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faßte er einen Beschluß, lehnte sich an mich und flüsterte:

      “Ja, es hat was mit Sonja zu tun. Mit ihrem Tod, und deshalb war ich auch in Dänemark. Aber hier können wir darüber nicht reden. Das ist viel zu gefährlich.” Er warf einen Blick in die Runde. Dachte kurz nach.

      “Ich wohne im alten Haus meiner Eltern. Komm morgen abend um neun da vorbei.”

      Jetzt war ich neugierig geworden, auch wenn ich mir selbst zu sagen versuchte, daß es ja nur Hugo war. Hugo, der oft “Ideen ” hatte.

      “Können wir uns nicht früher treffen?”

      “Nein, ich muß vorher noch was erledigen.” Das Nüchterne verschwand wieder, und er sank in sich zusammen, schlief beinahe ein.

      Was Hugo wohl damit meinte, daß es zu gefährlich war, hier zu reden? Und was hatte er in Dänemark gemacht? Ich schaute ihn an. Er war vollkommen weg. In dieser Nacht war nichts mehr zu machen.

      Ich stand auf, um noch etwas an der Bar zu holen, bevor sie schloß. Auf dem Weg dorthin lief ich in eine dunkelhaarige Frau mit einer Prinz Eisenherz-Frisur. Ihr Gesicht war weiß und ein wenig puppenartig, mit dunkelroten Lippen und funkelnden dunklen Augen. Sie summte lächelnd vor sich hin, trug ein schwarzes Minikleid mit breitem, glänzendem Gürtel.

      “Hast du Feuer?” Sie blieb stehen.

      Ich gab ihr Feuer, und während sie inhalierte und den Rauch wieder ausblies, betrachtete ich den Gürtel. Es war auf alle Fälle der größte Gürtel, den ich je gesehen hatte. Und der merkwürdigste. Selbst die Bulldozerfahrer haben nicht so breite Gürtel. In der Mitte war eine große Metallplatte mit einem Ornament.

      “Was um alles in der Welt ist das für ein Gürtel?”

      Sie schob neckisch die Hüfte vor und sah mich herausfordernd an. “Das ist ein Keuschheitsgürtel. Eine Frau muß schließlich auf sich aufpassen.” Dann folgte ein perlendes Lachen, sie wandte sich ab und lief die Treppe hinauf, von wo der Ententanz zu hören war.

      Das Trampeln brachte die Lampen zum Schaukeln. Vielleicht ein Bild dessen, was kommen sollte?

      5

      Sonntag. Ich lag im Bett und schaute an die fleckige Decke, versuchte, Gesichter in den feuchten Stellen zu erkennen, während ich nachdachte. Sollte ich mich auf die andere Seite drehen und versuchen, nochmal einzuschlafen, oder sollte ich aufstehen und mir irgendwas zu essen organisieren?

      Der Hunger siegte. Ich ging in die Küche, aber da war natürlich nichts. Nicht ein Krümel. Also mußte ich in die Stadt, um etwas zu kaufen.

      Zunächst stellte ich mich unter die Dusche, das ist das beste bei einem Kater, rasierte mich, holte saubere Unterwäsche und ein Hemd aus dem Koffer und fand nun, ich könnte es wagen, mich unter ganz gewöhnlichen Menschen sehen zu lassen. Auf dem Küchentisch stand eine Whiskyflasche und sah mich verführerisch an, sie wollte mitkommen. Aber nein, noch nicht. Ich halte es da mit W.C. Fields: Vor acht Uhr morgens trinke ich niemals etwas Stärkeres als Gin.

      Aber es war schon lange her, daß es acht gewesen war. Das Wunschkonzert war so deutlich von den tauben Obermietern zu hören, als wären wir in einem Zimmer. Lapp-Lisa und ihre Tochter sangen “Kinderglauben” wie an allen anderen Sonntagen.

      Das Wetter war besser als gestern. Mildes Wetter. Trocken und eine leichte Brise, und auf dem Weg in die Stadt schien es mir, als könne ich Nólsoy erahnen. Aber das war vielleicht nur Wunschdenken?

      Im Hotel Hafnia, bei Selter zum Butterbrot, versuchte ich herauszukriegen, was Hugo wohl gemeint hatte, als er sagte, es wäre zu gefährlich gewesen, gestern abend im Club zu reden. Er hatte auch gesagt, daß es etwas mit Sonja zu tun hätte und daß er deshalb in Dänemark gewesen sei. Ich überlegte, was Sonja und Hugo wohl Gefährliches vorgehabt hatten - und Sonja war schließlich tot.

      Hugo war Ingenieur, von der Sorte, die man in jedem zweiten Haus auf den Färöern findet, und Sonja Journalistin. Sie sah besser aus als die meisten, ansonsten war nichts Außergewöhnliches an ihr. Die beiden waren ganz normale Menschen, die sich nicht in irgendwas einmischten, wenn es für sie nicht von Vorteil war. Was könnte das in diesem Fall sein? Politisch waren sie vollkommen passiv, diesen Weg brauchte ich also gar nicht weiter zu verfolgen.

