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Herz der gnädigen Frau Baronin!«

      »So? Wann und wo haben Sie es kennen gelernt?«

      Diese Frage brachte ihn in außerordentliche Verlegenheit. Er hatte noch niemals Veranlassung gefunden, über das gute Herz der Baronin eine Erfahrung zu machen.

      »Ueberall und stets!« antwortete er. »Die Mildthätigkeit Euer Gnaden ist ja in der ganzen Stadt bekannt.!«

      »Das gereicht mir zur besonderen Ehre. Darum sollen Sie sich auch dieses Mal nicht vergeblich an mich wenden.«

      Er verbeugte sich abermals.

      »Ich bin ganz entzückt, Hoheit!«

      »Ich sehe es!« lächelte sie. »Ich werde mich also nächster Tage erkundigen, ob bei einer meiner Freundinnen oder Bekannten für unseren Schützling ein Placement zu finden ist.«

      Sie spielte mit ihm, wie die Katze mit der Maus. Er machte eine abwehrende Handbewegung und stotterte:

      »O nein! Ich wollte – ich ahnte – ich dachte –«

      »Nun, mein Lieber, was dachten Sie?«

      Es war ihr eine Locke ihres Haares aufgegangen. Sie erhob die beiden Arme, um sie wieder zu befestigen. Dabei kam die Form der Arme, des Busens, des ganzen Oberkörpers zu einer Darstellung, welche dem Vorsteher den Kopf verdrehte. Er suchte nach Worten, ohne sie zu finden. Sie merkte das, ja, sie hatte es sogar beabsichtigt. Und als sie nun, wie ganz zufällig, mit der einen Hand an der Büste niederstreifte, wobei der Verschluß des Morgenhemdes seine Festigkeit verlor, da war es um ihn geschehen. Er räusperte sich ängstlich und zog sein Taschentuch hervor, um sich die kahle, vom Haar entblößte Stirn abzutrocknen.

      »Nun?« fragte sie verwundert. »Ein Frommer, der vergeblich nach dem richtigen Worte sucht, seine Gedanken auszudrücken! Ist das möglich?«

      »Verzeihung!« stammelte er. »Hier ist es so warm!«

      »Mir scheint sogar, es wird Ihnen heiß. Aber das geht doch Ihren Schützling nichts an. Reden Sie!«

      Er faßte sich und sagte:

      »Meine Mündel ist, wie ich bereits erwähnte, in einer sehr gottesfürchtigen Familie erzogen worden. Der Same, welchen ich da säete, soll nicht verloren werden. Das Mädchen ist eine reine Seele, welche nach Gott und dem Himmel dürstet, und so ist es meine heilige Pflicht, sie nur in eine Familie zu geben, in welcher der wahre Glaube und die echte Gottesfurcht vorhanden sind.«

      »Das ist sehr löblich von Ihnen!«

      Diese Zustimmung gab ihm die Gabe der Rede vollständig zurück:

      »Da ich nun weiß, daß das Haus der gnädigen Frau Baronin ein Tempel ist, in welchem die wahre Verehrung herrscht, so hätte ich es als eine Schickung des Allerhöchsten angesehen, wenn es möglich gewesen wäre, hier ein Plätzchen für das gute Kind zu finden.«

      »Ah! Sie wünschen eine Stellung für sie bei mir?«

      »Ja, gnädige Frau. Der Himmel wird es Ihnen lohnen, was Sie hier auf Erden an der armen Waise thun!«

      »Als was soll ich sie denn engagiren?«

      »Als was Sie denken!«

      Da schnippste sie fröhlich mit den Fingern, warf ihm einen pfiffig-malitiösen Blick zu und sagte:

      »Ich kann sie leider nicht gebrauchen, aber mein Mann, der Baron hat vielleicht irgend eine Verwendung – nicht?«

      Er trat erschrocken einen Schritt zurück.

