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Das Herz einer Mutter - Unterhaltungsroman. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Das Herz einer Mutter - Unterhaltungsroman
Год выпуска 0
isbn 9788726444797
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es klingelte wieder, und sie rannte zur Tür. Als sie ihre Tochter vor sich sah, erstrahlte ihr Gesicht. »Helga, Liebling . . . ich wußte es ja! Wie schön, daß du da bist!«
Die beiden Frauen fielen sich in die Arme, hielten sich sekundenlang eng umschlungen. Helga machte sich als erste los.
»Mammutschka, du tust ja so, als käme ich geradewegs vom Mond!«
»Kommt mir auch fast so vor! Laß dich mal ansehen, Liebling! Gut siehst du aus, aber blaß. Sag mal, überarbeitest du dich auch nicht in Frankfurt? Sei mir nicht böse, aber ich kann das Gefühl nicht loswerden, daß diese Leute dich da ganz schön ausbeuten!«
»Ach, woher denn, Mutti! Heute wird eben überall viel verlangt!« Helga nahm ihren Koffer auf und trat in die Wohnung.
»Kannst du über Nacht bleiben?« fragte Frau Reimers hoffnungsvoll. »Vielleicht sogar ein paar Tage?«
Kitty klopfte auf den Vulkanfiberkoffer. »Deswegen? Nein, da habe ich bloß ein paar Geschenke für euch mitgebracht.«
»Aber das sollst du doch nicht, Helga, das ist doch nicht nötig! Wie oft habe ich dir schon gesagt . . .«
Helga küßte ihre Mutter auf die Wange. »Ich tu’s doch gerne, Mutti!« Sie warf einen prüfenden Blick in den Flurspiegel. »Wo sind denn die anderen?«
»Papa und Rolf sind bestimmt zum Essen wieder da. Und Karin . . .« Frau Reimers senkte die Stimme. »André Colbert holt sie gleich ab. Ich glaube, diesmal wird’s was Ernstes!«
»Wirklich?« Ein Lächeln lag um Helgas Lippen. »Na, dann herzlichen Glückwunsch!«
»Laß dir Karin gegenüber nicht anmerken, daß ich dir was verraten habe. Zieh sie nicht auf«, mahnte die Mutter. »Du weißt, sie ist so empfindlich!«
»Keine Sorge, ich halte dicht!«
Sie gingen in das Wohnzimmer, einen kleinen, mit Möbeln vollgestopften Raum. Kittys Blick fiel auf ihr Foto als Weinkönigin. In einem schmalen Silberrahmen prangte es an der Wand neben dem Schreibtisch. Es war ihr noch nie so abgeschmackt erschienen. Dieses junge Mädchen mit der unmöglichen Frisur, dem Rebenkranz auf den Locken, dem gezierten Lächeln und dem fischäugigen Blick hatte wirklich nichts mehr mit ihr zu tun.
»Wann nehmt ihr das scheußliche Bild endlich weg?« fragte Helga. »Ich schicke euch einmal ein neues. Eins, auf dem ich mir auch wirklich ähnlich sehe!«
»Ja, tu das, Liebling, das wäre wunderbar«, sagte Frau Reimers.
»Setz dich doch, mach es dir gemütlich! In einer halben Stunde ist das Essen fertig. Willst du vielleicht vorher einen Likör?«
»Aber, Mutti . . . mach dir doch bitte keine Umstände! Ich bin schließlich hier zu Hause!«
Wieder klingelte es an der Wohnungstür. »Das ist bestimmt André!« rief Frau Reimers. »Entschuldige mich . . .« Sie lief hinaus.
Helga schwang sich auf die Lehne eines eingesunkenen alten Sessels, zündete sich eine Zigarette an und betrachtete mit kritischem, leicht amüsiertem Blick die altvertraute Umgebung. Daß sie hier einmal hatte leben können – unvorstellbar!
Von draußen hörte sie Stimmen. Dann öffnete sich die nur angelehnte Tür, und André erschien, ein dunkelhaariger, gut aussehender junger Mann in einem tadellosen Einreiher. Als er Helga erblickte, blieb er wie angewurzelt stehen. Sie begegnete seinem verwirrten Blick mit weit geöffneten spöttischen Augen.
