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in Civil gewesen war.

      Robert wurde, als er an der Thür des Juden klopfte, von der alten Rebecca eingelassen. Sie blickte ihn freundlich an, nickte ihm zu und fragte ihn zutraulich:

      »Ist es wahr, daß Sie oft Hunger gelitten haben?«

      »Ach ja! Zuweilen!«

      »Nun, dann werden Sie Ehrenketten empfangen von Fürsten und Potentaten, und man wird Ihren Namen ausmeiseln in Gold, den Buchstaben zu zwanzig Kreuzer beinahe. Gehen Sie eine Treppe höher, wo Ihrer wartet das Mahl nebst Knoblauch als Gewürze!«

      Er wußte allerdings nicht, was er über diese ebenso freundliche, wie räthselhafte Auslassung denken sollte. Oben wartete die alte Magd auf ihn, um ihm die Thür zu öffnen. Als er eingetreten war, blieb er erstaunt stehen.

      Das Zimmer war hell mit Wachskerzen erleuchtet; die Vorhänge hatte man zugezogen. Der Tisch war mit Delicatessen und Wein beladen, und auf dem Divan lag Judith.

      Sie hatte eine eigenthümliche Tracht angelegt. War das Phantasie, oder war es die Kleidung eines jüdischen Stammes oder fernen Landes? Robert wußte es nicht zu sagen.

      Sie trug orientalische Beinkleider von durchsichtigem, röthlichem Stoffe, reich in Silber gestickt, ein eben solches Jäckchen mit Goldstickerei, tief ausgeschnitten und mit so weit aufgeschlitzten Ärmeln, daß man die prächtigen Arme bis hinauf zur Achsel verfolgen konnte. Die nackten Füße stacken in Sammtpantoffeln. Um das Alles herum faltete sich ein weißer, außerordentlich feiner Florüberwurf, der mit goldenen Sternen besäet war. In dem rabenschwarzen Haare glänzten Steine und Perlen. Der größte Schmuck desselben war die eigene Schwere und Länge. Es war in dicke Flechten gebracht, welche wie glänzende Schlangen über den Flor herniederrollten.

      Sie bemerkte den Eindruck, den sie auf ihn machte, und lächelte ihm süß entgegen.

      »Willkommen, Herr Bertram,« sagte sie, indem sie ihm die Hand vorstreckte.

      Er trat herbei, verbeugte sich etwas linkisch und ergriff dieses weiße, feine und doch so kräftige Händchen, wußte aber leider nicht, was er mit demselben machen sollte.

      »Nun!« sagte sie. »Gefällt Ihnen diese Hand so wenig?«

      Er erröthete verlegen und antwortete:

      »O, sie ist im Gegentheile sehr schön!«

      »Warum küssen Sie sie nicht?«

      »Muß ich das denn?« fragte er lächelnd. Er hatte auf einmal seinen Muth wiedergefunden.

      »Müssen? O nein! So Etwas thut man aus freiem Entschlusse. Ein Dichter aber sollte eigentlich immer galant sein.«

      Sie entzog ihm die Hand und deutete mit derselben auf den Stuhl, welcher hart neben dem Divan stand.

      »Nehmen Sie Platz und versuchen Sie, sich nicht zu langweilen. Wir werden während des ganzen Abends allein sein.«

      »Ah! Ihr Herr Vater und Ihre Frau Mutter kommen nicht?«

      »Nein. Ist es Ihnen Angst vor mir?«

      »Ja, wenn wir allein sind,« gestand er in galanter Aufrichtigkeit.

      »Warum?«

      »Ich habe noch mit keiner schönen Dame allein gespeist!«

      »Und ich mit keinem geistreichen Dichter.«

      »So ist unser Abend vielversprechend. Wir werden eine Doublette von Geist und Schönheit haben.«

      »Wer wird siegen und wer unterliegen?«

      »Der Geist wird unterliegen; ich fühle es bereits!«

      »Ich sehe, daß die Dichter in Wahrheit galant sein können. Leider ließen Sie mich lange warten. Ich hatte sehr viel Zeit zum Anrichten, und wir werden beginnen können. Darf ich Ihnen vorlegen?«

