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Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi. Inger Frimansson
Читать онлайн.Название Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi
Год выпуска 0
isbn 9788726445039
Автор произведения Inger Frimansson
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Doch. Sie deutete es so.
Aus Liebe.
Das Gras war strohig und braun, regelrecht zermalmt, schoss es ihr beim Anblick des Grases auf dem gewölbten Dach des Vorratskellers durch den Kopf. Am Vormittag waren sie dort hochgeklettert, hatten sich an den Grassoden hochgezogen, im Gras gestanden und die hochstrebenden Zweige heruntergezogen. Kleine schwarze Kirschen, manche ein wenig verschrumpelt, aber süß, mit einem etwas faden Beigeschmack, weil der Baum schon so alt war. Man bekam Blähungen von ihnen und musste aufstoßen.
Sie rutschte auf dem Po herunter und begutachtete ihre Shorts. Ulf stand noch oben.
»Das gibt Flecken«, hörte sie ihn sagen und obwohl seine Stimme nun eine Spur gereizt klang, wollte sie nicht hören.
Sie ging zur Scheune. Das Gras piekste unter ihren Füßen. Sie hatte dort nichts zu erledigen, wurde nur plötzlich von dem Bedürfnis getrieben, sich zu bewegen, so als könnte sie ihm einfach nicht mehr so nahe sein.
Keinem Menschen.
Die Katze, eine kleine grauweiße Löwin, kam ihr entgegen. Miauend, auffordernd. Jeden Tag kam sie zu ihnen, jeden Morgen, wenn sie auf die Eingangstreppe hinaustraten, lief sie durch das taufeuchte Gras zu ihnen. Es sah lustig aus, wenn sie heftig die Pfoten schüttelte, um die Nässe loszuwerden. Beth taufte sie Lioness, worüber Ulf sich köstlich amüsierte. Lioness, das ist doch eine gewöhnliche Hauskatze, siehst du das nicht. Sie heißt ganz anders, man hat sie bestimmt Stina oder Maja getauft, wenn überhaupt . . . auf dem Land haben sie ihre eigenen Namen und Traditionen. Kein Mensch gibt einer Katze den Namen Lioness.
Als ob er das so genau wüsste.
Es war keine streunende Katze, das sah man ihr an. Sie war bestimmt auf einem Bauernhof in der näheren Umgebung zu Hause, aber offensichtlich gefiel es ihr bei ihnen besser. Beth verstand nicht ganz, warum, denn sie ließen die Katze nie ins Haus. Jetzt schmiegte sie sich an ihr Bein und Beth fühlte das kühle, weiche Fell. Vorgestern hatte sie sich die Waden rasiert, aber die Haarstoppel sprossen schon wieder und es kratzte.
»Ich darf dich leider nicht streicheln«, flüsterte sie. »Ich wünschte, ich könnte dich streicheln, das würde ich gern, am liebsten würde ich dich auf den Arm nehmen und dir die ganzen blöden Zecken aus dem Fell zupfen. Du würdest auf meinem Schoß liegen und weich sein und dein kleiner Motor würde anspringen, und ich würde deinem Motor lauschen und so ruhig und stark werden wie du.«
Wenn sie mit Katzenhaaren in Kontakt kam, schwoll ihr Gesicht an und ihre Nase begann zu laufen.
»Lioness«, flüsterte sie. Die Katze betrachtete Beth stumm und regungslos, ihre gelben Augen waren wie Gläser mit schwarzen Furchen. Sie sahen die Katze oft mit einer Maus oder Wühlmaus aus dem Wald kommen. Die Maus war dann immer schon tot, das abstoßende Spiel mit den ausgefahrenen Krallen war ihnen bislang erspart geblieben. Sie schlich mit ihrer Beute stets hinter die Scheune. Wenn Beth Brennholz holte, hörte sie die Katze dort knirschen und schmatzen.
Eines Vormittags Anfang des Sommers hatte Lioness etwas dabeigehabt, das sie auf den Steinplatten vor der Treppe ablegte. Es bewegte sich und piepste. Dann bemerkten sie, dass ihre Körperform sich verändert hatte. Ihr Bauch war eingefallen und das Fell dünn und stumpf geworden.
In der Nacht hatte sie zwei Junge geboren.
2. KAPITEL
Das Haus hieß Waldesglück und war um 1900 erbaut worden. Es war ein typisches Landhaus mit zwei Etagen und war rot mit weißen Giebeln. Beths Großeltern mütterlicherseits hatten hier gelebt und ihre Mutter war auf dem Tisch in der großen Küche geboren worden.
Als Kinder waren Beth und ihre ältere Schwester Juni von dem Gedanken fasziniert gewesen, dass ihre Mutter auf der gleichen braunen Holzfläche zur Welt gekommen war, auf der jetzt ihre Teller standen. Das Schlucken fiel ihnen dann schwer und sie bekamen das Essen nicht mehr herunter und mussten es heimlich mit der Zunge wieder rausdrücken und in ihren Servietten verstecken.
