

      „Nein. Ich mein’ nicht den Papa, sondern den kleinen, verwachsenen Herrn hinter uns! Gleich nach der Katastrophe ist er verstört aufgesprungen und nach hinten gerannt . . .“

      Am Eingang zu den Ställen und Kabinen wehrte ein Mann mit einer Armbinde dem Dr. Hormuth.

      „Hier ist kein Einlass für das Publikum, mein Herr!“

      „Aber ich bin doch Arzt! Die Dame hat sich doch bei dem Sturz verletzt.“ Der Jrrenkliniker drängte sich hastig an dem Beamten vorbei. Er kam in den Vorraum, in dem die Turnierreiter auf ihr Klingelzeichen warteten. Er geriet mitten unter die Pferde. Die Tiere hatten zum Teil Lampenfieber. Ein Gaul stieg unter einem ReichswehrWachtmeister kerzengerade in die Luft. Ein anderer keilte nach hinten aus, dass die Brocken flogen. Ludwig Hormuth rettete sich durch einen Seitensprung und streifte das Bein eines Herrn, der sich mit seinem wild wiehernden Fuchs im Kreise drehte. Der Herr bat freundlich:

      „Machen Sie mir den Hengst nicht ganz verrückt! Das Biest hat schon gerade an den Stuten genug . . .“

      „Gehen Sie lieber weiter, wenn Sie mit Pferden nicht vertraut sind!“ riet, aus dem Sattel herab, ein anderer Herr auf einem schweissnassen, von Schaumflocken weiss gefleckten Rappen. „Sie kriegen sonst womöglich noch was ab!“

      Ludwig Hormuth stand jetzt in einer Art von breitem Stallgang. Hier ging es ruhiger zu. Es sah aus wie hinter den Kulissen eines Zirkus während einer Galapantomime. Oder wie auf einer Parade Friedrichs des Grossen. Offiziere, bezopft, mit Dreispitz, in den Uniformen des Siebenjährigen Krieges, zwischen ihnen, auch hoch zu Ross, ebensoviel gepuderte Damen in blauen Armeefräcken über schwarzen Reitröcken, mit zitronengelben und karmoisinroten Aufschlägen und goldenen und silbernen Borten. Ein wilder, schwarzbärtiger Zietenhusar mit hoher Bärenmütze, in scharlachrotem Dolman, ein Gewimmel von Schlangenköpfen auf Zaum- und Sattelzeug, beugte sich von seiner Tigerdecke nieder:

      „Ach bitte — dieser Platz ist zur Versammlung der Quadrille nachher reserviert.“

      Der Arzt hatte auch das hinter sich. Vor ihm waren jetzt nur vereinzelte ledige Pferde, Stall-Leute, Gruppen von Herren und Damen — die meisten im Reitanzug. Da stand auch Lill unter ihren Freunden . . .

      Ihr schwarzer Herrendress war über und über bestaubt. Die schwarze Melone hatte eine tiefe Delle. Die schwarze Binde sass schief. Der weisse Stehkragen war zerknittert und an einer Seite blutbefleckt. Sie bemühte sich, kühl und gleichgültig auszusehen und sogar zu lachen. Aber ihr hübsches Gesicht war doch noch sehr blass. Unter dem linken Ohrläppchen klebte ihr, mit einem dünnen Heftpflasterstreifen befestigt, ein kleiner Wattebausch.

      Erst erkannte sie den Arzt nicht, der auf sie zutrat, und schaute ihn erstaunt aus ihren graublauen Augen an. Dann kam in die ein feindseliger Ausdruck.

      „Gott — Sie sind das . . .“, sagte sie. „Ja — jetzt begreif’ ich alles . . .“

      „Haben Sie sich etwas getan, gnädiges Fräulein? Ich wollte mich auf alle Fälle zur Verfügung stellen. Ich bin Arzt . .“

      „Denken Sie denn, wir hätten hier keinen?“ frug ein hagerer, glattrasierter Herr in weiten Breeches, der wie ein Jockei aussah. „Der kleine Riss am Ohr ist schon bepflastert, wie Sie sehen! Danke sehr!“

      „Was geht denn das Dich an, Fips?“ Lill stampfte mit dem Fuss, dass das Sporenrädchen klirrte. Dr. Hormuth merkte: Sie war in einer schrecklichen Laune. Gereizt und nervös, bis in die Fingerspitzen . . . .

