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Entgegnung raubte ihm den letzten Rest seiner Gewalt über sich selbst. Er erhob den Arm und fragte:

      »Weib, soll ich Dich niederschlagen?«

      Auch das schien sie nicht aus der Fassung zu bringen; aber in ihrer Lage verharrte sie nun doch nicht mehr, vielmehr schnellte sie mit einer blitzesschnellen Bewegung aus ihrem Sessel empor und wendete sich zur Seite, um aus dem Bereiche seines Armes zu kommen. Auch ihre scheinbare Gleichgiltigkeit hatte sie aufgegeben. Ihre erbleichten Wangen begannen sich zu röthen; um ihre fast farblos gewesenen Lippen zuckte es, und aus ihren Augen blitzte ein Haß, der demjenigen ganz gleich kam, mit welchem er sie vorhin betrachtet hatte.

      »Schlagen? Ein Weib schlagen?« fragte sie. »Das ist noch das Letzte und Einzige, was Dir fehlt: die flegelhafte Rohheit eines ungeschliffenen Menschen! Ich werde der Dienerschaft klingeln, um mich gegen derartige Angriffe zu verwahren!«

      »Thue das! Die Diener sollen dann erfahren, weshalb ich Dich in dieser Weise zu behandeln habe!«

      »Sie werden auch das Andere erfahren, nämlich, daß ich mich auf keinen Fall vor Dir fürchte. Du hast vor mir nichts voraus als Deine Muskelkraft und selbst diese ist nicht im Stande, mich bange zu machen.«

      »Das bin ich überzeugt. Ein ehrloses Weib fürchtet selbst nicht die Schande, geschlagen zu werden!«

      »Pah! Rede doch ja nicht von Ehrlosigkeit! Oder willst etwa Du, Du, Du mit Ehre prahlen?«

      »Wer kann es wagen, meine Ehre anzutasten?«

      »Ich!«

      »Du, ja Du allein, aber kein einziger anderer Mensch!«

      »Ist das nicht genug?«

      »Nichts, gar nichts ist es! Die Ehre ist ein öffentliches Gut; sie kann nur öffentlich angegriffen und öffentlich verloren werden!«

      »Nun, so siehe zu, daß Dir Deine große Ehrenhaftigkeit nicht heute noch geraubt wird!«

      »Willst etwa Du mich ehrlos machen?«

      Sie zuckte die Achseln und antwortete:

      »Das soll ganz auf Dich selbst ankommen. Willst Du über die vorliegende Angelegenheit mit mir verhandeln, nun wohl, ich bin bereit dazu, aber ich verlange vor allen Dingen, daß Du Dich dabei nicht anders und besser aufspielst, als ich Dich kenne!«

      »Ah!« antwortete er. »Als was kennst Du mich?«

      »Als Dieb, Schmuggler, Betrüger und Mörder!«

      Er ballte die beiden Fäuste und machte eine Bewegung, als ob er sich auf sie stürzen wolle. Sie trat ihm furchtlos einen Schritt entgegen und rief:

      »Zurück! Beherrsche Dich besser, oder ich klingle bei Gott nach der Dienerschaft. Die Bezeichnungen, weiche ich Dir gegeben habe, beruhen alle auf Wahrheit!«

      »Sie beruhen auf hirnverbrannten Einbildungen Deines wahnsinnigen Kopfes!«

      »O, wäre doch Dein Kopf so hell wie der meinige!«

      »Was wäre dann? Ich raubte Diamanten und ließe mich erwischen. Pah!«

      Er ließ dabei ein ganz und gar verachtungsvolles Lachen erschallen. Sie wurde dadurch keineswegs fassungslos, sondern sie antwortete:

      »Wurdest Du nie auch erwischt?«

      »Ah! Wann denn?«

      »Bei der Ermordung Deines Cousins.«

      »Nur von Dir! Das hat gar nichts zu bedeuten!«

      »Ja, solange Du mich nicht zwingst, gegen Dich aufzutreten. Uebrigens bin ich nicht erwischt worden, sondern man hat die Diamanten bei mir gefunden. Was beweist das?«

      »Daß Du die Diebin bist!«

      »O, es giebt Personen, welche bei mir Zutritt haben. Der Dieb hat geglaubt, daß ein Versteck bei mir mehr Sicherheit bietet als ein solches an irgend einem anderen Orte.«

