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ist übrigens zu überwinden, da Alles versichert war. Natürlich setze ich da voraus, daß kein Menschenleben dabei beschädigt worden ist.«

      »Das ist leider grad der Fall.«

      Jetzt griff sie wirklich nach der Lehne des Stuhles.

      »Ist Jemand verletzt worden?« fragte sie.

      »Verletzt nicht, aber todt,« meinte er kalt und gleichgiltig.

      »Himmel, wer ist es, wer?«

      »Ihr Bruder ist mit verbrannt.«

      Da fuhr sie auf ihn zu. Ihre Augen wurden starr und gläsern.

      »Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge!« rief sie.

      »Ich sehe, daß Sie unzurechnungsfähig sind; darum verzeihe ich Ihnen. Gehen Sie hinaus! Man hat seine Ueberreste gerettet. Die verkohlten Knochen und der verbrannte Schädel liegen zur Besichtigung bereit.«

      Sie fuhr mit den Händen in die Luft, stieß einen unarticulirten Schrei aus und rief laut und jammernd:

      »Gott! Herrgott, Dein Strafgericht beginnt!«

      Dann sank sie leblos auf den Boden nieder.

      Der Baron wendete sich kalt an ihren Diener, welcher unter der Thür stehen geblieben war:

      »Lassen Sie sich hier ein Zimmer geben, und holen Sie einen Arzt. Ich glaube kaum, daß sie transportabel sein wird, und auf Hirschenau ist leider kein Platz für sie.«

      Damit ging er von dannen, als ob ihre Person ihm ganz und gar fremd und gleichgiltig sei. –

      Am nächsten Morgen kam der Schmied mit seinem Sohne auf seinem Wägelchen nach dem Bahnhofe gefahren. Nachdem er einen Sack Kartoffeln abgeladen und als Passagiergut aufgegeben hatte, fuhr sein Sohn nach Helfenstein zurück, er aber stieg in den Zug, welcher nach der Residenz abging. Dort angekommen, begab er sich sofort nach dem Landesgericht und fragte nach dem neuen Schließer Christian. Dieser kam herbei und erkannte sofort den Gevattersmann seines Vaters. Er freute sich sehr, von demselben besucht zu werden, und fragte ihn, ob seine Eltern den langen Brief erhalten hätten.

      »Ja,« antwortete der Schmied. »Ich habe ihn selbst gelesen.«

      »Wirklich?« fragte Christian. »Nicht wahr, er war sehr schön abgefaßt?«

      »Ja. Besonders das von der Karline und Gustel hat mich gerührt.«

      »Das glaube ich. Im Liebesbriefschreiben habe ich etwas los. Wie aber steht es mit den Kartoffeln?«

      »Die habe ich mit.«

      »Sapperlot! Das ist gut. Ich will sie dem Wachtmeister schenken. Er sagt immer, daß die Kartoffeln, die man hier kauft, nichts taugen, und da will ich ihm einmal zeigen, was die richtigen Kartoffelstückchen mit Majoran oder Gottverthymian zu bedeuten haben. Aber ist es denn auch ein ganzer Sack?«

      »Ein ganzer Scheffelsack.«

      »Und wo ist er?«

      »Er liegt draußen auf dem Bahnhofe als Passagiergut. Hier ist der Zettel, gegen welchen Du ihn bekommst. Das Uebergewicht habe ich bereits bezahlt. Du erhältst ihn also ganz umsonst.«

      Das freute den guten Christian um so mehr. Er taute auf; die Beiden kamen in eine animirte Unterhaltung, und da der Schließer grad eine Viertelstunde Muse hatte, so gingen sie in eine nahe liegende Restauration, um ein Glas Bier zu trinken. Dort kam die Rede auch auf Gustav Brandt.

      »Warst Du mit bei der Verhandlung?« fragte der Schmied.

