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steh schnell auf! Unsere Tür ist offen, und irgendein Jungtier ist zu uns in die Hütte gesprungen.« Aber zum Unheil schläft Luka Kirillow wie ein Toter. Und wie ihn auch Michailiza zu wecken versucht, es will ihr auf keine Weise gelingen. Luka brummt nur und sagt kein Wort. Michailiza schüttelt ihn stärker, aber er brummt nur noch lauter. Sie beginnt ihn zu bitten: »Gedenk des Namen Jesu!« Aber kaum hat sie das Wort ausgesprochen, als in der Stube etwas winselt, und in dem Augenblick springt Luka vom Bett auf, stürzt nach vorne und prallt plötzlich mitten in der Stube wie vor einer ehernen Wand zurück. »Mach Licht, Weib, mach schneller Licht!« ruft er Michailiza zu, er selbst aber rührt sich nicht von der Stelle. Sie zündet eine Kerze an und läuft herzu, aber er ist bleich wie ein zum Tode Verurteilter und bebt, daß das Kreuz an seinem Hals, ja selbst die Fußlappen an seinen Füßen zittern. Die Frau spricht wieder zu ihm: »Ernährer, was hast du?« sagt sie. Er aber zeigt mit dem Finger, daß dort, wo der Engel war, eine leere Stelle ist und daß der Engel selbst vor Lukas Fuße auf dem Boden liegt.

      Luka Kirillow geht jetzt unverzüglich zum alten Maroi und sagt ihm, wie alles gewesen sei, was seine Frau gesehen habe und was bei uns geschehen war: »Komm und schau!« Maroi kommt, kniet vor dem auf der Erde liegenden Engel nieder und bleibt vor ihm lange unbeweglich, wie ein marmornes Grabbild liegen, dann hebt er aber die Hand, streicht sich über die Tonsur auf dem Scheitel und sagt leise:

      »Bringt zwölf reine, neugebrannte Ziegelplatten her!«

      Luka Kirillow bringt sie sogleich, Maroi schaut sie an und sieht, daß sie alle rein sind und gerade aus dem Brennofen kommen, und er befiehlt Luka, eine auf die andere zu legen und so eine Art Säule aufzuführen, diese mit einem reinen Handtuch zu bedecken und darauf das Heiligenbild zu legen. Dann verneigt sich Maroi bis zur Erde, und ruft:

      »Engel Gottes, streu deine Spuren aus, wohin du willst!«

      Er hat diese Worte kaum ausgesprochen, als an der Türe geklopft wird und eine unbekannte Stimme ruft:

      »He, ihr Altgläubigen, wer ist euer Ältester?«

      Luka Kirillow öffnet die Tür und sieht einen Soldaten mit einer Medaille vor sich stehen.

      Luka fragt, was für einen Ältesten er wolle. Und der antwortet:

      »Den, der oft zur Gnädigen kam und den sie Pimen nennen.«

      Luka schickt seine Frau gleich zu Pimen und fragt weiter, worum es sich handle und wer ihn in der Nacht nach Pimen gesandt habe.

      Der Soldat sagt:

      »Etwas Gewisses weiß ich nicht, aber ich habe so etwas gehört, als ob die Juden dort eine schlimme Geschichte mit unserem Herrn angestellt hätten!«

      Aber was es eigentlich sei, kann er nicht erzählen.

      »Ich habe gehört,« sagt er, »daß der Herr erst sie versiegelt hätte und dann sie ihn.«

      Aber darüber, wie sie einander versiegelt haben, weiß er nichts verständliches zu erzählen.

      Währenddes war Pimen gekommen; er schielt selbst wie ein Jude, bald dorthin, bald dahin, und weiß sichtlich selbst nicht, was er sagen soll. Und Luka spricht ihn an:

      »Was hast du da gemacht, Spielmann? Geh jetzt und spiel dein Stück nur zu Ende!«

      Der setzt sich mit dem Soldaten ins Boot, und sie fahren ab.

      Nach einer Stunde kommt unser Pimen zurück, stellt sich munter, aber man sieht, daß es ihm durchaus nicht so zumute ist.

      Luka fragt ihn:

      »Sprich,« sagt er, »du Windbeutel, und sag ganz aufrichtig, was du dort getan hast.«

      Aber jener erwidert: »Nichts«.

      Nun, bei dem Nichts blieb es, obwohl es durchaus kein Nichts gewesen war.

