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und ganz nackt, wie es sich an seine Mama presst und nach den Zitzen sucht, so wie alle kleinen Babys das tun. Du hast das auch getan, auch wenn du dich daran nicht mehr erinnern kannst, du hast mit den Lippen gesucht und gesaugt. Ich habe dich gehalten, so habe ich dich gehalten, eingewickelt in eine Decke mit ganz vielen Fransen . . . und einmal, als ich dich abgelegt habe, hast du angefangen, an den Fransen zu saugen. Du hast eine Menge Flusen in den Mund bekommen und gewürgt und geschrien. Ich habe einfach nicht kapiert, dass es gefährlich sein könnte. Ich war so ungeübt, verstehst du, ich wusste nicht viel über kleine Kinder.«

      Diese Geschichte hatte sie ihm nicht einmal, sondern viele, viele Male erzählt, aber er sagte es ihr nicht. Vielleicht wusste seine Mutter es auch, vielleicht wusste sie, wie gerne er ihr zuhörte, wenn sie von Dingen erzählte, die geschehen waren, ehe er alt genug war, um sich daran zu erinnern.

      »Die Leute, die damals in dem Haus wohnten, bekamen ein Kind, nur eins. Eine Tochter. Sie hieß Susanne. Sie war jünger als ich, aber wir sind trotzdem zusammen zur Schule gegangen. Alle Mädchen beneideten sie um ihren Namen, Susanne. Niemand sonst hieß so. Wir kannten jedenfalls sonst keinen. Manchmal begleitete ich sie nach Hause. Ihre Mama machte Milch für uns warm und stellte Löffel mit Honig in die Tassen. Ich erinnere mich noch, dass sie was am Rücken hatte, sie ging am Stock.«

      8. KAPITEL

      Er dachte an seine Mutter.

      Er dachte: Ich gehe zu Holger rüber.

      Er dachte: Kaarina. Wenn sie da ist.

      Aber Holger stand auf dem Hügel vor dem Haus und am hinteren Ende des Zauns drängten sich alle Hühner zusammen. Er hatte die Klappe zum Hühnerhaus mit einem Brett versperrt. Jetzt bückte er sich und griff ein gelb gesprenkeltes aus dem Federhaufen heraus. Er hielt es an den Beinen fest, und es flatterte wild.

      Am Hackklotz lag die Axt bereit.

      Unbemerkt ging er ums Haus herum. Kaarina war da. Sie beugte sich über einen Korb voller Wäsche. Sie hatte die Ärmel des Pullovers hochgekrempelt, ihre Ellbogen waren rissig und grau.

      Er dachte, dass er sie rufen würde, mit leiser Stimme rufen und froh machen.

      Vielleicht würde sie sich aber gar nicht freuen. Vielleicht würde sie stattdessen vor Schreck und Überraschung aufschreien. Aber sie entdeckte ihn, ehe er überhaupt dazu kam, etwas zu tun. Sie ließ ein nasses glattes Kleidungsstück in den Wäschekorb zurückfallen und machte eine Geste, um ihm zu bedeuten: Ich habe gemerkt, dass du da bist.

      Langsam ging er auf sie zu. Wenn es ihm nur gelänge, sie zum Kichern zu bringen. Dann kam alles Weiche an ihr und ihrer Haut zum Vorschein.

      »Kleine Kaarina, Kicherkind . . . komm mit in den Wald zum Spielen.«

      Aber sie stierte nur die Wäsche an und schwieg.

      Er stand in der Fliederlaube und schaute ihr dabei zu, wie sie weiter Wäsche aufhängte. Sein Körper war voller Schwere und Lust, seine Hände bewegten sich zur Wurzel seiner Lust.

      Eine Tür fiel ins Schloss. Holger stand in einem Blut besprenkelten Hemd auf der Treppe. Der offene Mund mit seinem Loch aus Worten, der heitere, unstete Blick.

      Kaarinas Hände und die Wäsche.

      Voller Lust ging er davon.

      9. KAPITEL

      Er war ein hoch aufgeschossener und kräftiger Mann mit großen Händen, die jedoch nicht besonders grobschlächtig waren. Er hatte immer Probleme, passende Kleider für sich zu finden. Er sah es nicht oder achtete nicht weiter darauf, wenn die Hosenbeine über seinen Fußknöcheln endeten. Jetzt spazierte er durch das Moor und das Bild seiner Mutter verflüchtigte sich.

      Es wurde allmählich Abend, aber es war immer noch hell und warm. Mit dem Abend kamen die Kriebelmücken und die Mücken. Die Schwalben wussten das und verfolgten sie mit weit aufgesperrten Schnäbeln. Seit er am Morgen Kaarinas Eier gegessen hatte, war er nicht mehr hungrig gewesen. Er hatte die Eier ins Wasser gelegt und gekocht. Sie hatten seinen Magen den ganzen Tag gefüllt, aber jetzt war er leer.