      »Gnädige Frau!«

      »Papperlapapp! Wie alt ist sie?«

      »Neunzehn.«

      »Wie heißt sie?«

      »Marie Bertram.«

      »Ist sie hübsch?«

      »Die Vorsehung hat ihr in ihrem Äußeren allerdings eine Empfehlung für ihre irdische Pilgerschaft gegeben.«

      »Ist sie munter?«

      »Nein, eher nachdenklich. Die Kinder Gottes pflegen ernst zu sein.«

      »Nicht wahr, mein Mann wünscht, daß ich sie engagire?«

      »Er hat allerdings gemeint, daß es ein Fingerzeig des Himmels sei, daß ihr Vater in einem Hause gestorben ist, welches dem gnädigen Herrn gehört.«

      »Reden wir aufrichtig. Ist er verliebt in sie?«

      »Gnädige Frau!« rief der Mann, ganz erschreckt die knochigen Hände faltend.

      »Gut! Ich werde sie also nicht engagiren!«

      Dieser plötzliche Entschluß brachte ihn in die allergrößte Verlegenheit.

      »Sie weisen mich zurück? Mein Herz glaubte bereits, ein Hosianna singen zu können –!«

      »Ja. Ich muß Ihnen leider sagen, daß mein Mann ein großer Liebhaber weiblicher Schönheiten ist. Ich engagire in Folge dessen, um ihm gefällig zu sein, nur hübsche Mädchen, welche nicht prüde sind und ihm gefallen. Ihre Mündel kann ich also nicht gebrauchen!«

      Da beeilte sich der Vorsteher zu erklären:

      »Ich besinne mich jetzt glücklicher Weise, daß der Herr Baron sich in recht beifälliger Weise über sie ausgesprochen hat.«

      »So! Er ist ihr also gut?«

      »Ich weiß nicht, welche Deutung ich diesem etwas weltlichen Ausdrucke geben soll.«

      Da ließ sie ein kurzes, lustiges Lachen hören und sagte:

      »So will ich ihn erklären: Mein Mann hat bei dem Anblicke Ihrer Mündel ganz dieselben Gedanken und Wünsche, welche Sie jetzt in diesem Augenblicke haben, indem Sie mich hier vor sich liegen sehen.«

      »Jesus, mein Heiland! Was denken die gnädige Frau!«

      »Pah! Sprechen wir ehrlich! Ich will Ihre Mündel zu mir nehmen, aber nur unter der Bedingung, daß Sie sich jetzt mir gegenüber nicht in eine Manier werfen, welche Ihrem inneren Wesen fremd ist. Leute, welche sich kennen und durchschauen, dürfen nicht Komödie mit einander spielen. Sagen Sie aufrichtig: Würde Ihnen ein Kuß von mir unangenehm sein?«

      Er wußte jetzt wirklich nicht, was er antworten solle. Er rieb sich die Hände, wand sich hin und her und stotterte endlich:

      »Gnädige Frau, ich halte Sie allerdings für meine Schwester in dem Herrn. Als Bruder würde ich mir wohl einen solchen Erweis der Zärtlichkeit erlauben dürfen.«

      Da kam ein kleines, schlimmes Teufelchen über sie. Sie erhob sich halb, hielt ihm ihre rechte Wange entgegen und sagte:

      »Gut, mein lieber Bruder in dem Herrn, kommen Sie her und geben Sie mir einen herzhaften Kuß auf die rechte Wange!«

      Da stieg ihm das Blut in die Wangen. War es wahr? Er sollte dieses herrliche Weib küssen dürfen?

      »Gnade!« stammelte er. »Ein solcher Scherz –!«

      »Es ist kein Scherz! Küssen Sie, sonst geht die Zeit vorüber. Dann ist es zu spät!«

      Er warf ihr einen gierig forschenden Blick zu. Er sah, daß es ihr Ernst sei, und da fuhr er denn heftig auf sie los und drückte seine Lippen auf ihre Wange. So Etwas hätte er ganz und gar nicht für möglich gehalten!

      Sie legte sich wieder in ihre vorige Stellung zurück und sagte:

      »So dürfen Sie mich küssen als Bruder in dem Herrn. Wären sie eine rein menschliche Person, ohne diese Zuthat von Frömmigkeit und Heiligkeit, so hätte ich Ihnen erlaubt, mich zu umarmen und auf den Mund zu küssen. Sie sind ein schöner Mann, und der meinige ist mir nach und nach fremd und immer fremder geworden.«

      Diese Worte klangen in seinen Ohren wie Gesang der Cherubim und Seraphim. Er riß die Augen weit auf, um die ganze, vor ihm ausgebreitete Schönheit in sich aufzunehmen und fand dabei den Muth zu den Worten:

      »Ich

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