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Mit dem Herrn, für den unser Pimen gebetet hatte, war eine erstaunliche Geschichte geschehen. Er war, wie ich Ihnen berichtet habe, in die jüdische Stadt gefahren, war dort spät in der Nacht angekommen, als niemand an ihn dachte, hatte sofort alle Läden unter Siegel genommen und die Polizei verständigt, daß er am nächsten Morgen mit der Revision beginnen werde. Die Juden erfuhren es natürlich sofort und gingen gleich, noch in der Nacht, zu ihm, um ihn um ein Übereinkommen zu bitten, da sie große Vorräte von gesetzwidrigen Waren auf Lager hatten. Sie kamen zu ihm und steckten ihm auf einmal zehntausend Rubel zu. Er sagte: Ich kann nicht, ich bin ein hoher Beamter, genieße Vertrauen und nehme keine Bestechungsgelder. Die Juden schnattern untereinander: »Fünfzehntausend«. Er wieder: »Ich kann nicht.« Sie »Zwanzig«. Er darauf: »Versteht ihr denn nicht, daß ich nicht kann: ich habe schon die Polizei verständigt, daß ich morgen mit ihr zusammen revidieren werde«. Sie schnattern wieder und sagen dann:

      »Ach, Eure Durchlaucht, das macht nichts, daß Sie die Polizei verständigt haben, wir geben Ihnen fünfundzwanzigtausend, und Sie geben uns dafür bloß bis zum Morgen Ihr Petschaft und legen sich ruhig schlafen: wir brauchen nichts mehr.«

      Der Herr überlegt hin und her: Wenn er sich auch für eine hohe Person hält, so scheint auch bei den hohen Personen das Herz nicht von Stein zu sein; er nahm die fünfundzwanzigtausend, gab ihnen das Petschaft, mit dem er siegelte, und legte sich schlafen. Die Juden holten, versteht sich, in der Nacht alles Notwendige aus ihren Lagern heraus und versiegelten sie wieder mit demselben Petschaft. Der Herr schlief noch, als sie am Morgen schon wieder in seinem Vorzimmer lärmten. Er geht zu ihnen hinaus; sie danken ihm und sagen:

      »Nun, Euer Hochwohlgeboren, nun halten Sie bitte Revision.«

      Er scheint es aber zu überhören und sagt:

      »Gebt mir schnell mein Siegel.«

      Aber die Juden sagen:

      »Ja, geben Sie uns unser Geld.«

      Der Herr: »Was? Wie?« Aber sie bleiben dabei:

      »Wir haben,« sagen sie, »das Geld Ihnen als Pfand zurückgelassen.«

      Er wieder:

      »Was, als Pfand?«

      »Freilich,« sagen sie, »als Pfand.«

      »Ihr lügt,« sagt er, »ihr Halunken, ihr Christusverkäufer, ihr habt mir das Geld ganz gegeben.«

      Sie stoßen einander an und lachen.

      »Hörst du,« sagen sie, »hörst, wir haben ihm das Geld ganz gegeben ... Hm, hm, ai, ai, wie könnten wir so dumm sein und so unpolitisch, einer so hohen Persönlichkeit Chabar geben.« (So nennen sie Bestechungsgelder.)

      Nun, können Sie sich etwas Schöneres vorstellen als diese Geschichte? Der Herr, versteht sich, hätte nun das Geld zurückgeben sollen, und die Sache wäre zu Ende gewesen, aber er war eigensinnig und wollte sich davon nicht trennen. So verging der Morgen. Der ganze Handel in der Stadt ist gesperrt. Die Leute kommen und wundern sich. Die Polizei fordert das Siegel, und die Juden schreien: »Ai wai, was ist das für eine staatliche Regierung! Die hohe Obrigkeit will uns ruinieren.« Ein schreckliches Durcheinander. Der Herr sitzt eingeschlossen zu Hause und hat bis Mittag schier den Verstand verloren. Am Abend ruft er dann die listigen Juden zu sich und sagt: »Hier, ihr Verfluchten, nehmt euer Geld und gebt mir nur mein Petschaft wieder!« Aber sie wollen nicht und sagen: »Ja, wenn das so ginge! Wir haben den ganzen Tag nicht gehandelt: jetzt müssen Euer Wohlgeboren uns fünfzehntausend dazu geben!« Sehen Sie, so kam es! Und die Juden drohen: »Wenn Sie uns jetzt nicht die fünfzehntausend geben, kostet die Sache morgen fünfundzwanzigtausend Rubel mehr.« Der Herr schlief die ganze Nacht nicht, am Morgen schickte er wieder zu den Juden, gab ihnen das ganze Geld, das er von ihnen erhalten hatte, zurück und unterschrieb einen Wechsel auf fünfundzwanzigtausend; dann begann er so eine Art Revision. Natürlich fand er nichts, fuhr so schnell wie möglich nach Haus und tobte vor seiner Frau, woher er die fünfundzwanzigtausend Rubel nehmen solle, um den

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