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      »Giebt es nicht Leiden, welche auch von Laien geheilt werden können?« fragte sie kokett.

      »Glücklicher Weise, ja!«

      »Welche wären das?«

      »Hm! Zahnweh!«

      »Pfui! Womit?«

      »Mit einem Kusse!«

      »Das scheint mir Sympathie.«

      »Allerdings. Ich bin nämlich so glücklich, zu jenen Laien zu gehören, denen bereits gar manche Kur gelungen ist.«

      »Bei Herren?«

      »Sehr oft, gnädige Frau!«

      »Aber bei Damen nie?«

      »Fast noch öfter als bei Herren. Ich curire nämlich weder ollo- noch homöo-, noch hydropathisch. Ich mache es wie Christus, der Heiland. Ich lege die Hand auf und sage einige Worte.«

      »Ah!« lachte sie. »Wollen Sie mit Hilfe dieser Wunder eine neue Secte gründen?«

      »O nein. Das überlasse ich dem Schuster Seidelmann. Es genügt mir vollständig, wenn es mir gelingt, eine Einzige zu meinem Glauben zu bekehren.«

      »Darf man fragen, wer diese Eine ist?«

      »Nur Sie können es sein, meine Theure!«

      Sie versetzte ihm einen liebkosenden Schlag auf die Wange und fragte weiter:

      »Und welches ist der Glaube, zu dem ich bekehrt werden soll?«

      »Der Glaube, daß ich im Stande bin, das Leiden zu heilen, über welches Sie vorhin einen so interessanten Seufzer ausstießen.«

      »Sie machen mich wirklich neugierig, Durchlaucht! Mein Leiden ist nämlich schwer zu erkennen.«

      »O, ich bin ein guter Patholog!«

      »Nun gut! Versuchen wir es!«

      »Ich werde Sie aber einer sehr strengen Prüfung unterwerfen!«

      »Ich bin geduldig, Herr Doctor!«

      »Nun gut! Bitte, Ihren Puls!«

      »Hier!«

      Sie reichte ihm die Hand. Er nahm dieselbe, fühlte eine Weile aufmerksam und sagte dann:

      »Und nun den anderen.«

      »Hier!«

      Sie gab ihm die andere Hand. Er aber schüttelte den Kopf und sprach:

      »Ich sehe, daß Sie es bisher noch nie mit einem erfahrenen Arzte zu thun gehabt haben. Man muß wissen, wie viele Sekunden das Blut braucht, um von einem äußersten Ende des Körpers zum anderen zu gelangen.«

      »Interessant!« lachte sie. »Welche Enden meinen Sie?«

      »Diejenigen Stellen des Körpers, welche am weitesten von einander entfernt sind, also Hand und Fuß.«

      »Allerliebst, allerliebst! Das heißt, Sie wollen mir den Puls auch am Fuße befühlen?«

      »Ja. Das heißt über dem Fußgelenk, wie man es ja auch hinter dem Handgelenk macht.«

      »Ich muß gehorchen. Aber Sie werden leider gezwungen sein, sich ein Wenig zu bücken.«

      »Kommen Sie mir zu Hilfe. Hier ist ein Tabouret.«

      Sie legte gehorsam den einen Fuß auf das Tabouret. Er legte seine Finger decent um das Gelenk desselben, ergriff dann ihre Hand und begann mit der ernsthaftesten Miene zu horchen.

      »Hm!« brummte er dann. »Das ist vielsagend!«

      »Was?«

      »Ärztliches Geheimniß! Jetzt werden wir nun den Mittelpunkt des Pulses zu recognosciren haben.«

      »Den Mittelpunkt? Wo befindet sich derselbe?«

      »Ich meine natürlich das Herz.«

      »Wie wollen Sie das finden?«

      »Ich werde es mir suchen. Erlauben Sie?«

      »Eigentlich nicht!«

      »Ja, dem Arzte niemals! Aber weil ich ein Laie bin, so –«

      »So –? Was denn, Durchlaucht? Ah, ich glaube aus dem gestrigen Schüler ist ein kühner Virtuos geworden!«

      »Nur um Sie von Ihrer Krankheit zu befreien!«

      Er hatte den linken Arm um ihre Taille gelegt und suchte nun mit der rechten Hand nach ihrem Herzen. Sie ließ es geschehen; doch dauerte es eine geraume Zeit, ehe er den Schlag desselben deutlich fühlte.

      »Haben Sie es?« fragte sie.

      »Ja, endlich!«

      »Was werden Sie damit thun?«

      »Der Schlag ist heiß, innig und verheißungsvoll. Ich möchte es am Allerliebsten behalten!«

      »Auf wie lange, Durchlaucht?«

      »Für immer, natürlich, liebe Ella!«

      Sie fuhr rasch mit ihrem Blicke zu ihm empor.

      »Ella? Sie kennen meinen Namen?«

      »Ist das ein großes Wunder? Ich habe nach demselben gefragt, bis ich ihn erfahren habe.«

      »Nach dem Namen einer so gleichgiltigen Person?«

      »Nach dem Namen meiner Patientin!«

      »Die Sie wohl nicht so leicht heilen werden.«

      »Pah! Warum?«

      »Weil es Ihnen sehr schwer fallen wird, die Krankheit zu erkennen.«

      »O, ich kenne sie bereits, auch ihren Sitz, ihre Ursachen und das Medicament zu Ihrer Heilung.«

      »Und das Alles haben Ihnen die drei Pulse gesagt?«

      »Ja. Ueberzeugen Sie sich.«

      »Gut! Antworten Sie! Ich muß wissen, an welcher Krankheit ich im Begriffe stehe, zu Grunde zu gehen. Also zunächst: Der Name der Krankheit, lieber Doctor?«

      »Sehnsucht.«

      »Hm! Der Sitz derselben?«

      »Im Herzen.«

      »Die Ursachen?«

      »Ihrer sind zwei, nämlich zwei ganz entgegengesetzte.«

      »Darf man sie erfahren?«

      »Gewiß. Siedendes Temperament und eingefrorenes Eheglück.«

      Sie erröthete doch. Er hatte sie durchschaut. Aber daraus machte sie sich nichts. Sie fragte weiter:

      »Und das Medicament?«

      »Vorher ist es mir nöthig, zu hören, ob ich in meiner Diagnose irre gegangen bin oder nicht. Ich bitte um aufrichtige Auskunft!«

      »Ist das nicht ein Wenig zu viel verlangt, lieber Doctor?«

      »Nein. Der Arzt hat nicht nur das Recht sondern sogar die Pflicht, Wahrheit zu fordern. Also, meine schöne Kranke, wie steht es?«

      »Sie haben richtig gerathen.«

      Das war mehr als aufrichtig. Das Blut stieg ihr dabei aber auch hochroth in das Gesicht, so daß sie den Kopf neigte, um es nicht so sehr bemerken zu lassen. Aber bereits nach einem Weilchen wiederholte sie:

      »Also, das Medicament?«

      Er deutete mit dem Finger auf sich und sagte:

      »Hier sitzt es.«

      »Sie? Ah! Arzt und Medicin zugleich?«

      »Freilich!«

      »Aber in welchen Dosen könnte man Sie genießen?«

      »Das werde ich verschreiben, und Sie haben zu gehorchen! Zunächst werde ich mich Ihnen als Doppelkataplasma verordnen.«

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