»Helga . . . du hier?« fragte er verblüfft.
»Du sagst es!« Sie streifte die Asche ihrer Zigarette ab, ohne die Augen abzuwenden.
Frau Reimers kam ins Zimmer. »Ja, stellen Sie sich vor, André, Helga ist zu Besuch gekommen. Nun, was sagen Sie? Hat sie sich in der Großstadt sehr verändert?«
»Ja«, sagte André.
Helga zuckte mit keiner Wimper. »Und darf ich fragen, worin diese Veränderung besteht?«
»Du bist schöner geworden.«
Helgas Lächeln vertiefte sich. »Wirklich? Glaubst du, ich könnte heute noch einmal zur Weinkönigin gewählt werden?«
Sein Gesicht verfinsterte sich bei dieser unliebsamen Erinnerung. »Mußt du unbedingt von diesen alten Geschichten anfangen?«
»Warum denn nicht?« sagte sie leichthin und wippte mit dem schlanken Bein. »Schließlich waren sie doch ganz interessant oder . . .?«
»Mutti!« rief Karin aus ihrem Zimmer.
»Nehmen Sie doch Platz, André«, sagte Frau Reimers hastig. »Ich bin gleich wieder da!«
André Colbert trat dicht auf Helga zu. »Du hast es immer schon verstanden, mich verrückt zu machen.«
»Nicht verrückt genug, um mich zu heiraten.«
»Das lag nicht an mir, Helga! Du kennst doch meine Eltern . . .«
»Eben. Und deshalb bin ich froh, daß ich diesem Schicksal entgangen bin. Mir geht es blendend, und ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut . . . falls du danach fragen wolltest.«
»Das wäre mir nicht im Traum eingefallen, denn das sieht man dir ja an.«
»Danke!«
Plötzlich wußte er nichts mehr zu sagen. Es wurde sehr still in dem kleinen Zimmer. Aber er mußte sie weiterhin ansehen.
»Helga«, sagte er schließlich, »ich habe öfter mal in Frankfurt zu tun, geschäftlich . . .«
»Interessant«, sagt sie gleichgültig.
»Ich meine, könnten wir uns nicht mal wiedersehen? Ich habe das Gefühl, wir hätten uns allerhand zu sagen!«
»Ich nicht«, erklärte sie kühl und genoß es, ihn zappeln zu lassen.
»Gib mir deine Adresse!«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Und warum nicht? Bin ich dir so unsympathisch? Kannst du mir nicht verzeihen?«
»Ich erinnere mich nicht, daß ich dir etwas zu verzeihen hätte, André. Aber man soll alte Leichen nicht ausbuddeln. Sie stinken nämlich.«
Er zuckte zusammen, als hätte er einen Schlag erhalten.
»Mach nicht so ein Gesicht«, sagte sie kühl. »Du hast jetzt Karin . . . und ich meine Freiheit. Jedem das Seine, André. Aber es war nett, dich mal wiederzusehen. Du hast dich nämlich überhaupt nicht verändert.«
Er wollte etwas entgegnen, aber in diesem Moment kam Karin ins Zimmer. Sie sah sehr hübsch aus in einem Imprimé-Kleid, das ihre schlanke, jugendliche Figur betonte. Ihr kluges, etwas nüchternes Gesicht hatte durch ein geschicktes Make-up Farbe bekommen.
Das Lächeln, mit dem sie die Schwester begrüßte, fiel reichlich gezwungen aus. »Helga, schön, daß du dich mal wieder sehen läßt!«
»Du siehst gut aus, Kleine«, sagte Helga gönnerhaft.
Karin legte mit einer fast besitzergreifenden Bewegung ihre Hand auf Andrés Arm. »Tag, André. Wollen wir?«
André Colbert zögerte für Sekunden, und Helga konnte es sich nicht versagen, in die Kerbe zu schlagen.
»Laßt euch durch mich nicht stören!« sagte sie.
Karin meisterte die Situation. »Oder wollen wir Helga mitnehmen, André?«
André blickte beunruhigt von einer Schwester zur anderen. »Das