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Hausgehilfin auch den Hausstand in Ordnung.

      Hans Wendel war sich klar darüber, dass Lotte ihm einmal sehr fehlen würde. Nun, wenn sie ihn verliess, wollte er ebenfalls bald heiraten, es war wohl sowieso dazu an der Zeit.

      Die Druckerei befand sich in einem niedrigen Hofgebäude. Der Betrieb zählte zwanzig Mann. Im zweistöckigen Vorderhaus wohnten im ersten Stock die Geschwister, im unteren ein älteres Ehepaar. —

      Am Abend des gleichen Tages sass Lotte in dem kleinen Restaurant, in dem sie sich bisher verabredet hatten, Klaus von Tannstätten gegenüber. Wohl wissend, dass ihr Haar auffallend schön war, trug Lotte einen kleinen schwarzen Filzhut, der einen grossen Teil der lockigen rotbraunen Pracht freigab.

      Klaus von Tannstättens Augen hingen an ihrem Gesicht.

      „Mein geliebtes Mädchen, du glaubst gar nicht, wie sehr ich an dich denke, wenn ich nicht bei dir bin. Gottlob erwiderst du meine Liebe, und wir brauchen uns vor dem endgültigen Beisammenbleiben nicht lange zu trennen. Heute wollen wir von unserer Heirat sprechen, bitte, nur davon. Du ahnst nicht, wie ich unsere Hochzeit herbeisehne.“

      Sie strahlte ihn an und gestand ihm: „Mein Bruder weiss von unserer Liebe und möchte dich kennenlernen, Klaus. Und weisst du, ich will auch nicht länger Heimlichkeiten vor ihm haben, schliesslich brauchen wir beide das doch gar nicht.“

      In seiner Antwort klang Verdruss:

      „Hast also nicht schweigen können, Lotte! Schade, mir wäre es zunächst noch lieber gewesen.“

      Er sprach nicht lauter als sonst, aber sie hatte unwillkürlich das Gefühl, als ob er sie heftig angefahren hätte.

      In ihrem Gesicht spiegelte sich erschrecktes Staunen. „Mein Bruder hat uns zufällig zusammen gesehen und . . .“

      Er sagte sanft: „Aber, Lottemädel, du entschuldigst dich ja förmlich. Das hast du wahrhaftig nicht nötig. Ich wollte unsere Liebe noch ein kleines Weilchen geheimhalten, kein Dritter sollte unser stilles Glück stören. Aber schliesslich bedeutet ein Bruder wohl keine Störung. Wenn du willst, werde ich ihn schon morgen fragen, ob er mir seine Schwester zur Frau geben will. Schon morgen.“

      Lotte Wendel lächelte heiter und entspannt. Da hatte sie sich wohl gründlich geirrt, Klaus war nicht im geringsten verstimmt oder gar auf sie erzürnt. Sie blickte ihn dankbar an.

      „Du bist so lieb und gut, Klaus, und ich begreife noch immer nicht, dass gerade ich das Glück habe, von dir geliebt zu werden.“

      Sie war eine einfache Natur, grosse Worte lagen ihr nicht, ja, sie waren ihr peinlich.

      Er nahm ihre Hand, streichelte sie.

      „Schon recht, Lottchen, ich habe dich über alles lieb, und dein Bruder wird einsehen, dass wir zusammengehören und uns keine Schwierigkeiten in den Weg legen. Ich begreife, dass es ihm schwerfallen wird, eine Schwester wie dich herzugeben.“

      Sie war förmlich benommen. Soviel Glück kam über sie, so überwältigend viel Glück! Mit einem Male, als sie schon gar nicht mehr daran gedacht hatte, dass sie noch heiraten würde. Und was für einen Mann noch dazu! Einen, der Können, vornehmen Namen und blendende Erscheinung in die Waagschale zu werfen hatte.

      Beseligt sass sie da, nippte ab und zu an ihrem Weinglas und sagte zu allem ja, was er vorschlug. Er versprach am übernächsten Tag, vormittags gegen elf Uhr, ihren Bruder zu besuchen. Er würde sehr pünktlich sein.

      Sie sah ihn strahlend an.

      „Danke schön, Klaus, dass du sofort einverstanden gewesen bist. Ich freue mich schon darauf, wenn du zu uns kommen wirst.“ Ein Sorgenfältchen schob sich zwischen ihre Brauen. „Aber, Klaus, es ist sehr einfach bei uns, sogar ein bisschen spiessbürgerlich.“

      Sie fand, seine hohe, schlanke Gestalt passte nicht recht in die ein wenig verstaubte Pracht der einstigen guten Stube ihrer seligen Mutter. Sie rechnete bestimmt damit, Hans würde ihr gegenüber widerrufen, was er Hässliches über ihren Liebsten gesagt hatte. Sie grübelte: Wie könnte Klaus von Tannstätten auch nur einem einzigen Menschen widerwärtig sein? Auch Hans würde ihm sehr bald gut sein.