      „Natürlich — wenn Sie da sind . . .“, sagte sie und wandte sich zu dem andern. „Nun weiss ich wenigstens, marum ich so niederträchtig abgeschnitten hab’ . . .“

      „Aber, gnädiges Fräulein . . .“

      „Ja. Sie! Immer, wenn ich in letzter Zeit was verschustere, dann stehen Sie da und geistern mich an! Neulich, beim Tennis-Turnier, wo ich anfangs wie ein Waisenknabe gespielt hab’ . .“

      „Fräulein Bödiger . . .“

      „Ach — lassen Sie mich in Ruhe . . . Vorhin, wie ich hierherfahren wollte, da redeten Sie auf einmal durch das Radio und machten mies . . .“

      „Ich kann doch nicht wissen, dass Sie . . .“

      „. . . und jetzt, wo ich mich glücklich vor ganz Europa blamiert hab’, da waren Sie wieder der Huckebein! . . . Das ist ja grässlich mit Ihnen! . . Was hab’ ich Ihnen denn getan? Warum verfolgen Sie mich denn?“

      „Ich meinte es gut . . .“

      „Immer verpetern Sie mir den Sport! . . Sie haben doch ein ausverkauftes Haus voll Verrückte! Warum bleiben Sie denn nicht bei denen?“

      „Sie haben sehr recht, gnädiges Fräulein, mich daran zu erinnern! Das werde ich auch tun!“

      Der kleine Herr grüsste still und entfernte sich. Ein Ordner in der Nähe zeigte ihm, dass er, nach der anderen Seite hin, nur einen kurzen Weg bis zu einem Notausgang habe. Dr. Hormuth schritt schnell, die dunklen Augen am Boden, über die weiche, lockere, lautlose Lohe. Er war schon an der Tür. Er hörte hinter sich ein leises Laufen, ein rasches Atemholen. Er kümmerte sich nicht darum. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er drehte sich um.

      „Haben Sie mir noch etwas zu sagen, gnädiges Fräulein?“ frug er ruhig.

      Lills Züge waren jetzt ein wenig gerötet. Sie versuchte zu lachen. Sie kämpfte mit sich und hielt ihm dann, mit einer knabenhaften Freimütigkeit, ihre lange, schmale Rechte hin.

      „Es war wirklich nicht nett von mir!“ sagte sie. „Ich hab’ es gleich hinterher bereut . . . Ich hatte mich nicht in der Gewalt . . . Ich bin nämlich tüchtiger hingepurzelt, als ich zugeb’! Mir brummt noch der Schädel . . .“

      „Das dachť ich mir . . .“

      „. . . Davon wird man so eklig . . . Nee — es war eklig! Es war gar nicht so gemeint! Da bin ich lieber noch schnell hinter Ihnen hergelaufen. Also seien Sie mir nicht böse!“

      Dr. Hormuth hielt die magere, vom Stulp befreite Mädchenhand fest.

      „Ich danke Ihnen herzlich, Fräulein Bödiger!“ sagte er.

      „Sehen Sie . . . ich hab’s ja immer gesagt: Sie sind ein guter Mensch! . . . Man merkt’s, wenn Sie still zu lächeln anfangen — so wie jetzt!“ Lill nickte herzlich. „Also . . . guten Abend!“

      „Gute Besserung . . .“

      ,,Danke! Vorläufig spür’ ich meine Knochen!“

      „Gnädiges Fräulein . . .“ Der Arzt blieb noch einmal stehen.

      „Ja?“

      „Darf ich mich morgen einmal im Laufe des Tages nach Ihrem Befinden erkundigen?“

      „Nötig

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