      »Nein. Ich hatte bei den Gefangenen zu thun. Ich habe überhaupt nicht zu ihm gedurft, weil wir aus einem Orte stammen. Er dauert mich, denn Alle sagen, daß er unschuldig sei.«

      »Jedenfalls wird er begnadigt!«

      »Natürlich!« nickte Christian, indem er ein überaus pfiffiges Gesicht machte. »Aber es hat einen Haken.«

      »Welchen denn?«

      »Er will kein Gnadengesuch machen. Er will sich hinrichten lassen, wie sein Vater es verlangt hat. Er sagt, wer unschuldig ist, der könne wohl Gerechtigkeit verlangen, aber keine Gnade.«

      »Sakkerment, so wird er um einen Kopf kürzer gemacht! Und er hat nur diesen einen!«

      Das Gesicht Christians wurde noch pfiffiger.

      »Hm,« brummte er. »Ich glaube nicht daran!«

      »Warum?«

      »Wir königlichen Beamten kennen das am Besten, aber es ist ein Geheimniß, welches man nicht ausplaudern darf.«

      »Christian! Ausplaudern! Wo denkst Du hin! Ueber Amtsgeheimnisse darf man kein Wort sagen. Aber ich denke mir, daß Du gar nichts davon wissen wirst.«

      »Ah! Wieso?«

      »Du bist noch jung im Amte. Solchen Leuten vertraut man nicht sogleich wichtige Geheimnisse an.«

      »Oho! Was gilt die Wette?«

      »Papperlapapp! Freilich, wer die königliche Uniform trägt und seinen Eltern ein Paar Stiefelpantoffeln schenkt, die noch fast ganz nagelneu sind, der kann dann schon so thun, als ob man ihm Alles anvertraut. Aber wahr ist es nicht!«

      Ein solcher Mangel an Vertrauen war dem Christian unerhört. Das durfte er nicht auf sich sitzen lassen! Was sollten seine Eltern denken, wenn der Schmied, nach Hause zurückgekehrt, ihnen sagte, daß ihr Sohn gar nichts erfahre und wisse! Er setzte sich in Positur und sagte:

      »Es bleibt dabei: Wollen wir wetten?«

      »Ja, sogleich, ich weiß doch, daß ich gewinne!«

      »Wie hoch?«

      »Wie Du willst!«

      »Zwei Glas Bier?«

      »Ja. Topp! Also beweise mir, daß Dir das Geheimniß bekannt ist, welches sich auf Gustav Brandt bezieht! Weißt Du es?«

      Er blickte den Schließer triumphirend an, als ob er wirklich überzeugt sei, die Wette zu gewinnen. Dieser aber machte eine ganz ebenso siegessichere Miene, bog sich zu ihm herüber und flüsterte ihm so leise, daß die anderen Gäste nichts davon hören konnten, die Worte zu:

      »Er ist bereits begnadigt!«

      Der Schmied schüttelte zweifelnd den Kopf und sagte:

      »Unsinn, das hat man Dir nur aufgebunden! Du weißt doch nichts! Er hat ja gar nicht um Begnadigung angehalten!«

      »Ja, aber gerade darum hat ihn der König aus eigenem Antriebe begnadigt.«

      »Er wird es nicht annehmen!«

      »Das wissen wir. Darum darf er auch nicht erfahren, was mit ihm vorgenommen werden soll.«

      »Was wäre das denn?«

      »Uebermorgen früh erhält er um fünf Uhr seinen Kaffee, um halb sechs Uhr wird er nach dem Bahnhofe gebracht, ohne daß er weiß, was eigentlich los ist.«

      »So, so!« nickte der Schmied. »Wer es glaubt, wird selig! Wohin soll er denn geschafft werden?«

      »Wo anders hin, als nach dem Zuchthause!«

      »Donnerwetter! In's Zuchthaus also!«

      »Ja. Er wird das erst dann merken, wenn er drin ist. Und dann ist alles Sträuben zu spät.«

      »Das ist allerdings ein sehr gescheidter Streich!«

      »Nicht wahr? Er würde bereits morgen abgeführt werden, aber die Einlieferungsacten werden bis dahin nicht fertig. Habe ich nun die Wette gewonnen?«

      »Ja, wenn es wahr ist, was Du gesagt hast.«

      »Natürlich ist es wahr, Wort für Wort.«

      »Nun, wenn man Dir so großes Vertrauen schenkt, Dir solche Geheimnisse mitzutheilen, so wirst Du ihn wohl transportiren?«

      »Ich? Nein, daran denken sie allerdings nicht.

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