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konnte eine solche Summe weder geben, noch sie sich überhaupt vorstellen und sagte:

      »Gott sei mit euch, vernichtet alles, wie ihr wollt, aber wir haben das Geld nicht.«

      Aber der Herr schrie ihn wütend an: »Ach du bärtiger Ziegenbock, wie wagst du es, mit uns von Geld zu sprechen?«

      Er wurde plötzlich ganz wild, ließ alles, was er an heiligen Darstellungen in der Stube fand, auf die Stange spießen, schraubte dann Muttern an beide Enden und versiegelte diese, so daß niemand die Bilder herunternehmen oder vertauschen konnte. Sie hatten bereits alle Ikonen gesammelt und schickten sich an, fortzugehen. Die Soldaten nahmen die Stange mit den Bildern auf die Schultern und trugen sie zu den Booten. Michailiza hatte sich indes mit dem übrigen Volk unbemerkt in die Stube gedrängt, heimlich das Engelsbild vom Chorpult heruntergestohlen und trug es unter der Schürze in die Kammer. Ihre Hände zitterten dabei aber so, daß sie es fallen ließ. Ihr Heiligen, wie da der Herr in Wut geriet, uns Diebe und Betrüger nannte und schrie:

      »Aha, ihr Betrüger, ihr wolltet das Bild stehlen, damit es nicht auf die Stange kommt? Nun, da soll es auch nicht hinkommen, aber so werde ich es machen!« — Mit diesen Worten zündete er die Siegellackstange an und drückte das brennende Harz mitten auf das Gesicht des Engels!

      Meine besten Herren, seien Sie nicht böse, wenn ich nicht versuche, Ihnen zu beschreiben, was in uns vorging, als der Herr das kochende Harz auf das Antlitz des Engels goß und als dann der grausame Mensch das Bild auch noch emporhob, um sich damit zu rühmen, wie gut er es verstanden hatte, uns zu kränken. Ich entsinne mich nur noch, daß das helle heilige Antlitz rot und versiegelt war, daß das brennende Harz unter dem Petschaft in zwei Strömen, wie Blut mit Tränen gemischt, herabfloß.

      Wir stöhnten alle auf, bedeckten unsre Augen mit den Händen und stöhnten, als lägen wir auf der Folter. Dann verloren wir uns in Weheklagen, so daß uns die einbrechende Nacht noch immer weinend und jammernd um unseren versiegelten Engel antraf. Da kam uns in dem Dunkel und der Ruhe, die über dem zerstörten Heiligtum lag, der Gedanke, ausfindig zu machen, wohin man unseren Beschützer gebracht hatte, und wir gelobten, ihn selbst unter Lebensgefahr zu rauben und zu entsiegeln. Zur Ausführung dieses Entschlusses wählte man mich und den jungen Lewontij. Er zählte kaum siebzehn Jahre, war fast noch ein Knabe, aber kräftigen Wuchses und guten Herzens, von Kind auf gottesfürchtig, gehorsam und gutartig, wie ein weißes Roß mit Silberzaum.

      Für das gefährliche Unternehmen, den versiegelten Engel, dessen erblindetes Antlitz wir nicht ertragen konnten, aufzufinden und zu rauben, konnte ich mir einen besseren Gefährten und Helfer gar nicht wünschen.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Ich will Sie nicht mit Einzelheiten aufhalten, wie ich und mein Gefährte durch alle Nadelöhre schlüpften und überall hinkamen; ich will Ihnen gleich von der Trauer berichten, die uns ergriff, als wir erfuhren, daß man unsere von den Beamten durchbohrten Ikonen, so wie sie auf die Stange aufgespießt waren, in den Keller des Konsistoriums geworfen hatte. Damit war die Sache für uns verloren und wie im Sarge begraben; es war vergeblich, noch weiter an sie zu denken. Erfreulich dagegen war, daß man sich erzählte, der Erzbischof selbst habe diese barbarische Handlungsweise nicht gebilligt, sondern im Gegenteil gesagt: »Wozu das?« Er sei sogar für das alte Kunstwerk eingetreten und habe erklärt: »Es ist ein altes Stück, das man schützen muß«. Schlimm dagegen war, daß, als das durch die Schändung entstandene Unheil noch nicht überwunden war, uns ein neues, größeres durch diesen neuen Verehrer traf: Derselbe Erzbischof nahm, was man hinzufügen muß, nicht in schlimmer, sondern in guter Absicht unseren versiegelten Engel in die Hand und betrachtete ihn lange, dann legte er ihn zur Seite und sagte: »Das verstörte Antlitz! Wie schrecklich hat man es zugerichtet! Man tue dieses Bild nicht in den Keller, sondern stelle es in meine Kapelle aufs Fenster neben den Opfertisch.« Die Diener des Erzbischofes führten den Befehl aus, und wenn uns einerseits, wie ich gestehen muß, diese Aufmerksamkeit des Hierarchen sehr angenehm berührte, so sahen wir andererseits doch ein, daß dadurch jede Aussicht, unseren Engel rauben zu können, vereitelt war. Es blieb nur ein Mittel übrig: die Diener des Erzbischofs zu bestechen und mit ihrer Hilfe das Bild mit einem kunstvoll ähnlich gemalten zu vertauschen. Das hatten unsere Altgläubigen schon oft mit Erfolg gemacht, aber dazu wäre vor allen Dingen ein kunstfertiger Heiligenbildmaler mit einer erprobten Hand nötig gewesen, der es verstanden hätte, heimlich ein genaues Abbild herzustellen. Einen solchen Maler gab es jedoch in dieser Gegend nicht. Zudem befiel uns seit dieser Zeit doppelte Trauer, die wie Wassersnot über uns kam. In der Stube, in der man früher nur Lobsingen hörte, vernahm man nichts als Schluchzen, und in kurzer Zeit hatten wir uns so krank geweint, daß wir mit unseren tränenerfüllten Augen den Boden nicht mehr sehen konnten, und dadurch, oder aus einem anderen Grunde entstand dann bei uns eine Augenkrankheit, die mit der Zeit alle ergriff. Was es bisher nicht gegeben hatte, geschah jetzt: wir hatten Kranke ohne Zahl. Das ganze Arbeitervolk fand dafür die Deutung, daß es nicht ohne Grund geschehe, sondern wegen des Engels der Altgläubigen. »Man hat ihn,« sagten sie, »durch das Siegel geblendet, und jetzt müssen wir alle erblinden.« Diese Auslegung fand nicht nur bei uns allein Glauben, sondern auch alle kirchlich Gesinnten waren aufgebracht.

