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kann das entscheiden?«

      »Herr Baron, ich bin ein Verkünder der heiligen Schrift, und diese sagt: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben!«

      »Das Letztere kann wegfallen, das Erstere aber will ich von Ihnen erwarten!« lachte der Baron. »Wissen Sie vielleicht, wer das Geld von dem Juden geholt hat?«

      »Der Robert jedenfalls.«

      »So müßte es gerade nur seine Person sein, auf welche sich das Interesse des Juden bezieht.«

      »Vermuthlich!«

      »Forschen Sie, forschen Sie! Aber, wie gesagt, vorsichtig, höchst vorsichtig! Da Geld vorhanden ist, so vermuthe ich, daß die Noth bei Bertram's einstweilen gewichen ist?«

      »Grad das Gegentheil. Sie ist in erneutem und allerhöchstem Maße eingetreten.«

      »Wieso?«

      »Haben Sie denn noch nichts von den neuesten Neuigkeiten, welche die ganze Bewohnerschaft der Residenz aufregen, vernommen?«

      »Nein.«

      »Das ist kaum glaublich!«

      »Es ist aber sehr leicht erklärlich. Ich war sehr spät noch zu einer Soiree und bin daher erst vor einer Viertelstunde erwacht. Was giebt es denn?«

      »Nun, zunächst ist gestern der Mechanikus Wilhelm Fels arretirt worden. Er sitzt in Untersuchung.«

      Es gelang dem Baron, ein höchst überraschtes Gesicht zu machen. Er fragte:

      »Arretirt und in Untersuchung? Weshalb denn?«

      »Wegen Unterschlagung und Veruntreuung von Arbeitsmaterial.«

      »Ist ihm recht geschehen! Was sagt seine Geliebte dazu?«

      »Seine Geliebte? Wen meinen Sie, gnädiger Herr?«

      »Nun, Marie Bertram!«

      »Ah, das ist seine Geliebte? Drum, drum schrie sie so auf, als sie hörte, daß er gefangen sei! Aber sie kann nicht sehr an ihn denken, denn sie hat jetzt mit ihren eigenen Angelegenheiten genug zu thun. Ihr Vater ist todt.«

      »Der alte Bertram? Endlich, endlich!«

      Es blitzte einen Augenblick lang wie ein schadenfroher Triumph über das Gesicht des Barons. Der Vorsteher bemerkte es. Er ließ ein verschmitztes ironisches Lächeln sehen und antwortete:

      »Endlich, sagen Sie? Die Auflösung des Schwindsüchtigen ließ sich allerdings in Bälde erwarten. Vielleicht haben Sie sich darauf gefreut, der Versorger seiner Waisen zu werden?«

      Der Gefragte wußte, daß er durchschaut sei, aber er nahm eine möglichst unbefangene Miene an und sagte in ernstem Tone:

      »Wollen Sie vergessen, daß der Todte in meinem Hause gewohnt hat und auch da gestorben ist?«

      »Ja, ja!« nickte der Administrator. »Das legt Ihnen gewisse moralische, humanitaire und auch christliche Verpflichtungen auf. Vielleicht überlasse ich es Ihnen, dem Drange Ihres wohlthätigen, weichen Herzens Folge zu leisten.«

      »Sie, mir? Wieso?«

      »Ich werde Vormund sein.«

      »Das ist recht! Das ist gut!« rief der Baron im Tone der Genugthuung. »Was haben Sie beschlossen?«

      Herr Seidelmann zupfte nachdenklich an seinen Handschuhen herum. Er machte in diesem Augenblicke ganz das Gesicht des Fuchses in der Fabel, als dieser der Henne erzählte, daß der Marder weder Fleisch noch Ei vertragen könne. Dann nickte er vor sich hin und sagte langsam:

      »Euer Gnaden wissen, daß ich ein treuer und eifriger Arbeiter im Weinberge des Herrn bin?«

      »Ja, ja,« antwortete der Baron ungeduldig. »Wir wissen Beide, was wir von einander zu halten haben, denn wir haben uns ja zur Genüge kennengelernt.«

      »Ich hoffe das, ich hoffe das! Wird mir das Amt des Vormundes übergeben – definitiv ist es nämlich noch nicht geschehen – so werde ich es ebenso treu und eifrig verwalten. Vor allen Dingen habe ich darauf zu sehen, daß die mir anvertrauten Seelen in eine christlich fromme Umgebung kommen.«

