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ist eine schwere Prüfung über sie gekommen, welche aber nach einiger Zeit vorübergehen wird.«

      »Ich habe keine Lust, diese Zeit zu erwarten. Nehmen Sie das Mädchen immerhin wieder mit sich fort!«

      »Sie scherzen, gnädiger Herr!«

      »Fällt mir gar nicht ein! Sie ist eine Leiche bei lebendigem Leibe, und eine Leiche dulde ich nicht in meinem Hause.«

      »Ihr Wunsch ist mir Befehl, Herr Baron. Ich bin wegen eines Unterkommens für sie nicht in Verlegenheit.«

      Er ging. Sein Weg führte ihn nach der Ufergasse und zwar in dasselbe Haus, in welchem der Schlosser gestern abend bei Madame Pauli den vermeintlichen Kunstmaler Brenner aufgesucht hatte.

      Madame Pauli, eine jener Restaurationsinhaberinnen, welche von der Schönheit ihrer Kellnerinnen leben, bewohnte das Parterre und die erste Etage. Der Vorsteher stieg noch eine Treppe höher. Dort stand an der Thür des Vorsaales zu lesen »Madame Groh, Rentière«. Er klingelte, und es wurde geöffnet. Eine große, breitschultrige Dame erschien.

      »Gott grüße Dich, liebe Adelheid!« sagte er.

      »Du bist es, lieber August! Herzlich willkommen! Tritt näher!«

      Sie führte ihn in eine Art Salon, wo Beide auf einem Sopha in vertraulicher Weise Platz nahmen.

      »Nun, wie geht es mit dem Geschäfte?« fragte er.

      »Wie immer! Man macht die Ansprüche nicht so groß und muß zufrieden sein.«

      »Hast Du genug Auswahl hier?«

      »Nicht sehr. Es ist Alles fort. Hast Du etwas Neues?«

      »Ja.«

      »Gut?«

      »Ausgezeichnet! Exquisit!«

      »Geh! Mache mich nicht neugierig!«

      »Es ist überhaupt ein eigener Fall. Das Mädchen ist brav, gut und noch niemals einer Versuchung unterlegen! Hast Du von den beiden Diebstählen gehört, welche gestern vorgekommen sind?«

      »Ja. Fels und Bertram.«

      »Nun, Fels ist ihr Geliebter und Bertram ist Stiefbruder. Sein Stiefvater, welcher ihr richtiger Vater war, ist heute Vormittag vor Schreck gestorben, als er hörte, daß sein Sohn ein Einbrecher sei. Auch auf sie hat der Schreck außerordentlich gewirkt. Sie spricht kein Wort.«

      »O, das findet sich! Ist sie hübsch?«

      »Sehr sogar!«

      »Farbe?«

      »Blond.«

      »Gestalt?«

      »Mittlere Statur, nicht gerade üppig, aber feingliedrig und voll.«

      »Das ist gut! Zähne?«

      »Vollständig.«

      »Und wie steht es mit dem Preise?«

      »Du sollst sie billig haben.«

      »Gut, bringe sie einmal her, sobald es dunkel geworden ist.«

      »Ich werde kommen. Aber Eins sage ich Dir: Sie ist nämlich meine Mündel. Verstanden? Weißt Du, was das zu bedeuten hat?«

      »Ich weiß es. Du brauchst keine Sorge zu tragen.«

      »Ich möchte mir natürlich keine Unannehmlichkeiten bereiten. Sie mag als Dein Hausmädchen gelten und Niemand braucht zu wissen, daß sie des Abends mit da unten bei Madame Pauli sich befindet.«

      »Wird sie mir Noth machen?«

      »Hoffentlich nicht. Sie ist überhaupt stets ein stilles Mädchen gewesen.«

      Nach einer längeren Unterredung empfahl er sich.