Auf einem Tisch gebären. Wie unwirklich!
Beth brachte ihre Zwillinge im Kreißsaal des Karolinska Krankenhauses zur Welt. Im Oktober wären sie sieben geworden.
»Was sollen wir heute unternehmen, Ulf?«, hatte sie an diesem Morgen zum Kellerdach hinaufgerufen. »Sollen wir nach dem Mittagessen etwas unternehmen, was meinst du? Wollen wir irgendwohin fahren?«
Ihre Kopfhaut juckte und sie rieb mit den Fingerknöcheln darüber, weil sie Angst hatte, sich sonst die Haut aufzukratzen. Eigentlich musste sie sich die Haare waschen, aber es war so umständlich. Der Boiler hatte den Geist aufgegeben und sie schafften es einfach nicht, ihn reparieren zu lassen. Also musste sie Wasser in dem großen Aluminiumkessel erhitzen, es dann in Eimer umfüllen und diese auf die Treppe hinaustragen. Ganze Fliegenschwärme wurden angelockt, wenn sie vorgebeugt und mit nassen Haaren auf dem Hof stand, nichts sehen konnte und nur die krabbelnde Berührung von Saugrüsseln und Insektenbeinen spürte.
»Ja, können wir machen«, sagte er lustlos. »Wir können einen kleinen Ausflug machen.«
Fast täglich nahmen sie den Wagen und fuhren in eine der kleinen Ortschaften in der Umgebung, kauften Zeitungen, Zigaretten, Wein. Die Stille, die das Haus umgab, vertrieb sie, sie waren eine solche Stille nicht gewohnt, ebenso wenig wie ihre eigenen Laute und Stimmen, die plötzlich so deutlich wurden. Eine nagende Rastlosigkeit breitete sich in ihnen aus, je länger der Tag dauerte, und sie nahmen Zuflucht in den Geschäften der Umgebung und kauften eine ganze Reihe von Dingen, die sich später als vollkommen überflüssig erwiesen wie zum Beispiel der elektrische Grill. Keiner von ihnen konnte sonderlich gut grillen, und wenn sie dann gelegentlich doch grillten, war das Ergebnis oft genug enttäuschend: faseriges Fleisch mit schwarzer Oberfläche – oder das Gegenteil, so blutig, dass es praktisch noch roh war.
Eigentlich ist es ja tote Materie, dachte Beth dann immer.
Sie wusste, dass der Verwesungsprozess in einem Körper schon kurz nach dem Eintritt des Todes begann, dass man schon nach gut zwei Stunden den faden Leichengeruch wahrnehmen konnte. Warum geschah mit geschlachteten Tieren nicht das Gleiche? Warum begannen sie nicht sofort zu verwesen? Wurden sie mit einer speziellen Methode behandelt, damit der Prozess hinausgezögert wurde? Sie hatte sich nie getraut, jemanden danach zu fragen, weil sie Angst hatte, wunderlich zu erscheinen.
Jetzt waren sie wieder zurück. Sie blieben noch einen Moment im Auto sitzen und Beth wiederholte ihre Worte. Ich habe Angst, Ulf, da stimmt doch was nicht, ich habe Angst. Sie hörte ihn atmen. Sein Körper war groß und unmittelbar neben ihr, ich liebe dich, dachte sie, du darfst mich niemals verlassen, niemals.
»Komm!«, sagte er. »Wir gehen rein.«
Eine Schwalbe durchschnitt die Luft und berührte fast die Motorhaube. Wenn ihre Küken so weit waren, das Nest zu verlassen, waren die Schwalben manchmal regelrecht aggressiv. Eines Morgens hatte eine Schwalbe Beths Gesicht attackiert, aber als sie es anschließend Ulf erzählte, glaubte er ihr nicht.
»Komm«, wiederholte er.
Sie stiegen aus dem Wagen, ließen die Türen jedoch einen Spalt weit offen stehen. Schneidende Angst erfasste Beths Körper, breitete sich von den Kuhlen der Handteller die Arme hinauf und weiter in Bauch und Rückgrat aus. Sie suchte in ihrer Tasche nach dem Hausschlüssel, er war ganz nach unten unter ihren Taschenkalender gerutscht. Sie reichte ihn Ulf.
»Mach du auf!«, sagte sie.
3. KAPITEL
Als sie das Wohnzimmer betraten, wurde ihnen klar, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hatte. Es war jemand da gewesen. Das Fenster zum Wald stand sperrangelweit auf, es war nicht beschädigt oder aufgebrochen worden, sondern stand nur auf und wurde durch einen Haken festgehalten.
Ulf blieb auf der Schwelle stehen und hielt sich am Türrahmen fest, als befürchte er ein Nachbeben.