      Obwohl unsere Brotgeber, die Engländer, Ärzte kommen ließen, ging niemand zu ihnen hin, und auch ihre Arzneien wollte niemand nehmen, sondern wir alle flehten nur um das eine:

      »Bring uns den versiegelten Engel. Wir wollen vor ihm einen Bittgottesdienst halten, er allein kann uns helfen!«

      Unser Engländer Jakow Jakowlewitsch nahm sich der Sache an, fuhr selbst zum Erzbischof und sagte ihm:

      »So steht es, Eminenz: der Glaube ist eine große Sache, und einem jeden wird alles nach seinem Glauben gegeben; geben Sie uns doch den Engel aufs andere Ufer!«

      Der Erzbischof aber wollte davon nichts wissen und sagte:

      »Dem darf kein Vorschub geleistet werden.«

      Damals erschien uns dieses Wort grausam, und wir verurteilten den Erzbischof leichtfertig, später aber wurde uns offenbar, daß dies alles nicht aus Hartherzigkeit, sondern durch Gottes Vorsehung geschah.

      Indessen nahmen die Zeichen kein Ende, und der strafende Finger traf auch den Hauptschuldigen in dieser Sache, Pimen, selbst, der nach diesem Unheil von uns geflohen war, auf dem anderen Ufer lebte und der Staatskirche beitrat. Ich begegnete ihm einmal dort in der Stadt, er begrüßte mich, und ich grüßte ihn wieder. Dann sagte er mir:

      »Ich habe gesündigt, Bruder Mark, daß ich mich von eurem Glauben abgeschieden habe.«

      Ich antwortete ihm:

      »Was einer glaubt, das ist Gottes Sache, aber daß du den Armen um ein Paar Stiefel verkauft hast, das war nicht gut gehandelt; verzeih mir, daß ich dir, wie es der Prophet Amos befiehlt, brüderliche Vorwürfe mache.«

      Bei der Nennung des Propheten überlief ihn ein Schauder.

      »Sprich mir nicht von den Propheten,« sagte er, »ich kenne die Schrift selbst und fühle, wie die Propheten die auf der Erde Lebenden strafen. Ich selbst habe dafür ein Zeichen.« Und er klagte mir, daß er, als er neulich im Flusse gebadet hatte, am ganzen Körper fleckig geworden sei; er machte seine Brust frei und zeigte mir auf ihr Flecken, wie bei einem gescheckten Pferde, die sich von der Brust bis hinauf zum Halse zogen.

      Ich sündiger Mensch hatte schon im Sinne, ihm zu sagen, daß »Gott den Schelm zeichne«, aber ich unterdrückte diese Worte und sagte:

      »Nun, was hat das zu bedeuten? Bete nur und sei froh, daß du auf dieser Welt gezeichnet bist, vielleicht wirst du dann in der kommenden rein dastehen.«

      Aber er klagte mir, wie unglücklich er darüber sei und was er einbüße, wenn die Flecken auch das Gesicht ergreifen würden. Der Gouverneur selbst habe, als er ihn, Pimen, bei seinem Übertritt in die Kirche sah, große Freude an seiner Schönheit gehabt und dem Stadthauptmann gesagt, er solle Pimen beim Empfang vornehmer Personen unbedingt ganz vorne

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