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die Strahlen der Abendsonne durchleuchteten, wo ich sie erblickte. Sie saß in einem niedrigen Lehnsessel, den Kopf auf die rechte Hand gestützt, so daß die dunklen Locken mutwillig sich sträubten und hervorquollen zwischen den weißen Fingern. Die Linke lag auf dem Schoße und zupfte spielend an dem seidnen Bande, das sich losgenestelt von dem schlanken Leib, den es umgürtet. Willkürlos schien der Bewegung dieser Hand das Füßchen zu folgen, dessen Spitze nur eben unter dem faltenreichen Gewande hervorguckte und leise leise auf und nieder schlug. Ich sag es Euch, so viel Anmut, so viel himmlischer Liebreiz war über ihre ganze Gestalt hingegossen, daß mir das Herz bebte vor namenlosem Entzücken. Den Ring des Gyges wünscht ich mir: sie sollte mich nicht sehen; denn von meinem Blick berührt würde sie, fürchtete ich, in die Luft verschwinden, wie ein Traumbild! – Ein süßes holdseliges Lächeln spielte um Mund und Wange, leise Seufzer drängten sich durch die rubinroten Lippen und trafen mich wie glühende Liebespfeile. Ich erschrak; denn ich glaubte, ich hätte laut ihren Namen gerufen im jähen Schmerz inbrünstiger Wonne! – Doch, sie gewahrte mich nicht, sie sah mich nicht. – Da wagt ich es ihr in die Augen zu blicken, die starr auf mich gerichtet schienen und in dem Widerschein dieses holdseligen Spiegels ging mir erst der wundervolle Zaubergarten auf, in den das Engelsbild entrückt war. Glänzende Luftschlösser öffneten ihre Tore und aus diesen strömte ein lustiges buntes Volk, das fröhlich jauchzend der Schönsten die herrlichsten reichsten Gaben darbrachte. Aber diese Gaben waren ja eben alle Hoffnungen, alle sehnsüchtigen Wünsche, die aus der innersten Tiefe des Gemüts heraus ihre Brust bewegten. Höher und heftiger schwollen, gleich Lilienwogen, die Spitzen über dem blendenden Busen und ein schimmerndes Inkarnat leuchtete auf den Wangen. Denn nun erst wurde das Geheimnis der Musik wach und sprach in Himmelslauten das Höchste aus – Ihr könnet mir glauben, daß ich nun wirklich selbst im Widerschein jenes wunderbaren Spiegels, mitten im Zaubergarten stand. –

      Das ist“, sprach die Alte, indem sie das Buch zuklappte und die Brille von der Nase nahm, „das ist alles nun sehr hübsch und artig gesagt; aber du lieber Himmel, was für ausschweifende Redensarten, um doch eigentlich weiter nichts auszudrücken, als daß es nichts Anmutigeres, und für Männer von Sinn und Verstand nichts Verführerischeres gibt, als ein schönes Mädchen, das in sich vertieft dasitzt und Luftschlösser baut. Und das paßt, wie gesagt, sehr gut auf dich, meine Giacintina und alles, was du mir da vorgeschwatzt hast vom Prinzen und seinen Kunststücken, ist weiter nichts, als der lautgewordene Traum, in den du versunken.“

      „Und“, erwiderte Giacinta, indem sie sich vom Sessel erhob und wie ein fröhliches Kind in die Händchen klatschte, „und wenn es denn wirklich so wäre, gliche ich denn nicht eben deshalb dem anmutigen Zauberbilde, von dem Ihr eben laset? –Und daß Ihr’s nur wißt, Worte des Prinzen waren es, die, als Ihr aus Giglios Buch etwas vorlesen wolltet, willkürlos über Eure Lippen flossen.“

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Wie einem jungen artigen Menschen auf dem Caffè greco abscheuliche Dinge zugemutet wurden, ein Impresario Reue empfand und ein Schauspielermodell an Trauerspielen des Abbate Chiari starb. – Chronischer Dualismus und der Doppelprinz, der in die Quere dachte. – Wie jemand eines Augenübels halber verkehrt sah, sein Land verlor und nicht spazierenging. – Zank, Streit und Trennung.

      Unmöglich wird sich der geneigte Leser darüber beschweren können, daß der Autor ihn in dieser Geschichte durch zu weite Gänge hin und her ermüde. In einem kleinen Kreise, den man mit wenigen hundert Schritten durchmißt, liegt alles hübsch beisammen: der Korso, der Palast Pistoja, der Caffè greco u.s.w., und, den geringen Sprung nach dem Lande Urdargarten abgerechnet, bleibt es immer bei jenem kleinen, leicht zu durchwandelnden Kreise. So bedarf es jetzt nur weniger Schritte und der geneigte Leser befindet sich wieder in dem Caffè greco, wo, es sind erst vier Kapitel her, der Marktschreier Celionati deutschen Jünglingen die wunderliche und wunderbare Geschichte von dem Könige Ophioch und der Königin Liris erzählte.

