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Am Pier. Gerd Mjøen Brantenberg
Читать онлайн.Название Am Pier
Год выпуска 0
isbn 9788711454992
Автор произведения Gerd Mjøen Brantenberg
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mit diesen Menschen sollte Beate Halvorsen aus Lahellemoen jetzt in die Schule gehen – in diese Schule, die unten im feinsten Stadtviertel lag, gleich bei Cicignon, und die manche immer noch „Mittelschule“ nannten, obwohl sie doch schon lange nicht mehr so hieß. Nur zwei aus Lahellemoen waren in diesem Jahr dorthin übergewechselt. Hartvig Gravdahl, der ganz oben in Bydalen bei der Brauerei wohnte, und Beate, die auf Kapellfjellet wohnte, durch den sich jetzt die Baumaschinen hindurchfraßen, um Fredrikstad die Fredrikstadbrücke zu bauen. Gravdahl. Eigentlich konnte Hartvig Gravdahl ihr gestohlen bleiben. Er war immer so arrogant, und er hatte selten mit ihr gesprochen, hatte nur gerufen, und auch das war jetzt schon lange her. Aber Beate war nur froh, wenn er die Ruferei auch weiterhin nicht wieder aufnahm. Am besten wäre überhaupt niemand aus Lahellemoen dabeigewesen.
Beate schleppte sich mit ihrer Tasche voller Bücher Kapellveien hoch. Nur gut, daß sie unten alte Bücher verkauft hatten, sonst hätte ihre Mutter einen Schock erlitten. 163 Kronen und 25 Öre kosteten die Bücher insgesamt, wenn sie alles neu kaufen mußte. Viele von den alten Büchern, die die großen Schüler verkauft hatten, waren so zerfleddert, daß sie kaum noch zusammenhingen, aber zum Glück hatte sie auch zwei erwischen können, die noch einigermaßen gut aussahen. Die deutsche Grammatik, schwarz und gelb, und dieses Christenheitsbuch von Fjellbu oder so hatte sie nicht bekommen, es kostete 4,70. Das norwegische Lesebuch kostete neu 17,50. Sie hatte es für fünf bekommen. Sie freute sich darauf, ihrer Mutter das zu erzählen. Das Erdkundebuch hatte sie nicht, auch das war schrecklich teuer, 8,85 stand auf der Liste. Aber sie würde Tone fragen, die letztes Jahr Abi gemacht hatte.
Beate nahm die Schultasche in die andere Hand und hoffte, daß Tone dieses Erdkundebuch nicht hatte. Ein neues Buch wäre auch schön. Nur eines. Sie konnte doch an ihre Sparbüchse gehen. Aber dann würde es noch länger dauern, bis sie sich ein Fahrrad kaufen konnte, und jetzt hätte sie gut eins brauchen können. Wenn sie sich jeden Tag so abschleppen mußte, wäre ihre Schulter bald ausgerenkt.
Beate näherte sich ihrem Haus. Es war ein langes flaches hufeisenförmiges Haus, ungefähr auf halber Höhe des Hangs, weiß, wie so viele Häuser hier oben. Hier wohnte sie mit ihrer Mutter in zwei Zimmern und Küche in der Hälfte des einen Flügels. Sie ging auf den Hof, blieb bei der Pumpe stehen und trank einen Schluck, es war so schwül, es würde sicher ein Gewitter geben. Sie blickte hoch zu den blauschwarzen Wolken über dem Dach, dann stieg sie die beiden Treppenstufen hoch und erreichte den schmalen Flur. Hinter dem Fenster sah sie das kleine zerfurchte Gesicht ihrer Mutter.
„Schon wieder da? Ich habe noch nicht mit dem Mittagessen angefangen, aber jetzt dauert’s nicht mehr lange.“ Wie üblich redete ihre Mutter mit dem Mund voller Stecknadeln.
„Laß dir ruhig Zeit. Ich hab’ sowieso noch keinen Hunger.“
Sie ging ins Wohnzimmer. Überall lagen Teile des dunkelblauen Gabardinestoffs für Frau Direktor Bøhmers neues Kostüm herum, das zum Empfang fertig sein sollte, den der Herr Direktor Ende des Monats geben wollte. Frau Bøhmer mit ihren weißen Haaren sah so elegant aus in schwarz oder blau.