      »Ich nehme mein Schicksal aus Ihren Händen.«

      Sie erhob sich aus ihrer liegenden Stellung. Dadurch kam sie, trotzdem sie auf dem Divan blieb, ganz hart neben ihm zu sitzen. Sie servirte. Ihr voller, glänzender Arm strich dabei so hart an ihm hin, daß er sogar einmal seine Wange berührte. Ihrem Haar entströmte ein süßer, eindringlicher Duft. Ihre Augen funkelten ihm verheißungsvoll entgegen; ihr Mund lächelte; ihre Lippen grüßten still, aber innig. Und wenn sie eine Kleinigkeit zum Munde führte, so war es ein Vergnügen, die Perlenreihen ihrer Zähne glänzen zu sehen. Es war klar, daß sie ihn gewinnen wollte.

      Er merkte jetzt von all den Schönheiten nichts. Er sah nur die Delicatessen, nickte fröhlich vor sich hin und sagte:

      »Speist man bei Ihnen stets so gut, Fräulein Judith?«

      »Nicht immer, sondern nur dann, wenn Dichter geladen sind.«

      »Dann sind diese Dichter wohl verpflichtet, der Tafel alle Ehre zu erweisen?«

      »Natürlich! Aber die Wirthin darf dabei nicht vergessen werden!«

      »O nein!« lachte er heiter. »Sie soll mitessen dürfen!«

      »O, Sie materielle Seele!«

      »Ist das ein Lob oder ein Vorwurf?«

      »Nur das Letztere.«

      »Ich dachte, nur das Erstere. Die Seele ist außerordentlich abhängig von der Materie. Doch, gerathen wir nicht auf dieses Gebiet, sondern bleiben wir lieber bei der Tafel.«

      Er hatte alle Befangenheit überwunden und aß wie Einer, der ein Recht dazu hatte, hier am Tische zu sitzen. Sie freute sich darüber. Sie suchte ihm das Beste heraus und legte es ihm vor. Er wurde gesprächiger und immer gesprächiger. Seine Wangen bekamen Farbe; seine Augen glänzten, und seine Witze sprühten vor Geist.

      Sie bemerkte das gar wohl. O, er hatte Recht gehabt, als er sagte, daß die Seele von der Materie abhängig sei. Er hatte gehungert. Er hatte vielleicht nie ein solches Mahl gehabt. Jetzt zeigte sich die geistige Wirkung dieses materiellen Ueberflusses.

      Er sprach und kaute und kaute und sprach; sie konnte ihr Auge nicht von ihm wenden; denn er war jetzt schön, wirklich schön. Sie fühlte, daß sie ihn liebe, daß sie ihn haben müsse, daß sie um seinen Besitz mit jeder Gegnerin ringen und kämpfen werde.

      »Sie sagten, daß Sie noch mit keiner schönen Dame gespeist hätten?« fragte sie. »Ist das wörtlich zu nehmen?«

      »Ja, wörtlich,« nickte er.

      »So sind Sie wohl selten in Damengesellschaft gewesen?«

      »Nie.«

      »Das ist kaum glaublich. Ein junger Herr Ihres Alters pflegt schon einige Liaisons gehabt zu haben.«

      »Liaisons? O weh! Diese Herren sind zu beklagen!«

      »Oder vielmehr ihre Damen!«

      »Beide! Ich würde mir nie eine Liaison gestatten.«

      »Warum?«

      »Weil sie eine Versündigung ist, eine Versündigung an einem fremden und dem eigenen Herzen.«

      »So haben Sie wirklich niemals eine derartige Bekanntschaft gehabt?«

      »Nie,« antwortete er ernst. »Unter einer Liaison verstehe ich eine vorübergehende Liebelei. Eine Dame, welche Liaisons gehabt hat, gleicht einem Schmetterlinge mit beschädigten Stellen.«

      »Sie haben Recht!«

      »Nicht wahr! Der Mensch darf nur eine einzige Liebe haben; aber diese muß so groß und mächtig sein, daß sie sein ganzes Denken und Fühlen, sein ganzes Leben ausfüllt.«

      »Wären Sie einer solchen Liebe fähig?«

      »Ja.«

      »Aber gefühlt haben Sie sie noch nicht?«

      »Nein.«

      »Meinen Sie, daß sie plötzlich über Einen herfällt, oder daß sie langsam ihren Einzug in das Herz hält?«

      »Je

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