      Mein Wissen war allzu begrenzt, also beendete ich die Gehirngymnastik und las statt dessen die Anzeigen in dem Amtsblatt vom Samstag, während ich Kaffee trank.

      6

      In den Bierclubs herrscht oftmals eine zweifelhafte Munterkeit, bei der der Alkohol, der Augenblick und der Wunsch, alles andere, was irgendwann geschehen ist, zu vergessen, eine Einheit bilden. War man selbst mittendrin, konnte das unglaublich lustig sein. Ganz fern im Hinterkopf gab es etwas Nagendes, höchstwahrscheinlich die Erziehung und die Moral, aber die wurden immer schnell beiseite geschoben. Man fühlte in diesen Augenblicken eine Erregung, ließ die Zügel schleifen, und schlug über die Stränge, während man prahlte und den Prahlereien der anderen glaubte. Mitten in allen Strapazen war man kurz davor, einen glücklichen Augenblick zu erlangen. Aber nur kurz davor. Die Augenblicke waren nicht lang, und mit den Jahren wurden sie immer seltener. Bevor man es gewahr wurde, wurde man zurückgelassen und war nicht mehr in der Lage, sich unter ganz gewöhnlichen Menschen zurechtzufinden.

      Und dennoch gab es glückliche Augenblicke. “Der Fünfer” war so einer. An jedem Freitag, und zwar ausschließlich freitags, war zwischen fünf und sechs Uhr geöffnet. Jedes Mitglied, das überhaupt die Gelegenheit hatte, beeilte sich, nach beendeter Arbeitswoche in den Ølankret zu kommen, um nicht nur das Bier zu genießen, sondern auch um für eine Stunde mit glücklichen Menschen zusammen zu sein. Die Freude über das Wochenende, das vor der Tür stand, gab diesen Augenblicken ihren fröhlichen Stempel.

      Etwas anderes war der Sonntagnachmittag. Wie meistens war es proppenvoll, und nur an diesem Tag wimmelte es außerdem noch von Kindern und Hunden. Die Väter waren eine Runde spazierengegangen und ganz zufällig im Club gelandet. Das war der Tag der Anekdoten für alle, und das Gelächter wogte üppig zwischen den mit Juteleinwand bespannten Wänden hin und her. Als ich gegen halb sechs die Bar betrat, war der beste Teil des Nachmittags schon fast vorbei. Zwei der Tische waren trotzdem besetzt, also würden die drei Stunden, bis ich Hugo treffen sollte, auf gemütliche Weise vergehen.

      Ich schaute auf die Uhr in der Bar, und als die Zeiger sich der Neun näherten, war es Zeit zu gehen. Ich leerte mein Glas, murmelte ein paar Worte zu dem, der mit am Tisch saß, und ging. Als ich auf die Treppe hinaustrat, schien es mir, als käme ich an die Oberfläche. Es war noch ganz hell, und wie Leute, die mitten am Tag aus dem Kino kommen, begann ich zu gähnen. Nur einen Augenblick knackte es in der Leitung zur Umwelt, aber das Gefühl verschwand mit der Zeit, und danach herrschte Harmonie.

      Ich eilte den Hügel hinunter zum Ende der Jóannes Paturssonargøta, ging links in die Tróndargøta und kurz darauf rechtsin die Kongagøta. Ich ging weiter, bis ich zu einer Sackgasse kam, die mein Ziel war.

      Das Haus war ein dunkelgrünes Holzhaus von der Sorte, die es viel in den älteren Teilen von Tórshavn gibt. Doch es war eines der größeren.

      Ich drückte auf den Klingelknopf, aber er war festgerostet, und das offensichtlich seit vielen Jahren. Ein Türklopfer mit einem brüllenden Löwenkopf bot seine Dienste an. Ich umfaßte den Löwen und versuchte, ihm eine Gehirnerschütterung zu verursachen.

      Das Geräusch erzeugte in der engen Straße ein Echo. Aber als dieses verhallte, war es so still wie zuvor. Keine Menschenseele war zu sehen. Höchstwahrscheinlich Nachricht oder Dallas. Hinter der Löwentür tat sich nichts. Vielleicht war Hugo nicht zu Hause? Es brannte kein Licht, aber es war ja möglich, daß er gern im Dunkeln saß.

      Ich schlug noch einmal mit dem Türklopfer.

      Nichts.

      Das Küchenfenster war zu hoch, es hatte gar keinen Zweck, zu versuchen, hineinzusehen.

      Vorletzte Nacht hatte Hugo darauf bestanden, daß wir uns um neun Uhr treffen sollten, deshalb war es wirklich merkwürdig, daß

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