      »Da könntest Du nur Deine Zofe meinen!«

      »Nun, wenn das wirklich wäre?«

      »So könnte diese Zofe beweisen, daß sie gestern Abend stets zu Hause war, jedenfalls aber nicht bei dem Fürsten von Befour, während grad Du Dich zur betreffenden Zeit bei demselben befunden hast.«

      »Und dennoch brauche ich mich nicht zu ergeben. Haben die Diamanten wirklich bei mir gesteckt?«

      »Ich selbst muß es bezeugen!«

      »Wo befanden sie sich?«

      »Im Innern Deiner Uhrconsole.«

      »Und doch kannst Du falsch gesehen haben. Wer hat die Console ab- und die Steine herausgenommen? Etwa Du?«

      »Nein, sondern der eine der Polizisten.«

      »Das dachte ich mir. Er hat die Steine bereits in der Hand gehabt und sie dann scheinbar herausgenommen.«

      Der Baron sah die Baronin ganz betreten an.

      »Meinst Du etwa, daß ich dieser Fabel Glauben schenken soll?« fragte er.

      »Ob Du mir glaubst, das ist doch jedenfalls Nebensache,« antwortete sie. »Es kommt hier auf die Ansicht an, welche der Richter hat.«

      »Donnerwetter! Glaubst Du, daß es gerathen sei, diese Angelegenheit vor den Richter kommen zu lassen?«

      »Warum nicht? Ich sehe keine Gefahr dabei. Wer ist denn dieser sogenannte Fürst des Elendes?«

      »Es wäre mir sehr lieb, wenn Du mir diese Frage beantworten wolltest!«

      »Eine mährchenhafte Persönlichkeit!«

      »Also doch immerhin eine Persönlichkeit, also eine wirkliche, reale Existenz. Und ich habe nicht nur zu erwägen, daß diese Person mir bereits ungeheuren Schaden verursacht hat und daß sie Alles, was sie thut, nur gegen den ›Hauptmann‹ richtet, also gegen mich, sondern ich darf mir auch nicht verschweigen, daß dieser Mann unter einem hohen Schutze steht. Die Polizei ist mit ihm: das sagt er nicht nur, sondern das ist ein unumstößliches Factum.«

      »Hat der Mensch, welcher vorhin bei uns war, bewiesen, daß er der Fürst des Elendes ist?«

      »Wie sollte er das thun?«

      »Auf irgend eine Weise.«

      »Nun, so hat er es gethan. Er kannte Deine Unterredung mit Befour; er kannte sogar den Umstand, daß ich einen Diener des Letzteren engagirt habe; er kannte auch Deinen famosen Gang zum Juden Salomon Levi, den Du wohl nicht in Abrede stellen kannst, und er wußte schließlich auch das Versteck der Steine. Ist dieser Mann, der sich ganz allwissend zeigt, nicht Gott oder der Teufel, so ist er der Fürst des Elendes!«

      »Vor dem Du Dich fürchtest!« höhnte sie. »Ich an Deiner Stelle hätte ihn längst gefaßt und unschädlich gemacht!«

      »Sage mir nur, wie Du das anfangen wolltest! Uebrigens hast Du es gehört, daß er mich warnte, bei Zeiten eines Einbruches eine Waffe einzustecken. Er hat mich durchschaut. Er weiß, daß ich der ›Hauptmann‹ bin.«

      »Pah! Er schlug doch nur auf den Strauch.«

      »Ich weiß, was ich zu denken habe und nun will ich auch wissen, wie ich mit Dir halte. Wir schweben in der größten Gefahr. Ich muß klar sehen können, um gegen diese Gefahr gerüstet zu sein!«

      Er war unruhig im Zimmer auf- und abgeschritten, jetzt blieb er vor ihr stehen und blickte sie erwartungsvoll an. Sie nickte leise mit dem Kopfe und antwortete:

      »So lasse ich es mir gefallen! Stellst Du Deine Fragen in dieser Weise, so bin ich nicht abgeneigt, sie zu beantworten; aber durch Drohungen und Schimpfwörter lasse ich mir nichts entlocken. Wir stehen uns als Eheleute und ebenso geistig wie moralisch gleich. Befehlen lasse ich mir nichts. Habe ich einen Fehler begangen, so hast Du Dir sogar Verbrechen vorzuwerfen. Wenn Du klug bist, so behandelst Du mich ganz auf gleichem Fuße!«

      Seine Brauen zogen sich finster zusammen. Es war

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