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Gott! Das macht mit den Zinsen ja zwölf Procent!«

      »Allerdings. Und dazu kommen die Anwaltskosten.«

      »Ich hatte doch mit keinem Anwalt zu thun!«

      »Aber ich! Sie kamen heute nicht, um zu bezahlen, und so ging ich zum Advocaten, um die Klage auf Exmission anfertigen zu lassen. Das kostet Geld, das Zurücknehmen der Klage kostet wieder Geld. Wollen Sie zahlen, und sind Sie wirklich im Stande, es zu thun?«

      Robert war wie vom Donner gerührt. Er, der bescheidene, unerfahrene Jüngling, war einem solchen Manne gegenüber machtlos. Er fragte sich, ob die fünfzig Thaler wohl reichen würden; er dachte an das Geld, welches ihm von den Goldstücken, welche der Fürst von Befour ihm geschenkt hatte, übrig geblieben war, und fragte:

      »Herr Seidelmann, nennen Sie das nicht Wucher?«

      »Wucher? Was fällt Ihnen ein! Was verstehen Sie unter Wucher?«

      »Wenn ein Gläubiger mehr Zinsen nimmt, als er menschlicher Weise nehmen sollte!«

      »Die Bibel gebietet dem gläubigen Christen, mit seinem Pfunde zu wuchern! So lautet es wörtlich!«

      »Diese Stelle ist anders zu deuten!«

      »Davon verstehen Sie nichts. Die Bibel kann nur von einem frommgläubigen Theologen ausgelegt werden. Ich frage nochmals, ob Sie bezahlen können?«

      »Und wenn ich es nicht kann?«

      »So werden Sie exmittirt, zu deutsch herausgeworfen.«

      »Herr Vorsteher! Ich möchte fragen, ob das christlich ist?«

      »Ärgert Dich Dein Auge, so reiße es aus! Ärgert Dich Deine Hand, so haue sie ab! Sie geben, indem Sie Liebesgedichte lesen und den Zins nicht zahlen, dem ganzen Hause ein Beispiel des Ärgernisses. Meine Pflicht als Vorsteher, Christ und Administrator gebietet mir, dieses Ärgerniß zu beseitigen. Sehen Sie, Ihre Augen blitzen und Ihre Lippen zucken vor unchristlicher Wuth, von sündhaftem, teuflischem Grimm! Und doch gebietet der heilige Apostel: Kindlein, liebet Euch unter einander! Sie aber sind Beelzebub verfallen. Sie sind ein Kind der Augenlust, der Fleischeslust und des hoffärthigen Wesens. Gehen Sie in sich! Versuchen Sie die Beichte, und bitten Sie den Allliebenden dabei auf Ihren Knieen um Gnade und Barmherzigkeit.«

      Robert stand da, ganz starr vor Erstaunen.

      »Sehen Sie,« fuhr der Vorsteher fort, »wie die Wahrheit meiner Worte auf Sie wirkt? Sie ist wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt. Sie stehen da wie Lots Weib, als es sich umblickte nach dem Feuer, welches Sodom und Gomorrha verschlang. Auch Sie leben in einem Sodom und wandeln in dem Gomorrha der Ueppigkeit und der unlauteren Liebe, die in frechen Liedern besungen wird. Wollen Sie nicht, daß auch auf Sie Feuer und Schwefel herniederregne, so thun Sie beizeiten Buße im Sacke und in der Asche. Kasteien Sie Ihr Fleisch; werfen Sie die Neigung zum Mammon von sich, und versuchen Sie, ein gerechtes Leben zu führen in Ehren und Gottwohlgefälligkeit. Und fühlen Sie sich zu schwach dazu, so kommen Sie zu mir. Sie sollen in mir den Hirten finden, welcher das räudige Schaf mit der heilenden Salbe der Gnade bestreicht, damit er es wieder versammeln kann zur Heerde der Gerechten und Frommen!«

      Jetzt fand Robert die Sprache wieder. Er hatte den Mann ausreden lassen und wollte nun eine scharfe Entgegnung beginnen. Aber er besann sich eines Besseren und sagte nur:

      »Herr Seidelmann, haben Sie die Güte, mir zu sagen, wie viel ich zu bezahlen habe.«

      »So ist es recht! Die wahre Frömmigkeit beginnt mit der Erfüllung der berechtigten irdischen Pflichten. Ich werde addiren.«

      »Ich werde nicht nur um die Summe bitten.«

      »Um was noch?«

      »Um die einzelnen Posten.«

      Der Vorsteher blickte ihn ganz erstaunt an.