      »Ja doch, ja! Aber weiter!«

      »Die Kleinen befinden sich bereits im Waisenhause. Sie sind da am Besten aufgehoben, und ihre Erziehung macht mir keine Sorge; sie ist eine sehr streng religiöse. Was aber Marie, die Tochter betrifft, die ja das Alter der Mündigkeit noch nicht erreicht hat, so ist sie ein äußerlich keineswegs unansehnliches Mädchen. Ich möchte sie nicht in niederen Verhältnissen verkümmern lassen und habe daher – hm, ich weiß nicht, ob ich unbescheiden erscheinen werde, Herr Baron!«

      Der Baron hatte ihm mit allen Zeichen der Ungeduld zugehört. Jetzt rief er, ein wenig mit dem Fuße stampfend:

      »Was denn? Was denn? So reden Sie doch, beim Teufel! Seien Sie so unbescheiden, wie Sie wollen! Nur bringen Sie nichts, was gegen meinen Geschmack sein würde!«

      »Hm! Wir wollen sehen! Es ist sehr viel verlangt von mir, und ich würde in meinem eigenen Interesse sicherlich keine so zudringliche Frage aussprechen, aber da ich die heilige Verpflichtung des Vormundes auf mir lasten fühle, so möchte ich fragen, ob Sie nicht vielleicht in Ihrem Hause eine Stellung, eine Verwendung für Marie Bertram finden könnten. Das würde mir das Angenehmste sein. Ich hätte die innerliche Beruhigung, meine Mündel in einer Umgebung zu wissen, in welcher ihre Tugend und das Heil ihrer Seele niemals in Gefahr gerathen kann.«

      Jetzt, jetzt endlich verstand der Baron den Vorsteher. Er hätte ihn vor Freude umarmen mögen; aber er beherrschte sich und antwortete:

      »Gern nicht, mein Lieber! Die Tochter eines Schneiders, eines Musikanten paßt nicht in ein vornehmes, hocharistokratisches Haus; aber Ihnen zu Liebe will ich doch einmal mit meiner Frau sprechen.«

      Herr Seidelmann blinzelte pfiffig vor sich hin und wagte zu fragen:

      »Sind Ihre Entschließungen in solchen Angelegenheiten von der Einwilligung der Frau Baronin abhängig?«

      Der Baron verstand ihn und antwortete, leicht die Achsel zuckend:

      »Pah! Die Convenienz erfordert, daß man gegenseitige Höflichkeiten beobachte!«

      »Würde es mir vielleicht erlaubt sein, in dieser Angelegenheit mit der gnädigen Frau zu verhandeln?«

      »Warum nicht? Das ist mir sogar lieber!«

      »So werde ich –«

      »Halt!« unterbrach ihn der Baron, welcher glaubte, er habe die Absicht, sofort zur Baronin zu gehen. »Ich muß vorher sehen, ob meine Frau zu sprechen ist.«

      »Warum nachsehen? Ein Diener könnte –«

      »Nein, nein! Sie hat Besuch.« Und im Tone einer eigenartigen, aber sehr leicht herauszuhörenden Bedeutung fügte er hinzu: »Der Fürst von Befour macht ihr nämlich seine Morgenvisite.«

      Der Vorsteher verneigte sich unter einem ebenso eigenthümlichen Lächeln und sagte:

      »Ich gratulire, Herr Baron! Der Fürst ist eine Person von ausgezeichneter Distinction. Es wird ihm nicht schwer fallen, das Wohlwollen der Herrin dieses Hauses zu erlangen, und darum hoffe ich, glauben zu dürfen, daß sie auch unserem Projecte, betreffs Marie Bertram nicht entgegen sein werde.«

      »Ich bin überzeugt davon. Also, ich werde einmal nachsehen, ob der Fürst noch zugegen ist.«

      »O bitte, jetzt noch nicht, gnädiger Herr! Ich habe noch einige andere Neuigkeiten, welche Sie interessiren werden.«

      »Sie stecken ja heute ganz voll von ihnen! Was giebt es noch?«

      »Ist Ihnen vielleicht ein Subject bekannt, welches man den Riesen Bormann zu nennen pflegt?«

      »Vom Hörensagen,« antwortete der Baron im gleichgiltigsten Tone der Welt.

      »Der Mensch ist ein höchst gefährlicher Verbrecher. Er war eingesperrt.«

      »Ich

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