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Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi. Jógvan Isaksen
Читать онлайн.Название Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi
Год выпуска 0
isbn 9788726351989
Автор произведения Jógvan Isaksen
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er hielt inne. Und jetzt wurden seine blauen Augen kalt und hart wie Gewehrmündungen. “Warst du es, der uns angerufen hat?” Ich hob eine Hand, um ihn zu bremsen, bevor er noch verbissener wurde. “Ja, das war ich, und ich werde dir das Ganze erklären.” “Da kannst du sicher sein, daß du das wirst.” Mein Bekannter sah nicht aus, als hätte ihn mein Geständnis sehr viel milder gestimmt.
Der Kaffee in öffentlichen Institutionen und Büros ist meiner Erfahrung nach nur selten trinkbar. Er ist viel zu stark und viel zu bitter und in der Regel nur lauwarm. So auch der Kaffee auf dem Polizeirevier, wo ich zwei Stunden lang saß, um meinen Bericht zu wiederholen. Dafür wechselten Karl und der Leiter der Kriminalpolizei, ein Mann von Suðuroy in den 50ern, sich damit ab, mich auszuschelten. Und sie nahmen dabei kein Blatt vor den Mund. Dieses Mal sollte ich noch davonkommen und das nur, weil sie so nett waren, aber beim nächsten Mal würden sie mich einlochen.
“Ja, ja, ich habe kapiert”, seufzte ich müde und erschöpft, fast gelähmt von den Kopfschmerzen. “Ihr habt meine Entschuldigung bekommen, und ich werde es nie wiedertun. Liebe Mama”, fügte ich leise hinzu.
“Verdammt noch mal, Hannis, jetzt nimm dich aber in Acht”, sagte der Vorgesetzte wütend. “Wir wollen keinen Ärger mehr mit dir haben. Wenn du anderer Meinung bist, mußt du umdenken.” Er ging hinter dem Schreibtisch hin und her, während Karl auf der anderen Seite saß und mit den Beinen baumelte. Er schaute auf seine Schuhe herab, aber mir schien, als sähe ich ein Lächeln in seinen Mundwinkeln.
“Ich finde es nur merkwürdig, daß ihr Sonjas und Hugos Tod nicht weiter untersucht. Sie ist vom Støðlafjall gestürzt, und einen Monat später fällt er die Kellertreppe hinunter und bricht sich den Hals. Beides Zufälle?”
“Ich kann nichts Merkwürdiges daran entdecken”, unterbrach Karl mich. “Es ist mehr als wahrscheinlich. Sonja hatte zuviel gebechert und ist hinuntergestürzt. Daß der Körper zu weit gefallen ist, bevor er aufprallte, kann an allem Möglichen liegen. An einem Aufwind zum Beispiel. Und an der Tatsache, daß Hugo die Kellertreppe hinunterpurzelt und so unglücklich fällt, daß er sich den Hals bricht, daran ist auch nichts Außergewöhnliches. Er hat gern das eine oder andere Glas gekippt, und in den letzten Jahren war er selten nüchtern. An jedem einzelnen Todesfall für sich ist nichts Außergewöhnliches dran. Und selbst wenn man die beiden miteinander verbindet, kann ich keinen Zusammenhang entdecken. Nichts plus Nichts ergibt ... Nichts.”
Er hatte sich warm geredet bei dem Versuch, mich davon zu überzeugen, daß alles ganz normal vor sich gegangen war. “Und es gibt keinen Grund, daß du herumläufst und dir alles Mögliche vormachst und die Dinge verdrehst.”
“Dann war die Person, die mich oben in Hugos Zimmer zusammengeschlagen hat, vielleicht auch eine Einbildung? Und das Versteck? Und was ist mit gestern abend?”
Der ältere Kriminalbeamte sah mich müde an. Er wollte nicht mehr. “Unserer Einschätzung nach war es ein Einbruch. Es spricht sich schnell rum, wenn jemand tot ist, und es gibt eine ganze Menge Halunken in dieser Stadt, die auf eine solche Idee kommen könnten. Du bist da hereingestürmt und dann niedergeschlagen worden. Was das Versteck und gestern abend angeht, so wissen wir nur das, was du uns erzählt hast.” Man konnte ihm ansehen, daß sein Vertrauen diesbezüglich nicht besonders groß war.
Mir blieb nichts anderes übrig, als zu gehen.
Karl brachte mich zur Haustür. “Du mußt unsere Situation verstehen. Wir haben nichts Außergewöhnliches entdeckt, und du willst, daß wir nach Mördern suchen. Wo sollen wir suchen? In welcher Richtung? Es gibt nichts, wonach wir suchen könnten. Laß Sonja und Hugo in Frieden ruhen.”