      »Warum? Wozu?«

      »Sie haben mir meine geistlichen Schulden soeben so ausführlich hergezählt, daß es Ihnen sehr leicht sein muß, mir auch die irdischen, soweit sie den Miethzins betreffen, zu specificiren.«

      »Das kann ich, aber es hat keinen Zweck.«

      »O doch!«

      »Nun, welchen?«

      »Den der Controle.«

      »Was?« brauste der Fromme auf. »Sie wollen mich controliren?«

      »Nein. Aber ich habe als Sohn die Verpflichtung, meinem Vater zu zeigen, wofür ich mein Geld ausgebe. Ich selbst also bin es, welcher controlirt werden soll. Schreiben Sie mir besonders den Namen des Rechtsanwaltes auf, bei welchem Sie die Exmissionsklage fertigen ließen. Sie müssen die Liquidation dieses Herrn in den Händen haben. Geben Sie mir eine mit Ihrer Unterschrift versehene Abschrift davon. Ich werde Alles bezahlen, nur bitte ich Sie, Alles zu unterschreiben!«

      Da stand der Vorsteher von seinem Stuhle auf und rief ihm zu:

      »Mensch! Sünder! Du beleidigst Gott, indem Du seinen Diener lästerst. Eine von mir beglaubigte Abschrift einer weltlichen, einer profanen, einer advocatorischen Liquidation! Das ist Schändung meines Amtes. Die Zunge, welche solche Forderungen stellt, sollte eigentlich verdorren. Bertram, ich sehe ein, daß Sie nie zu bessern sind. Ich gebe Sie verloren für alle Zeit und Ewigkeit; aber ich wasche meine Hände in Unschuld, denn ich habe zu Ihrer Rettung gethan, was ich thun konnte. Ich mag nichts mit Ihnen zu thun und nichts mit Ihnen gemein haben. Ich mag nichts von Ihnen erhalten. Ich schenke Ihnen Alles, Alles, die Buchungskosten, die Quittungsgebühren, die Zinsen der Schuld und sogar die Anwaltskosten. Ich will lieber dieses irdische Opfer bringen, als den kleinsten Denar, den geringsten Obolus mein Eigen nennen, nachdem er sich in Ihrer Hand befunden hat! Aber den Miethzins kann ich Ihnen nicht erlassen, denn der gehört nicht mir, sondern dem Eigenthümer des Hauses.«

      Ueber das hagere Leidensgesicht des Jünglings glitt ein unbeschreibliches Lächeln. Freude, Stolz und Verachtung fanden ihren Ausdruck in demselben. Er sagte in möglichster Ruhe:

      »Da hat Gott Ihnen einen guten Gedanken eingegeben. Ihre Rechnung wäre in die Hände des Anklägers gekommen. Jetzt weiß ich selbst genau, wie viel ich Ihnen zu bezahlen habe. Hier ist das Geld. Quittiren Sie schnell, damit ich so rasch wie möglich aus Ihrer Seligkeit hier in mein Gomorrha komme!«

      Der Fromme sprach kein Wort weiter. Er steckte das Geld ein, schrieb die Quittung und warf sie ihm hin. Selbst als Robert, bevor er ging, noch grüßte, erhielt er keine Antwort. Er war ja dem Teufel verfallen. Der Frömmler durfte ihn keines Wortes mehr würdigen.

      Als Robert zu Hause ankam, gab es noch immer Thränen, aber sie waren bald gestillt, als er die Quittung vorzeigte und dann bewies, daß er sogar noch Geld übrig habe.

      »Woher aber hast Du denn eine so große Summe erhalten?« fragte sein Vater.

      Er fiel vor Freude in einen fürchterlichen Husten, denn die Erstere griff ihn ebenso an wie die Traurigkeit.

      Robert erzählte es, ließ aber weg, daß er die Kette zum Pfande dort gelassen hatte. Marie erhielt Geld, um Speise und anderes Nothwendige herbei zu schaffen. Er ging mit ihr, um sich in das Haus des Juden zu begeben. Unten auf der Straße meinte sie, indem sie sich selbst zu trösten versuchte:

      »Glaubst Du, daß es möglich ist, das Oel aus der Stickerei zu entfernen?«

      »Ich bin kein Chemiker; ich kann da leider gar nichts sagen.«

      »Ich hoffe es. Ich habe recht innig zu Gott gebetet, daß er mir die Freude machen soll, damit ich morgen auch Geld bringen kann. Hast Du vielleicht Wilhelm gesehen?«

      »Nein. Ist er nicht daheim?«

      »Noch nicht!«

      »Du warst bei seiner Mutter?«

      »Ja.«

      »Vielleicht hat er Ueberstunden zu arbeiten.«

      »Das ist möglich. Sein Prinzipal ist heute Mittag dagewesen und heute Abend mit einem Herrn wiedergekommen, um die Maschine zu holen, welche für den Engländer bestimmt

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