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wird, im ersten Kapitel eingezogen in den Palast Pistoja, und hinter denen die zwölf reichgekleideten Mohren standen, welche aber, statt der langen Spieße, hohe wunderbar glänzende Pfauenfedern in den Händen hielten, die sie in den Lüften hin und her schwangen. Die Damen warfen aber Filetschleier über das Paar, die immer dichter und dichter es zuletzt verhüllten in tiefe Nacht.

      Als nun aber unter lautem Klang von Hörnern, Zimbeln und kleinen Pauken die Nebel des Filets hinabfielen, befand sich das Paar in dem Palast Pistoja und zwar in demselben Saal, in den vor wenigen Tagen der vorwitzige Schauspieler Giglio Fava eindrang.

      Aber herrlicher, viel herrlicher sah es jetzt in diesem Saal aus, als damals. Denn statt der einzigen Ampel, die den Saal erleuchtete, hingen jetzt wohl hundert ringsumher, so daß alles ganz und gar in Feuer zu stehen schien. Die Marmorsäulen, welche die hohe Kuppel trugen, waren mit üppigen Blumenkränzen umwunden; das seltsame Laubwerk der Decke, man wußte nicht, waren es bald buntgefiederte Vögel, bald anmutige Kinder, bald wunderbare Tiergestalten, die darin verflochten, schien sich lebendig zu regen und aus den Falten der goldnen Draperie des Thronhimmels leuchteten bald hier, bald dort freundlich lachende Antlitze holder Jungfrauen hervor. Die Damen standen, wie damals, aber noch prächtiger gekleidet, im Kreise ringsumher, machten aber nicht Filet, sondern streuten bald aus goldnen Vasen herrliche Blumen in den Saal, bald schwangen sie Rauchfässer, aus denen ein köstlicher Geruch empordampfte. Auf dem Throne standen aber in zärtlicher Umarmung der Zauberer Ruffiamonte und der Fürst Bastianello di Pistoja. Daß dieser kein anderer war, als eben der Marktschreier Celionati, darf kaum gesagt werden. Hinter dem fürstlichen Paar, das heißt, hinter dem Prinzen Cornelio Chiapperi und der Prinzessin Brambilla, stand ein kleiner Mann in einem sehr bunten Talar und hielt ein saubres Elfenbeinkästchen in den Händen, dessen Deckel offenstand und in dem nichts weiter befindlich, als eine kleine funkelnde Nähnadel, die er mit sehr heiterm Lächeln unverwandt anblickte.

      Der Zauberer Ruffiamonte und der Fürst Bastianello di Pistoja ließen endlich ab von der Umarmung und drückten sich nur noch was weniges die Hände. Dann aber rief der Fürst mit starker Stimme den Straußen zu: „Heda, ihr guten Leute! bringt doch einmal das große Buch herbei, damit mein Freund hier, der ehrliche Ruffiamonte, fein ablese, was noch zu lesen übrig!“ Die Strauße hüpften mit den Flügeln schlagend von dannen, und brachten das große Buch, das sie einem knienden Mohren auf den Rücken legten und dann aufschlugen.

      Der Magus, der unerachtet seines langen weißen Barts, ungemein hübsch und jugendlich aussah, trat hinan, räusperte sich und las folgende Verse:

      „Italien! – Land, des heitrer Sonnenhimmel

       Der Erde Lust in reicher Blut entzündet!

       O schönes Rom, wo lustiges Getümmel,

      Zur Maskenzeit, den Ernst vom Ernst entbindet!

       Es gaukeln froh der Fantasei Gestalten

       Auf bunter Bühne klein zum Ei gerundet;

      Das ist die Welt, anmutgen Spukes Walten.

       Der Genius mag aus dem Ich gebären

       Das Nicht-Ich, mag die eigne Brust zerspalten,

      Den Schmerz des Seins in hohe Lust verkehren.

       Das Land, die Stadt, die Welt, das Ich – gefunden

       Ist alles nun. In reiner Himmelsklarheit

      Erkennt das Paar sich selbst, nur treu verbunden

       Aufstrahlet ihm des Lebens tiefe Wahrheit.

       Nicht mehr mit bleicher Unlust mattem Tadel

      Betört den Sinn die überweise Narrheit;

       Erschlossen hat das Reich die Wundernadel

       Des Meisters. Tolles zauberisches Necken,

      Dem Genius gibt’s hohen Herrscheradel,

       Und darf zum Leben aus dem Traum ihn wecken.

       Horch! schon beginnt der Töne süßes Wogen,

      Verstummt ist alles, ihnen zuzulauschen;

       Schimmernd Azur erglänzt am Himmelsbogen

       Und ferne Quellen, Wälder, flüstern, rauschen.