      Er lächelte in ihre bewundernden Gedanken hinein. „Lottekind, ich muss einmal telephonieren. Ich habe nämlich nachher noch eine wichtige Verabredung. Mein Geschäftsfreund hat am Tage keine Zeit gehabt, und das Treffen mit dir wollte ich auf keinen Fall aufgeben.“

      Sie streichelte seine Hand scheu und leicht.

      Er erhob sich. „Entschuldige mich also bitte ein paar Minuten, Lottchen, ich bleibe nicht lange fort.“

      Er eilte ans Telephon, das sich in einer Kabine draussen auf dem Gang befand. Es war gut, dass Lottchen sein Gespräch nicht mit anhörte. Er rief nämlich eine Frau an, die er „Liebling“ nannte und der er versicherte, er würde noch durch eine langatmige geschäftliche Unterredung festgehalten, doch in spätestens einer Stunde wolle er sich losreissen.

      Er kehrte zu Lotte Wendel zurück, und als er schräg durch das Lokal auf ihren Tisch zuschritt, drückte Lotte unwillkürlich den Kopf in den Nacken vor Stolz, von so einem Prachtmenschen geliebt zu werden. Er war gross und schlank, dabei breit in den Schultern, seine Züge waren scharf geschnitten und sein braunes Haar dicht und glänzend. Die Augen von leuchtenden Blau schienen alles durchdringen zu wollen.

      Irgendwie ging es verschwommen durch ihren von wirren, aber glückseligen Gedanken erfüllten Kopf: Es gibt noch Märchen, die Wahrheit werden . . . So ein wahrgewordenes Märchen ist die Liebe Klaus von Tannstättens zu ihr . . .

      Sie brachen bald auf, und draussen meinte er: „Ich würde dich herzlich gern nach Hause bringen wie sonst, aber die geschäftliche Verabredung lässt mir nicht mehr die Zeit dazu und sie ist sehr, sehr wichtig.“ Seine Stimme wurde zärtlich: „Nimm dir eine Taxe, Lottemädel, fahre heim, ich erlaube auf keinen Fall, dass du noch so spät allein durch die Strassen gehst.“

      „Mir tut niemand was!“ lachte sie, und es war ein Lachen, beladen mit Innigkeit.

      Als der Wagen anfuhr, winkte sie dem Manne noch einmal zu, und er stand draussen am Strassenrand und winkte lachend zurück. Seine weissen Zähne blitzten. Mit einem kleinen Seufzer, den ihr das übergrosse Glück erpresste, sank Lotte Wendel in die Polster zurück.

      Sie spann holde Zukunftsträume; ihre Hände falteten sich fest vor inbrünstiger, heisser Bewegung. Es war die allerhöchste Steigerungsstufe des Glückempfindens, die das Schicksal der kleinen tüchtigen, aber unschönen Lotte Wendel überhaupt auf Erden schenkte, denn was danach kam, war traurig und trübe, es blieb ihr unfassbar bis zu ihrem letzten Atemzug.

      Aber davon ahnte sie jetzt noch nichts.

      * * *

      Der Vormittag, an dem der Besucher erwartet wurde, kam heran. Das Wohnzimmer war völlig verwandelt worden. Lotte hatte die Möbel umstellen lassen, hatte neue teure Gardinen angeschafft und einen schönen modernen Teppich erworben. In den Vasen steckten frische Blumen. Fichtennadelduft, den Lotte verstäubte, lag wie ein wundersamer Waldesgruss über allem.

      Lotte hatte sich gestern ein neues Kleid gekauft, ein blaugraues Wollspitzenkleid, und heute früh ihr Haar vom Friseur in Locken aufstecken lassen.

      Hans Wendel fand, seine Schwester sah wirklich besonders vorteilhaft aus. Zwar die Nase blieb zu klein und dick, die hellen Augen waren zu schmal, die Backenknochen zu stark — immerhin sie hatte aus sich gemacht, was nur möglich war. Er nahm sich vor, dem zukünftigen Schwager freundlich entgegenzukommen und jedes Vorurteil in sich zu ersticken.

      Lotte strahlte und wirkte gut um einige Jahre jünger. Hans Wendel begriff, dass „Liebe“ eine grosse Zauberin war. Er kannte die Liebe noch nicht — ein paar Liebeleien lagen auf dem Wege seiner Vergangenheit, Liebeleien, deren Ende weder ihm noch seiner jeweiligen Mitspielerin weh getan.

      Es schlug elf Uhr vom Turm einer nahen Kirche, und die alte Standuhr in einer Ecke der Wohnstube schlug ebenfalls elfmal. Lottes Gesicht gewann vor Erwartung noch mehr Farbe. Schon in der nächsten Minute musste es an der Korridortür klingeln, und dann

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