      Pastor Matthesius, der Gefängnißgeistliche, besuchte die Frohnveste, in welcher die Untersuchungsgefangenen inhaftirt zu sein pflegten. Als Gefängnißseelsorger hatte er Zutritt in jede Zelle. Der Erste, welchen er heute besuchte, war der Riese Bormann.

      Dieser lag lang ausgestreckt auf der nackten Diele und machte auch keine Anstalt, sich zu erheben, als er den Geistlichen eintreten sah.

      »Nun,« sagte der Letztere, »wollen Sie nicht aufstehen?«

      »Nein.«

      »Aber es würde wohl anständiger sein, zu stehen als zu liegen.«

      »Wer hier wohnt, braucht von Anstand nichts zu verstehen!«

      »Aber die Ehrfurcht vor dem Beichtvater!«

      »Habe ich einmal bei Ihnen gebeichtet?«

      »Leider nein.«

      »Nun, so nennen Sie sich also auch nicht meinen Beichtvater!«

      »So bin ich doch wenigstens Ihr Seelsorger!«

      »Sorgen Sie zunächst für Ihre Seele; dann wollen wir sehen, was ich mit der meinigen mache!«

      »Bormann, Bormann, Ihnen ist nichts Gutes zu prophezeien!«

      »Zwanzig Jahre Zuchthaus. Dazu brauche ich keinen Theologen.«

      »Haben Sie sich wegen Ihrer Aussage besonnen?«

      »Nein.«

      »Bleiben Sie bei derselben?«

      »Ja.«

      »Wenn man Ihnen aber nicht glaubt?«

      »So kann ich es nicht ändern. Aber, wollen Sie nicht so gut sein, mich allein zu lassen?«

      »Warum?«

      »Ich bin nicht gar zu sehr für Sie eingenommen!«

      »Es ist meine Pflicht, die Gefangenen zu besuchen, um ihre –«

      Er hielt schleunigst mitten in der Rede inne. Die lange, breite Gestalt des Riesen hatte sich aufgerichtet und hielt ihm die geballte Faust unter die Nase.

      »Wollen Sie etwa Keile?« fragte Bormann.

      »Nein, nein, Adieu!«

      »Adieu! Nicht so bald wieder, sonst –«

      Die Thür wurde verschlossen. Der Pfarrer begab sich zu dem Schließer, welcher nun selbst Gefangener war. Dieser saß, in trübes Sinnen versunken, auf seiner Pritsche. Als er den Eintretenden erblickte, erhob er sich, um zu grüßen. Seinem Gesichte aber war es anzusehen, daß ihm der Besuch nichts weniger als willkommen war.

      »Nun, Arnold, heut wieder Verhör gehabt?« fragte der Pastor.

      »Ja.«

      »Haben Sie gestanden?«

      »Wie wäre das möglich! Ich bin ja unschuldig!«

      »Aber Sie geben doch zu, daß der Riese ohne Ihre Hilfe nicht heraus gekonnt hätte?«

      »Die Sache ist mir selbst ein Räthsel. Ich kann nur sagen, daß ich nichts von Allem weiß.«

      »Sie werden trotzdem verurtheilt werden.«

      »Ich werde mich zu vertheidigen wissen!«

      »Was könnten Sie da anführen?«

      »Dreierlei: Erstens, daß es mehrere Beamte giebt, welche Schlüssel haben. Zweitens, daß Bormann den Richtigen nicht nennen wird, sondern Denjenigen unter dem Personal, auf den er eine Picke hat.«

      »Und drittens?«

      »Drittens, das ist der geheime Hauptmann. Man weiß, daß der fast allmächtig ist. Es ist leicht möglich, daß der ihn herausgeholt hat.«

      »Alle diese drei Punkte haben wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Ich rathe Ihnen, die Wahrheit zu gestehen.«

      »Und Ihnen, Herr Pastor, rathe ich, sich nicht in Sachen zu mengen, welche Sie nichts angehen. Ob ich geständig bin oder nicht, das ist Sache des Untersuchungsrichters, aber nicht die Ihrige! Adieu!«

      Der

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