      Geh auf, du Zauberland voll tausend Wonnen,

       Geh auf der Sehnsucht, Sehnsucht auszutauschen,

       Wenn sie sich selbst erschaut im Liebesbronnen!

      Das Wasser schwillt – Fort! stürzt euch in die Fluten!

       Kämpft an mit Macht! Bald ist der Strand gewonnen,

       Und hoch Entzücken strahlt in Feuergluten!“

      Der Magus klappte das Buch zu; aber in dem Augenblick stieg ein feuriger Dunst aus dem silbernen Trichter, den er auf dem Kopfe trug und erfüllte den Saal mehr und mehr. Und unter harmonischem Glockengetön, Harfen-und Posaunenklang, begann sich alles zu regen und wogte durcheinander. Die Kuppel stieg auf und wurde zum heitern Himmelsbogen, die Säulen wurden zu hohen Palmbäumen, der Goldstoff fiel nieder und wurde zum bunten gleißenden Blumengrund und der große Kristallspiegel zerfloß in einen hellen herrlichen See. Der feurige Dunst, der aus dem Trichter des Magus gestiegen, hatte sich nun auch ganz verzogen und kühle balsamische Lüfte wehten durch den unabsehbaren Zaubergarten voll der herrlichsten anmutigsten Büsche und Bäume und Blumen. Stärker tönte die Musik, es ging ein frohes Jauchzen auf, tausend Stimmen sangen:

      „Heil! hohes Heil dem schönen Urdarlande!

       Gereinigt, spiegelhell erglänzt sein Bronnen,

       Zerrissen sind des Dämons Kettenbande!“

      Plötzlich verstummte alles, Musik, Jauchzen, Gesang; in tiefem Schweigen schwangen der Magus Ruffiamonte und der Fürst Bastianello di Pistoja sich auf die beiden Strauße und schwammen nach der Lotosblume, die wie eine leuchtende Insel aus der Mitte des Sees emporragte. Sie stiegen in den Kelch dieser Lotosblume und diejenigen von den um den See versammelten Leuten, welche ein gutes Auge hatten, bemerkten ganz deutlich, daß die Zauberer aus einem Kästchen eine sehr kleine, aber auch sehr artige Porzellanpuppe hervornahmen und mitten in den Kelch der Blume schoben.

      Es begab sich, daß das Liebespaar, nämlich der Prinz Cornelio Chiapperi und die Prinzessin Brambilla, aus der Betäubung erwachten, in die sie versunken und unwillkürlich in den klaren spiegelhellen See schauten, an dessen Ufer sie sich befanden. Doch wie sie sich in dem See erblickten, da erkannten sie sich erst, schauten einander an, brachen in ein Lachen aus, das aber nach seiner wunderbaren Art nur jenem Lachen Königs Ophiochs und der Königin Liris zu vergleichen war, und fielen dann im höchsten Entzücken einander in die Arme.

      Und sowie das Paar lachte, da, o des herrlichen Wunders! stieg aus dem Kelch der Lotosblume ein göttlich Frauenbild empor und wurde höher und höher, bis das Haupt in das Himmelblau ragte, während man gewahrte, wie die Füße in der tiefsten Tiefe des Sees festwurzelten. In der funkelnden Krone auf ihrem Haupte saßen der Magus und der Fürst, schauten hinab auf das Volk, das ganz ausgelassen, ganz trunken vor Entzücken jauchzte und schrie: „Es lebe unsere hohe Königin Mystilis!“ während die Musik des Zaubergartens in vollen Akkorden ertönte.

      Und wiederum sangen tausend Stimmen:

      „Ja aus der Tiefe steigen selge Wonnen

       Und fliegen leuchtend in die Himmelsräume.

       Erschaut die Königin die uns gewonnen!

      Das Götterhaupt umschweben süße Träume,

       Dem Fußtritt öffnen sich die reichen Schachten. –

       Das wahre Sein im schönsten Lebenskeime

       Verstanden die, die sich erkannten – lachten!“ –

      Mitternacht war vorüber, das Volk strömte aus den Theatern. Da schlug die alte Beatrice das Fenster zu, aus dem sie hinausgeschaut, und sprach: „Es ist nun Zeit, daß ich alles bereite; denn bald kommt die Herrschaft, und bringt wohl noch gar den guten Signor Bescapi mit.“ So wie damals, als Giglio ihr den mit Leckerbissen gefüllten Korb hinauftragen mußte, hatte die Alte heute alles eingekauft

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