      Also! – In dem Caffè greco saß ganz einsam ein junger hübscher, artig gekleideter Mensch, und schien in tiefe Gedanken versunken; so daß er erst, nachdem zwei Männer, die unterdessen hineingetreten und sich ihm genaht, zwei-, dreimal hintereinander gerufen hatten „Signor – Signor – mein bester Signor!“ wie aus dem Traum erwachte und mit höflich vornehmem Anstande fragte, was den Herren zu Diensten stehe! –

      Der Abbate Chiari – es ist nämlich zu sagen, daß die beiden Männer niemand anders waren, als eben der Abbate Chiari, der berühmte Dichter des noch berühmteren weißen Mohren und jener Impresario, der das Trauerspiel mit der Farce vertauscht – der Abbate Chiari begann alsbald: „Mein bester Signor Giglio, wie kommt es, daß Ihr Euch gar nicht mehr sehen lasset, daß man Euch mühsam aufsuchen muß durch ganz Rom? – Seht hier einen reuigen Sünder, den die Kraft, die Macht meines Worts bekehrt hat, der alles Unrecht, das er Euch angetan, wieder gutmachen, der Euch allen Schaden reichlich ersetzen will!“ „Ja“, nahm der Impresario das Wort, „ja, Signor Giglio, ich bekenne frei meinen Unverstand, meine Verblendung. – Wie war es möglich, daß ich Euer Genie verkennen, daß ich nur einen Augenblick daran zweifeln konnte, in Euch allein meine ganze Stütze zu finden! – Kehrt zurück zu mir, empfangt auf meinem Theater aufs neue die Bewunderung, den lauten stürmischen Beifall der Welt!“

      „Ich weiß nicht“, erwiderte der junge artige Mensch, indem er beide, den Abbate und den Impresario ganz verwundert anblickte, „ich weiß nicht, meine Herrn, was ihr eigentlich von mir wollt. – Ihr redet mich mit einem fremden Namen an, ihr sprecht von mir ganz unbekannten Dingen – ihr tut, als wäre ich euch bekannt, unerachtet ich mich kaum erinnere, euch jemals in meinem Leben gesehen zu haben! –“

      „Recht“, sprach der Impresario, dem die hellen Tränen in die Augen kamen, „recht tust du, Giglio, mich so schnöde zu behandeln, so zu tun, als ob du mich gar nicht kenntest; denn ein Esel war ich, als ich dich fortjagte von den Brettern. Doch – Giglio! sei nicht unversöhnlich, mein Junge! – Her die Hand!“

      „Denkt“, fiel der Abbate dem Impresario in die Rede, „denkt, guter Signor Giglio, an mich, an den weißen Mohren, und daß Ihr denn doch auf andere Weise nicht mehr Ruhm und Ehre einernten könnet, als auf der Bühne dieses wackern Mannes, der den Arlecchino samt seinem ganzen saubern Anhang zum Teufel gejagt, und aufs neue das Glück errungen hat, Trauerspiele von mir zu erhalten und aufzuführen.“

      „Signor Giglio“, sprach der Impresario weiter, „Ihr sollt selbst Euern Gehalt bestimmen; ja Ihr sollt selbst nach freier Willkür Euern Anzug zum weißen Mohren wählen und es soll dabei mir auf ein paar Ellen unechter Tressen, auf ein Päckchen Flittern mehr durchaus nicht ankommen.“

      „Und ich sage euch“, rief der junge Mensch, „daß alles, was ihr da vorbringt, mir unauflösbares Rätsel ist und bleibt.“

      „Ha“, schrie nun der Impresario voller Wut, „ha ich verstehe Euch, Signor Giglio Fava, ich verstehe Euch ganz, ich verstehe Euch ganz; ich weiß nun alles. – Der verfluchte Satan von – nun, ich mag seinen Namen nicht nennen, damit nicht Gift auf meine Lippen komme – der hat Euch gefangen in seinen Netzen, der hält Euch fest in seinen Klauen. – Ihr seid engagiert – Ihr seid engagiert. Aber ha ha ha – zu spät werdet Ihr es bereuen, wenn Ihr bei dem Schuft, bei dem erbärmlichen Schneidermeister, den ein toller Wahnsinn lächerliches Dünkels treibt, wenn Ihr bei dem –“

      „Ich bitte Euch“, unterbrach der junge Mensch den zornigen Impresario, „ich bitte Euch, bester Signor! geratet nicht in Hitze, bleibet fein gelassen! Ich errate jetzt das ganze Mißverständnis. Nicht wahr, Ihr haltet mich für einen Schauspieler, namens Giglio Fava, der, wie ich vernommen, ehemals in Rom als ein vortrefflicher Schauspieler geglänzt haben soll, unerachtet er im Grunde niemals was getaugt hat?“

      Beide, der Abbate und der Impresario, starrten den jungen Menschen an, als erblickten sie ein Gespenst.

      „Wahrscheinlich“, fuhr der junge Mensch fort, „wahrscheinlich waret ihr, meine Herrn, von Rom abwesend und kehrtet erst in diesem Augenblick zurück; denn sonst würd es mich wundernehmen, daß ihr das nicht

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