„Nina hat heute auch in der Schule angefangen“, sagte Beate und wanderte durch das Wohnzimmer ins andere Zimmer. Tone hatte ihr erzählt, ab jetzt würde sie ununterbrochen Hausaufgaben machen und dicke Bücher lesen müssen, die kein Ende nahmen, von dem Moment an, wo sie nach Hause kam, bis zur Schlafenszeit am Abend. Aber das machte Beate keine Angst. Sie freute sich darauf, die Welt der Bücher zu betreten, nahm sie aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Die Mutter schaute herein. „Jetzt wirst du wohl klug?“
„Ach, ich weiß nicht. Du hättest mal die Lehrer sehen sollen. Die sahen allesamt so aus, als ob sie nicht alle Tassen im Schrank hätten.“
Fräulein Halvorsen dachte ein Weilchen darüber nach. Sie beendete den Saum der Jacke und ging in die Küche. „Kennst du welche von den Kindern, mit denen du jetzt zur Schule gehst, Mädi?“ rief sie Beate zu.
„Wir sind keine Kinder mehr, Mensch, falls du dir das eingebildet hast“, kam die Antwort aus dem Schlafzimmer. „Aber ich kenne sie nicht. Nur Nina, natürlich, und die anderen aus St. Croix. Aber die wissen nicht, wer ich bin.“
„Hast du denn mit irgendwem gesprochen?“
„Nein, ich hab’ zu niemandem ein Wort gesagt. Was hätte ich denn auch sagen sollen?“
„Aber Nina kennt dich doch wohl?“
„Ja, aber ich glaub’ nicht, daß sie mich gesehen hat, und außerdem ist sie sowieso in der D-Klasse gelandet. Ich bin in der B-Klasse. Dies Jahr gibt es nämlich sechs erste Klassen.“
„Du bist also nicht in derselben Klasse wie Hartvig?“
„Doch. Aber ich könnte gut ohne ihn auskommen.“
„Und mit wem bist du sonst noch zusammen?“
„Ach, mit der Hälfte von allen Bonzenkindern aus der Stadt. Mit der Tochter vom Oberingenieur Hauger – Gudrun heißt sie, sie ist schrecklich dick, und mit der Tochter von Inspektor Martinsen aus Trara, die heißt Sandra und ist schrecklich sportlich, und mit der Tochter von Dr. Holm unten in der Stadt, die hat sich getraut, etwas zum Klassenlehrer zu sagen. Und dann ist da noch einer, der heißt Rolf Magnor, Sohn von Granit-Magnor, und einer heißt Sigvart Jespersen, Sohn von der Kartonfabrik, und Kjell Grunder, Sohn von der Glommen-Kreditbank, und eine heißt Liv Abrahamsen. Die ist auch aus Trara. Und dann ist da noch ein ganz langer, der Leif Bang Monradsen heißt.“ Hiermit beendete Beate ihre Aufzählung.
„Ach? Wer ist das denn?“
„Der? Ach, einfach so ein Junge, natürlich.“
Wieder dachte Fräulein Halvorsen eine Weile nach. Seit vielen Jahren hatte alles dem Ziel gedient, ihre Tochter in die Gelbe Anstalt zu bringen. Nichts durfte dabei schiefgehen. Aber gleichzeitig wußte sie, daß sie jetzt nicht mehr von früh bis spät auf sie aufpassen konnte. Das mußte sie jetzt selber schaffen. Das tat weh.
„Heute gibt’s Erbsensuppe, Mädi.“
„Schön“, rief Beate. „Aber Mama, kannst du nicht anfangen, mich Beate zu nennen?“
Im kleinen Zimmer neben dem Wohnzimmer hatten sie ans Fenster neben dem Bett ein Tischchen gestellt. Hier konnte Beate hinter den Blumentöpfen sitzen und auf Kapellveien hinausblicken. Das Fenster war ziemlich niedrig, wenn Leute dicht vorbeigingen, konnte sie sie ungefähr von der Taille aufwärts sehen. Waren sie weiter entfernt, sah sie sie ganz. Es war schön, hinter dem kleinen Dschungel aus Topfblumen zu sitzen und einfach nur zu schauen. Auf dem Tisch lag ein großer neuer grüner Bogen Löschpapier als Unterlage, darauf Hefte und Kladden und ein kleiner hellgrüner Behälter für Bleistifte, Radiergummi und Bleistiftspitzer. Endlich hatte sie einen Ort für