      Das Essen war die größte Sorge seiner Mutter gewesen und sie hatte gesagt, dass sie ihm das Kochen beibringen müsse, sie hatte gesagt, er könne auch selbst in ihr Kochbuch schauen und sie fragen, aber dazu war es nie gekommen und dann war alles vorbei. Eines Morgens lag sie steif und verkrümmt in ihrem Bett. Er hatte sie berührt, sie fest in die Ohrläppchen gekniffen, immer fester, um sie zu einer Reaktion zu zwingen. Aber in seinem tiefsten Inneren wusste er Bescheid. Ihre Arme waren gebeugt und die Hände wiesen zu Fäusten geballt nach oben, so als hätte sie gegen etwas angekämpft, das gekommen war um sie zu verletzen. Er war inzwischen erwachsen und schlief im Speicherzimmer. Sie schlief weiterhin auf der Bettcouch. Er hatte später oft gedacht, wenn er noch unten gelegen hätte, aber ein erwachsener Sohn und seine Mutter lagen nicht so eng beieinander, zeigten einander ihre nackten Körper nicht. Was geschehen war, war im Laufe der Nacht geschehen, und er konnte nichts mehr dagegen tun. Sie lag in dieser trägen, verdrehten Körperhaltung da und er packte sie an den Ohren und kniff hinein.

      »Mama!«, sagte er, ja, er schrie es sogar.

      Aber ihre Augen waren trüb geworden und ihre Kinnlade hing herab. Da schoss ihm etwas durch den Kopf, was sie gesagt hatte. Du musst mir die Augen schließen und das Kinn hochbinden, damit ich nicht wie ein Dorftrottel daliege und glotze. Er versuchte, ihre Anweisungen zu befolgen und strich mit der Hand über die widerspenstigen Lider, die sich ein Stück herunterschieben ließen, um anschließend sofort wieder zurückzuschnellen. Anschließend holte er ein Taschentuch, das er zusammenrollte und ihr wie Zaumzeug um das Kinn legte, aber der Kiefer war starr und widersetzte sich. Er knotete das Taschentuch auf dem Scheitel zusammen, aber das sah nicht gut aus. Die Enden glichen herabhängenden Kaninchenlöffeln und bildeten einen traurigen Anblick. Er musste den Knoten wieder lösen und sie so liegen lassen.

      Geh zur Frau des Pfarrers, hatte sie gesagt. Sie kümmert sich um dich und richtet mich her. Mach das bitte, bevor andere kommen, der Pfarrer oder die Männer, die mich forttragen sollen.

      Im Licht der Morgendämmerung lief er zum Pfarrhof und an diesem Morgen aß er nichts, weinte aber auch nicht, denn das, was geschehen war, überstieg sein Fassungsvermögen.

      Die Frau des Pfarrers hieß Ingalisa. Sie zog später fort, nach Skara oder Hjo, er erinnerte sich nicht mehr genau. An diesem Morgen trat sie in einem blutroten Morgenmantel aus dem Haus, und als sie sah, dass er es war, wusste sie augenblicklich, worum es ging.

      »Gib mir zwei Minuten!«, bat sie. »Zwei Minuten.«

      Dann liefen sie los. Sie lief vor und er folgte ihr. Sie wussten beide, dass es eigentlich keinen Grund zur Eile mehr gab, aber sie liefen trotzdem, so als bräuchten sie die endgültige Bestätigung. Frau Ingalisa trug kleine, schwarze Stiefel. Er sah, wie sie im Morast einsank, sah ihre Schritte schwerer werden. Er konnte nichts tun um es ihr leichter zu machen.

      Aber sie war stark und schnell und das bisschen Matsch machte ihr nichts aus. Sie stellte die Stiefel in der Diele ab und hängte ihren Mantel auf. Darunter trug sie eine Jeans und einen dunkelblauen Jumper. Sie goss Wasser in eine Schüssel und wusch den verdrehten Körper der Mutter unter dem Nachthemd. Die Arme der Toten standen immer noch hoch, die Finger waren nach innen gekrümmt. Ingalisa, die Frau des Pfarrers, blieb stumm, während sie arbeitete. Ihr Mund war klein und schief, er sah ihre Zungenspitze.

      Anschließend holte sie die Blumenvase mit den blauen pelzigen Blumen aus der Küche und stellte sie in das Zimmer, in dem seine Mutter lag. Das sah schön aus.

      »Deine Mutter braucht jetzt nicht mehr zu leiden«, sagte sie und trocknete ihre Hände ab. »Du musst versuchen, es so zu sehen, wenn du dich einsam fühlst.«

      Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass seine Mutter gelitten hatte. In den folgenden Wochen und sogar noch heute, viele Jahre später, dachte er oft darüber nach.

      Die Pfarrersfrau trug an einer Kette ein Kreuz um den Hals. Es fiel nach vorn, als sie sich zu ihm vorbeugte.

      »Du kommst am besten

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