Im gleichen Augenblick, als ich Karl etwas erwidern wollte, kam eine dunkelhaarige Frau vorbei. Auf unserer Höhe blinzelte sie mir schnell zu und zwinkerte mit einem Auge. Ich blieb stehen, drehte mich um und schaute hinter ihr her, während sie den Flur entlang ging. Es war das Mädchen mit dem Keuschheitsgürtel. “Guckst du den Mädchen hinterher? Ja, ja, wenn ich nicht verheiratet wäre und keine Kinder hätte...” Karl klang sehnsuchtsvoll und ironisch zugleich.
13
Ich stand auf der Jonas Broncksgøta, arg zugerichtet, und es wäre eine Lüge, zu behaupten, es ginge mir gut. Das Schlimmste hatte ich auf dem Polizeirevier abgespült und zwei Kodymagnyl bekommen. Den Kopfschmerzen war die Spitze genommen worden, aber im Nacken und in der Wange tat es immer noch weh. Sie sorgten dafür, daß ich nicht vergaß, daß ich zweimal an einem Tag niedergeschlagen worden war. Und keiner hatte mir erzählt, warum.
Ein Taxi kam die Straße hinuntergesaust, ich hielt es an und ließ mich zum Bladet fahren.
Der Fahrer war in Plauderlaune. “Du warst wohl bei der Polizei?” Er sah mich im Rückspiegel an. “Das ist aber eine ordentliche Schramme, die du da an der Wange hast, was?”
Hinter dem fragenden Tonfall war der Wunsch zu erkennen, die ganze Geschichte zu erfahren, damit er sie anderen Kunden weitererzählen konnte. Ich hatte in den letzten zwei Stunden auf so viele Fragen geantwortet, daß mir die Neugier des Fahrers jetzt zu viel wurde. “Ja, ja”, sagte ich wie in Gedanken versunken und schaute aus dem Fenster hinaus.
Der Fahrer, der nach seinem Alter zu urteilen eine langjährige Erfahrung haben mußte, war nicht der Typ, der daraufhin den Mund hielt. Er wechselte nur das Thema und plapperte jetzt davon, daß es nachmittags wärmer geworden war, und den ganzen Weg zum Bladet hinaus wechselte er von einem Thema zum anderen. Ein “Hmm” von meiner Seite ab und zu reichte. Man konnte nicht behaupten, daß er von der Person, mit der er sprach, viel verlangte.
Beim Bladet ging ich in Sonjas Büro, ohne daß ich angesprochen wurde, und direkt ins siebte dir auf ihrem Computer. Wie der Name sagte, handelte es sich um Artikel über den Krieg, in chronologischer Reihenfolge: Der Angriff auf Polen, Dünkirchen, die Besetzung Dänemarks und Norwegens, der Blitz über London, usw. Es waren zwanzig, anscheinend ganz gewöhnliche Zeitungsartikel. Ich “blätterte” ein Stück hin und her, las hier und dort ein wenig, fand aber nichts Besonderes. Es gab nichts, was eine Glocke zum Läuten brachte. Andererseits wußte ich gar nicht, wonach ich suchte, oder ob ich an der richtigen Stelle suchte. Aber ich hatte das Gefühl, es hatte etwas mit dem 2. Weltkrieg zu tun. Die Mappe bei Hugo zu Hause, Sonjas Artikelserie.
Wie es wohl mit Bildern aussah? Die konnte man nicht auf dem Computer sehen, aber das Bladet hatte sicher einige Exemplare jeder Zeitung archiviert. Ich ging ins Vorzimmer und fragte. Ja, ich sollte einfach ins Archiv gehen, die letzte Tür rechts.
Das Archiv war ungefähr zehn Quadratmeter groß und fast vollständig mit Zeitungen angefüllt, auf Regalen und auf dem Boden. Ich warf einen Blick auf einige Bündel und sah, daß die Zeitungen in einer gewissen Reihenfolge lagen. Der Computer hatte die Artikel datiert, also brauchte ich nicht lange, um die richtigen Zeitungen herauszufinden.
Nachdem ich über eine Stunde gelesen und geraucht hatte, stieß ich auf einen Artikel über Kämpfe in Italien, in dem viel über die Lovat Scouts stand, die auf den Färöern waren, bevor sie auf die Schlachtfelder geschickt wurden. Es gab auch einige Fotos: das zerstörte Monte Cassino, die Truppenlandung in Salerno, Bilder von Alexander, Patton, Montgomery, Mussolini, mit dem Kopf nach unten hängend, und dann von der deutschen Heeresleitung: Kesselring, von Vietinghoff, von Mackensen, Herr, Heidrich, Baade, von Senger und Etterling, Kappler. Die Namen des ersten und des letzten waren rot unterstrichen. “Kesselring und Kappler” dachte ich. Aus dem Artikel war ersichtlich, daß Kesselring der deutsche Oberkommandierende in Italien war, und daß er ein größeres Problem darstellte, als die Alliierten erwartet hatten. Kappler wurde in dem Artikel nicht erwähnt, aber auf dem unscharfen Foto sah es aus, als wäre er ein SS-Mann.
Das alles sagte mir nicht besonders viel. Es war langsam